Das Investment: Experten zum Stichwahl-Ausgang in Frankreich: „Wir erwarten zweistelliges Gewinnwachstum in Europa“

sjb_werbung_das_investment_300_200Nach Auszählung der Wahlstimmen in der Stichwahl um den französischen Präsidentschaftsposten heißt der Wahlsieger Emmanuel Macron. Investment-Experten setzen jetzt große Erwartungen in die weitere Entwicklung in Frankreich und Europa. Lesen Sie die Einschätzungen.

Christoph Bruns, Fondsmanager und Co-Geschäftsführer von Loys: „Wir rechnen mit einer Renaissance der EU“

„Die europäischen Aktienmärkt standen in den vergangenen Jahren im Schatten der USA, weil dort die Finanzkrise schneller überwunden wurde und Europa angesichts der Griechenland-Rettung, der Flüchtlingskrise und des Brexit als Dauerbaustelle galt. Zu Anfang des Jahres gab es zugleich große Sorgen bezüglich der Wahlen in den Niederlanden und besonders in Frankreich. Durch einen Wahlsieg Macrons ist ein Auseinanderfallen der EU und des Euros ausgeschlossen.

Man darf nicht vergessen, dass Frankreich der größte Aktienmarkt der Euro-Zone ist. Sollte Frankreich unter einem Präsident Macron auf den Reformweg à la Gerhard Schröder (Agenda 2010) einschwenken, würde eine gehörige Wachstumsphantasie für das Land entstehen. Am erstarkenden Euro und den gefragten französischen Staatsanleihen sieht man, dass sich die Börse auf so ein Szenario vorbereitet.

Wir rechnen mit einer Renaissance der EU und sehen Donald Trump als Auslöser dieser Entwicklung. Der neue Isolationismus der USA führt dazu, dass sich die EU zusammenreißen muss und wird. Besonders in der Wirtschafts- und Verteidigungspolitik wird sich die EU neu besinnen und ausrichten müssen. Ein Hauch von Reformwind weht bald über Europa und auch Italien könnte sich unter dem wiedererstarkenden Matteo Renzi dem Reformzug anschließen. Diesbezüglich kann Spanien als Musterknabe gelten, wenngleich der Weg noch lang ist. Immerhin ist dies an den Börsen nicht unbeachtet geblieben. Spanische und italienische Aktien haben sich zuletzt sehr positiv präsentiert. Die fünf Loys-Fonds besitzen dementsprechend deutliche Übergewichtungen in europäischen Aktien.“

 

Britta Weidenbach, Leiterin globale Aktien bei Deutsche Asset Management: „Wir erwarten zweistelliges Gewinnwachstum in Europa“

„Mit dem Ergebnis der französischen Wahlen wurde das unseres Erachtens größte politische Einzelrisiko Europas im laufenden Jahr abgewendet. Zudem scheinen die populistischen Strömungen vorerst ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Wir haben dies als Anlass genommen, Europas Aktien auf Übergewichten hochzustufen, da die politischen Unwägbarkeiten vor allem ausländische Investoren davon abgehalten haben dürften, ihre Gelder verstärkt nach Europa umzuschichten.

Dabei sind die Stärken Europas dieses Jahr nicht mehr zu übersehen: Neben dem stabilen makroökonomischen Umfeld überzeugt vor allem die Gewinndynamik europäischer Firmen. Dieses Jahr markiert den Wendepunkt in Europa – das Gewinnwachstum ist nach sechs schwachen Jahren zurückgekehrt – wir rechnen mit einem zweistelligen Ergebnisplus im Jahresvergleich. Die bisherige Berichtssaison unterstützt unser positives fundamentales Bild. Die Bewertung ist dabei, vor allem im Vergleich zu den USA, vernünftig. Viele Anleger sprechen zwar davon, dass sie Europa wieder attraktiver finden, aber in der Breite ist dies noch nicht in ihren Positionierungen reflektiert.

Mit Emmanuel Macron steht ein bekennender Europäer an der Spitze des wichtigsten politischen Partners Deutschlands. Dies könnte die Investorenphantasien sogar hinsichtlich weiterer Integrationsschritte – etwa einer besser abgestimmten und stimulierenden Fiskalpolitik – beschleunigen. Die Region könnte zum Jahresende also sogar stabiler dastehen als zu Jahresbeginn. Dabei sollte man die Wahlergebnisse auch nicht schönreden, belegen sie doch das hohe Maß an politischer Unzufriedenheit und den Vertrauensverlust in die etablierten Parteien. Nichtsdestotrotz ist es die sechste Wahl in Europa seit Ende 2016, bei der nationalistische Parteien schlechter abgeschnitten haben als zuvor prognostiziert.“

 

Steven Andrew, Fondsmanager Multi Asset bei M&G: „Bei Euro-Anleihen dürfte Länder der Euro-Peripherie profitieren“

„Das Ergebnis einer der am stärksten umkämpften Präsidentschaftswahlen in Frankreich hat die Umfragen bestätigt. Emmanuel Macrons Sieg zeigt nun, dass politische Unzufriedenheit in Europa nicht automatisch zu Anti-EU- oder rein nationalistischen Erfolgen führen muss. Für die Befürworter Europas ist dies eine sehr gute Nachricht.

Macron will eine tiefere Integration und bessere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern erreichen und ist außerdem ein großer Anhänger freien Handels und der Globalisierung. Er wird versuchen von diesen Trends zu profitieren anstatt sie umkehren zu wollen. Allerdings müssen wir noch die Wahl zur Nationalversammlung im Juni abwarten, um einschätzen zu können, ob der neue Präsident eine Mehrheit für sein Programm erhält und inwieweit er die Richtung der französischen Wirtschaftspolitik spürbar ändern kann.

