Das Investment: Aktienfonds-Serie: „Anleihen bieten keinen Inflationsschutz“

sjb_werbung_das_investment_300_200  SJB | Korschenbroich, 13.11.2012. Der Fondsmanager des ehemals über 24 Milliarden Euro schweren Fidelity-Fonds European Growth, Matthew Siddle, im Gespräch mit DAS INVESTMENT.com. Der Manager verurteilt Börsenweisheiten nicht generell. Aber auf das Timing komme es an.

Matthew Siddle managt den Fidelity European Growth Fund (WKN: 973270). Erst im Juli 2012 hat er beim Fonds die Nachfolge von Alexander Scurlock angetreten.

DAS INVESTMENT.com: Ihre drei Argumente bitte, warum Anleger derzeit Aktien kaufen sollten.

Matthew Siddle: Von der gegenwärtigen Ausgangsbasis aus ist die langfristige Aussicht für Aktienanlagen meiner Meinung nach sehr gut. Es gibt drei wesentliche Faktoren, die langfristige Gewinne unterstützen: Erstens sind die Bewertungen europäischer Aktien im historischen Vergleich aktuell sehr attraktiv.

Zweitens sind Unternehmen mit ihren Gewinnen, Dividenden und Aktienkursen in der Lage, mit der Inflation mindestens Schritt zu halten. Das ist ein wesentlicher Vorteil von Aktien beispielsweise gegenüber Anleihen. Unternehmen, die die Preissetzungsmacht haben, steigende Rohstoffpreise an die Kunden weiter zu geben, haben das Potenzial, attraktive reale Renditen zu liefern.

Drittens darf man europäische Unternehmen nicht mit der europäischen Gesamtwirtschaft gleichsetzen. In Europa ansässige multinationale Qualitätsunternehmen wachsen, obwohl einige Euro-Randstaaten vor großen Herausforderungen stehen. Ich finde für meine Fonds im aktuellen Umfeld viele aussichtsreiche Aktien, die attraktiv bewertet sind.

DAS INVESTMENT.com: Was sind derzeit Ihre Top-3-Märkte und -Sektoren?

Siddle: Die drei Sektoren, in denen ich die meisten spannenden Unternehmen finde und in denen ich übergewichtet bin, sind Grundbedarfsgüter, Energie und Konsumgüter.

Der Konsumgütersektor, vor allem der Medienbereich, bietet viele Möglichkeiten, in umsatzstarke Unternehmen mit einem hohen Cashflow zu investieren. Diese Unternehmen werden aktuell im historischen Vergleich zu günstigen Bewertungen gehandelt. Ein Beispiel ist WPP: Die Holding von Werbeunternehmen ist sowohl im Wachstumsmarkt Digital Advertising als auch in den wachstumsstarken Schwellenländern gut aufgestellt.

Der Energiesektor profitiert von einem starken Nachfrageausblick. Da die herkömmlichen, leicht zu erschließenden Öl- und Gasvorkommen langsam zur Neige gehen, müssen Förderunternehmen mehr Technologie einsetzen, um die Fördermenge zu halten. Viele der neu entdeckten Energievorkommen sind entweder Schiefergas beziehungsweise Schieferöl oder befinden sich in der Tiefsee. Diese Vorkommen sind nur mit einem deutlich höheren technologischen Aufwand zu erschließen als herkömmliche Öl- und Gasfelder. Das unterstützt einen höheren Ölpreis und davon profitieren Fördertechnikunternehmen.

Auch der Bereich der Grundbedarfsgüter bietet einige ausgewählte Möglichkeiten für Investoren. Beispiele sind Danone und Nestle. Beide Unternehmen sind in den Schwellenländern sehr gut aufgestellt und bieten in diesen Märkten ein starkes Wachstum.

DAS INVESTMENT.com: Was können Anleger nächstes Jahr und die Kommenden danach erwarten?

Siddle: Mittel- und langfristig sehe ich gute Aussichten für Aktien. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Aktienmärkte im Jahr 2013 sehr volatil bleiben. Der gegenwärtige Zweikampf positiver und negativer Faktoren wird noch anhalten. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten werden in den kommenden Monaten weiter negativ bleiben, und es gibt Anzeichen dafür, dass das Wachstum in den großen Volkswirtschaften USA und Deutschland abflaut.

Allerdings haben wir in den vergangenen Monaten erlebt, dass eine bisher so noch nie dagewesene Lockerung der Geldpolitik die Marktstimmung aufhellt. Dieser Zweikampf wird voraussichtlich auch im Jahr 2013 weitergehen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Marktstimmung.

Ich habe keine spezifische Sicht auf den Dax als Ganzes, da ich einen Stockpicking-Ansatz verfolge. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Aussichten für Aktienanlagen besser werden, je langfristiger Investoren denken. Die Qualität vieler europäischer Unternehmen und die aktuell günstigen Bewertungen werden sich auf lange Sicht auf jeden Fall auszahlen.

DAS INVESTMENT.com: Wie lässt sich der starke Abverkauf von Aktienfonds gegenüber dem „Run“ auf Rentenfonds Ihrer Meinung nach einordnen?

