Das Investment: Christoph Bruns: „Die Eurozone gleicht einer Bananenrepublik“

sjb_werbung_das_investment_300_200Der Euro eine „Weichwährung“, die Europäische Union „auf dem absteigenden Ast“: Im Interview mit DAS INVESTMENT.com trifft Loys-Vorstand Christoph Bruns klare Aussagen zu den Schritten, die in der EU seiner Meinung nach dringend erforderlich sind.

DAS INVESTMENT.com. Für dieses Jahr waren ursprünglich mehrere Leitzinserhöhungen in den USA angekündigt worden. Bisher ist keine umgesetzt worden. Wie ist Ihre Prognose: Werden die Zinsen auf absehbare Zeit wieder ansteigen – in den USA und anderswo?

Christoph Bruns: In den USA sind keine großen Zinssteigerungen zu erwarten und Europa ist Jahre davon entfernt, die Zinsen anzuheben. Gleichwohl würde sich die Fed lächerlich machen, wenn sie nicht irgendwann ein kosmetisches Erhöhungszeichen setzte. Vielleicht ist dies im Dezember der Fall. Wir haben jetzt dieses wöchentliche Rätselraten, ständig kommen neue und widersprüchliche Ankündigungen. Aber im Ernst: Die Amerikaner haben keinen Grund, die Zinsen zu erhöhen. Das Wirtschaftswachstum ist schwach und der Arbeitsmarkt strukturell derangiert.

In Japan sieht es anders auch, da die Japaner bei ihrem Sanierungskurs einfallsreich sind und mittlerweile Aktien kaufen. Die Europäische Zentralbank hat ihr Pulver auch bei weitem noch nicht verschossen. Meine Anregung: auch Aktien kaufen. Wie die Schweizer Nationalbank.

Wird denn das Quantitative Easing Ihrer Meinung nach noch einmal verlängert werden?

Bruns: Das könnte wiederkommen. Man könnte das QE auch noch ausweiten auf Immobilien, Aktien und anderes. Das ist heute keine Exotik mehr. Die Schweizer Nationalbank macht das: Sie hat für 61 Milliarden US-Dollar Aktien gekauft, unter anderem von Apple. Eine ganze Liste. Und auch wenn hier eine leichte Kursänderung angekündigt worden ist: In Japan gehört schon ein Viertel der ersten Sektion des Aktienmarkts der Notenbank. Da werden doch die EZB und Mario Draghi nicht nachstehen wollen. Geld lässt sich als Notenbank ja beliebig schöpfen. Alternativ könnte man es auch abwerten. Das ist ja schon vorgeschlagen worden: Hubschraubergeld.

Man kann sich nicht so recht vorstellen, wie das in der Realität aussehen würde …

Bruns: Aber was hier passiert, hat man sich ohnehin nicht vorstellen können. Das hätte man vor zehn Jahren ja nie gedacht. Insofern soll man diesen Prozess jetzt mit großer Fantasie begleiten. Ich meine: Den Geist, den man aus der Flasche geholt hat, kann man nicht wieder hineinstecken. Man gewöhnt sich jetzt an diese Nullzinsen. Und die Staaten haben sich wunderbar gewöhnt. Sparen können sie nicht. Aber die Haushalte werden über das Zinsbudget entlastet. Der Schuldenspirale können die Staaten nur durch Inflation entgehen, denn Sparen funktioniert nicht, nirgendwo.

Schwenken wir einmal auf Europa um: Sie haben kürzlich den Brexit als einen Segen für Europa bezeichnet.

Bruns: Das ist in mancherlei Weise so. Es war wie ein Weckruf. Die Europäische Union war seit Längerem schon auf abschüssigem Gelände unterwegs. Insbesondere weil sie sich schwertut, die eigenen Verträge einzuhalten. Und immer so weitermachen wie bisher, geht nicht mehr. Das zeigt das britische Votum. Es herrscht eine antieuropäische Stimmung im Volk, und das nicht nur in Großbritannien. Aber andere Länder sind ja nicht gefragt worden. Die Rebellion in der belgischen Region Wallonien bezüglich CETA ist ebenfalls Ausdruck dieser Befindlichkeit.