Aus der Anlegerperspektive müssen wir uns natürlich an die ökonomischen Fakten halten. Diese zeigen uns, dass sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen in Frankreich während der letzten Jahre deutlich verbessert haben, ebenso wie in der gesamten Eurozone. Das wird nicht nur an steigenden Wachstumsraten und sinkenden Arbeitslosenzahlen deutlich, sondern seit Kurzem auch in überraschend guten Unternehmensergebnissen im ersten Quartal dieses Jahres.

Aktien der Eurozone, die derzeit attraktive Einstiegskurse bieten, könnten daher zukünftig beträchtliche Renditen erzielen. Und wenn nicht mehr nur über die Zersplitterung des Euroraums gesprochen würde, könnten sich die Anleger stärker auf die Verbesserung der fundamentalen Daten konzentrieren. Bei den Anleihen dürften staatliche Emittenten der Euro-Peripherie wie beispielsweise Portugal profitieren, da die Angst vor politischer Instabilität zurückgeht.“

 

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International: „Gewinne der französischen Unternehmen könnten um 10 Prozent steigen“

„Die Kapitalmärkte begrüßen den Sieg Macrons, obwohl er nach der ersten Wahlrunde allgemein erwartet worden ist. Auf jeden Fall reduziert die Tatsache, dass Marine Le Pen nicht Präsidentin geworden ist, das gefühlte politische Risiko in Europa.

Inwieweit Emmanuel Macron seine Vorhaben umsetzen kann, wird nun vom Ausgang der Parlamentswahlen im Juni abhängen sowie von seiner Fähigkeit, dort eine Mehrheit zu finden. Ich erwarte aber, dass Macron als Präsident pragmatisch verfahren wird und einige Reformvorhaben durchsetzen kann. Das wäre für das Wachstumspotenzial der französischen Volkswirtschaft von Vorteil. Jenseits der Innenpolitik ist Macron gegenüber der Europäischen Union eindeutig positiv eingestellt. Dies erhöht die Chancen einer weiteren Integration innerhalb der Eurozone.

Die Gewinne der französischen Unternehmen könnten von den wirtschaftspolitischen Maßnahmen Macrons beflügelt werden. Steigerungsraten von zehn Prozent scheinen realistisch. Gründe dafür sind insbesondere die geplanten Steuersenkungen und der Vorschlag, die aktuellen vorübergehenden Kürzungen der Sozialabgaben in dauerhaft niedrigere Sätze umzuwandeln. Darüber hinaus will Macron die Investitionen in den kommenden fünf Jahren um 50 Milliarden Euro steigern, was der Energie- und Baubranche sowie dem IT-Sektor zugutekommen würde.

Darüber hinaus könnte der Telekommunikationssektor eine erneute Konsolidierung sehen, wenn Macron, wie im Wahlkampf angekündigt, tatsächlich beschließt, den Anteil des Staates am Telekommunikationsanbieter Orange zu reduzieren oder vollständig zu verkaufen.

Französische Staatsanleihen dürften sich nun etwas besser entwickeln als Staatspapiere aus anderen europäischen Ländern, da einige der eher defensiven Anleger ihre zurückhaltende Positionierung aufgeben werden. Allerdings dürfte der Effekt begrenzt bleiben, da das Wahlergebnis bereits weitgehend am Anleihemarkt erwarten worden war.“

 

Michael Strobaek, Globaler Investmentchef von Credit Suisse: „Erwarten positive Marktreaktion“

„Trotz der Unsicherheit in Bezug auf die Regierungsbildung und die Umsetzung potenzieller Reformen ist der Wahlausgang unseres Erachtens positiv für Europa und die Finanzmärkte. Auf kurze Sicht erwarten wir eine nur geringfügige Aufwertung des EUR gegenüber dem USD und dem CHF, zumal die Einheitswährung bereits nach der ersten Wahlrunde, als sich ein Sieg Macrons abzuzeichnen begann, wieder deutlich zugelegt hatte. Wir rechnen damit, dass der EUR gegenüber dem USD letztlich näher an die Notierungen von vor der Wahl heranrücken wird, weil die geldpolitische Divergenz zwischen der Eurozone und den USA nach wie vor Bestand hat. Auch die Aktienmärkte dürften weiterhin Anleger anziehen, wobei sich Finanzwerte besonders gut entwickeln sollten.

Aufgrund unseres zurzeit positiven Ausblicks für Aktien aus der Eurozone sind wir gut positioniert, um von solchen Avancen zu profitieren. Wir rufen allerding in Erinnerung, dass die Aktienmärkte – genauso wie die Einheitswährung – den positiven Wahlausgang des heutigen Tags bereits im Anschluss an die erste Wahlrunde einzupreisen begannen. Mit Blick auf die Fixed-Income-Märkte erwarten wir, dass die Renditespreads französischer und europäischer Anleihen weiter zurückgehen werden.“

Quelle: DAS INVESTMENT.

Siehe auch

e-fundresearch: Gefahr einer Divergenz von Fed und EZB vergrößert Renditeabstand

EZB-Präsidentin Christine Lagarde macht eine künftige Lockerung von der Fortsetzung der Disinflation abhängig. Die dürfte nach Ansicht von Axel Botte, Chefstratege des französischen Investmenthauses Ostrum Asset Management, allerdings mit dem Anstieg der Ölpreise, dem anhaltenden Preisdrucks im Dienstleistungssektor und dem Rückgangs des Euro-Wechselkurses unsicherer geworden sein dürfte.

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