Siddle: Im Marktumfeld der vergangenen Jahre mit großen Kursschwankungen und der Unsicherheit an den Börsen ist es absolut nachvollziehbar, dass Investoren schwankungsärmere Anlagen gesucht haben. Ausgehend von Rekordständen im Jahr 2000 haben sind die Bewertungen von europäischen Aktien in den vergangenen zwölf Jahren beträchtliche zurückgegangen.

Daher sind die Bewertungen nun auf einem sehr attraktiven Stand angekommen, der unter dem historischen Durchschnitt liegt, während sich die Situation an den Anleihemärkten verschlechtert hat. Daher wird der Abverkauf bei Aktienfonds meiner Ansicht nach zu einem Ende kommen. Anleger sollten bedenken, dass herkömmliche Anleihen keinen Schutz gegen das Risiko einer steigenden Inflationsrate bieten.

DAS INVESTMENT.com: Welche Rolle spielen die Emerging Markets und deren Einfluss auf die Weltwirtschaft bei Ihrer Titelauswahl?

Siddle: Schwellenländer sind ein ganz wesentlicher Wachstumstreiber für europäische Unternehmen, da fast ein Viertel der Profite Europas Unternehmen aus ihrem Engagement in den Schwellenländern kommt. Ich bin überzeugt, dass europäischen Unternehmen, die eine starke Marke und ein skalierbares Geschäftsmodell haben, am meisten vom Wachstum und vom zunehmenden Konsum in den Schwellenländern profitieren werden. Unternehmen wie Louis Vuitton Moet Hennessy (LVMH) und BMW sind gute Beispiele für diese Art von Unternehmen.

Ein starkes Standbein in den Schwellenländern zu haben ist aber keine notwendige Voraussetzung, damit ich ein Unternehmen in mein Portfolio aufnehme. Aber es ist ein wesentlicher Wachstumstreiber, den viele Anleger verkennen, wenn sie in europäische Aktien investieren.

DAS INVESTMENT.com: Wie fällt die Aktiengewichtung in Ihrem Privatvermögen aus?

Siddle: Aktien machen den Großteil meiner privaten Anlagen aus. Ich bin überzeugt, dass die langfristigen Wachstumsaussichten für Aktien sehr gut sind. Der Grund dafür liegt in den im historischen Vergleich sehr günstigen Bewertungen und in der Fähigkeit der Unternehmen, dank Dividenden und steigender Aktienkurse potenziell einen Schutz gegen Inflation zu bieten.

DAS INVESTMENT.com: Wie lautet die dümmste Börsenweisheit in Bezug auf den Aktienmarkt?

Siddle: Die meisten Börsenweisheiten enthalten zumindest ein Fünkchen Wahrheit. Das Entscheidende ist, dass man erkennt, in welchem Umfeld und in welcher Situation das Sprichwort richtig ist.

Zum Beispiel beinhaltet das Sprichwort “Don’t Fight The Fed” ein wahres Element. Eine stimulierende Finanz- und Währungspolitik hilft, die Marktstimmung zu verbessern, wenn sie zu mehr Konsum und höheren Investitionen führt.

Andererseits kann es auch eine ganz schlechte Entscheidung sein, den Markt zu kaufen, wenn die Fed (Anm. d. Red.: Die US-Notenbank Federal Reserve) die Zinsen senkt: So sind die Märkte zwischen der ersten Zinssenkung im Jahr 2001 und dem endgültigen Zinstief Ende 2002 deutlich gefallen. Das Gleiche gilt für die Zinssenkungen zwischen September 2007 und März 2009.

DAS INVESTMENT.com: Sie dürfen sich hier ausnahmsweise in eine Aktie verlieben – welches Unternehmen ist das glückliche und warum?

Siddle: Das Geheimnis erfolgreichen Investierens ist es natürlich, sich niemals in eine Aktie zu verlieben, die man besitzt. Denn es wird unweigerlich die Zeit kommen, an der du sie verkaufen musst.

Anleger haben mit der Technologieblase im Jahr 2000 lernen müssen, dass Bewertungslevel wichtig sind. Es gibt tatsächlich viele kognitive Fallen, in die Anleger tappen können. Ich bin daher überzeugt, dass es wichtig ist, einer klaren Investmentstrategie zu folgen, die Fundamentaldaten wie die Bewertung, die Profitabilität und die Preissetzungsmacht eines Unternehmens berücksichtigt.

Genau so wichtig ist eine klare Exit-Strategie bei Aktien, wenn die Abwägung von Risiko und Rendite nicht mehr stimmt oder die Investmentidee nicht mehr glaubhaft ist.

DAS INVESTMENT.com: Welche war Ihre erste Aktie?

Siddle: Die Privatisierung von British Gas im Jahr 1986 hat viele Briten zu Aktienbesitzern gemacht – ich war einer davon. Es gab damals eine berühmte Werbekampagne im Fernsehen, die Anleger dazu bewegen sollte, in Aktien des Unternehmens zu investieren.

Der Ausgabekurs von 135 Pence pro Aktie bedeutete, dass das Unternehmen neun Milliarden britische Pfund wert war. Ich bin froh, dass die Aktie sich gut entwickelt hat und mir geholfen hat, durch meine Studienzeit in Cambridge zu kommen.

Von: Ansgar Neisius

Quelle: DAS INVESTMENT.

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