Das führt nun in Brüssel dazu, dass man nachdenken muss, ob es so weitergehen kann: Ob man immer mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagert und immer mehr Geld in die Institutionen der EU fließen lassen sollte. Es sieht nicht so aus. Wir haben in der Flüchtlingskrise erlebt, wie unsolidarisch die Europäische Union funktioniert. Es werden Sonntagsschwüre abgegeben. Sobald Solidarität erforderlich ist, halten sich viele nicht mehr an die Regeln. Und das öffnet den Menschen die Augen.

Sie haben einmal gesagt, dass man reformunwillige Länder auch aus der EU ausschließen sollte.

Bruns: Vielleicht sollte man das mal eskalieren lassen … Bei Griechenland bestand eine Chance, aber die Regierungschefs der EU haben sich für ein Durchwurschteln entschieden, obwohl sie genau wissen, dass das Land ein Dauersanierungsfall ist.

Nach EU-Vertrag ist ein Austritt von Ländern aus der Gemeinschaft aber gar nicht vorgesehen.

Bruns: So ist es. Deshalb brauchen wir eine richtige strukturelle Reform. Klar ist aber, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn man seine eigenen Verpflichtungen nicht einhält, wird Europa zum Club. Alle nehmen nur ihre Rechte wahr – vor allem finanzieller Natur –, aber nicht ihre Pflichten. Das wird nicht gutgehen. Das Problem ist, dass dadurch innerhalb Deutschlands Kräfte erwachsen, die rebellieren. Die Politik nimmt diese Tendenzen durchaus wahr, aber man bekommt es nicht geregelt.

Ich prognostiziere, dass wir Veränderungen kriegen werden. Europa – das sind jetzt 27 Länder: Man muss sich überlegen, wie man weitermachen will. Entweder vereinbart man Verträge wie Schengen oder das Dublin-Abkommen. Dann muss man sich aber auch daran halten. Sonst ist Europa tot. Wir brauchen eine neue Verfassung. Wenn Länder austreten wollen, soll das eben so sein. So geht es jedenfalls nicht weiter – und zwar, weil der Druck in Deutschland und anderen Ländern, von der Straße und von gewissen Gruppen, zu groß werden wird.

Wenn sich die EU wieder verkleinert, weil Länder austreten – wird das in Europa nicht zu politischer Instabilität führen?

Bruns: Wenn man nichts am jetzigen Zustand ändert, wird gerade das die Instabilität befördern.

Aber wie wäre das umzusetzen? – Man kann ja nicht sagen: ‚Bestimmte Länder dürfen nicht mehr teilnehmen, weil sie sich nicht an die Vorgaben halten, wir schließen jetzt beispielsweise Ungarn oder Polen aus.‘

Bruns: In Polen will man aber auch die Grundrechte nicht mehr einhalten. Ein schwerwiegender Verstoß gegen die europäischen, demokratischen Werte – Unabhängigkeit der Politik, der Justiz, Meinungs- und Pressefreiheit. Man sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn man das tut, passiert das gleiche wie beim Euro. Da hatte man Maastricht-Verträge …

… die den Euro-Staaten Schuldengrenzen vorschreiben …

Bruns: … die gleich über den Haufen geworfen wurden. Keiner nimmt sie mehr ernst. Die Währung ist eine Weichwährung geworden. Sie wird gedruckt wie verrückt. Die Eurozone gleicht diesbezüglich eher einer Bananenrepublik. In der Regel führt eine solche Disziplinlosigkeit zu dauerhaftem Verfall. In Berlin mag man das wohl sehen. Heute hat die deutsche Politik aber noch keinen Plan, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Gleichwohl muss man die Dinge aber verändern, weil das eigene Volk so etwas nicht dauerhaft mitmacht.

Quelle: Das Investment

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