Das Investment: Folgen des Brexit werden Ende des Jahres spürbar

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Viele Investoren wundern sich über die wirtschaftliche Stabilität Großbritanniens nach dem Brexit-Referendum. Das wird sich aber bald ändern, meint Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager für globale Rentenstrategien bei T. Rowe Price. Anlegern rät er zu Vorsicht.Mehr als ein Jahr ist vergangen, seitdem sich die britischen Wähler für einen Austritt aus der europäischen Union entschieden haben. Und trotzdem ist es kaum abzuschätzen, wie dieser Austritt umgesetzt werden soll und welche Folgen er mit sich bringt. Obwohl bereits Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und Brüssel stattgefunden haben, wird es noch lange Zeit dauern, bis die Bedingungen vereinbart sind.

Es ist auch fraglich, ob überhaupt eine Einigung gefunden werden kann. Während die Politik weiterhin undurchsichtig bleibt, kann der Einfluss des Brexit auf die Wirtschaft mit mehr Zuversicht vorausgesagt werden.

In den nächsten Jahren steht Großbritannien vor einigen Herausforderungen. Investoren, die nach dem Referendum ihre dortigen Positionen untergewichtet haben, sind von der wirtschaftlichen Stabilität Großbritanniens überrascht. Der Einfluss des Brexit auf die Wirtschaft wird wahrscheinlich nicht ausbleiben, sondern hat sich einfach nur zeitlich verschoben und wird Ende des Jahres spürbar. Bedenklich ist allerdings, dass die britische Regierung die geldpolitischen Möglichkeiten bereits weitestgehend ausgeschöpft hat und somit nur noch geringfügig in der Lage ist, die Wirtschaft vor einem signifikanten Rückgang zu bewahren.

Die Folgen eines harten Brexit
Sollte es nicht zu großen politischen Änderungen kommen, ist ein harter Brexit wahrscheinlicher als ein weicher. Das bedeutet, dass das Land ab März 2019 oder sogar sofort von den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) abhängig ist, was enorme Auswirkungen hätte. Großbritannien war bereits ein Mitglied der WTO, die Bedingungen für den Handel wurden jedoch allgemein für die EU-Mitgliedsstaaten festgelegt. Als unabhängiges Mitglied braucht Großbritannien nun jedoch eigene Tarife und Kontingente, die für ausländische Produkte gelten. Neue Tarife auszuhandeln, ist kompliziert, sodass Großbritannien die Beibehaltung der aktuellen Tarife, so wie sie in der EU verhandelt wurden, bevorzugen würde. Das könnte allerdings als politisch beschämend wahrgenommen werden, da doch der ursprüngliche Grund für einen Austritt aus der EU der war, die Kontrolle zurückzugewinnen.

Viel problematischer wird allerdings, wenn Großbritannien aus der EU austritt, aber weiterhin diese Tarife beibehält, denn dann müssen Unternehmen jedes Mal für ihre Waren Steuern zahlen, wenn sie die Grenze zwischen Großbritannien und einem EU-Mitgliedsstaat überqueren. Des Weiteren müsste der aktuelle EU-Zollsatz, der einer bestimmten Menge an Gütern die günstigere Einfuhr ermöglicht, individuell festgelegt werden. Diese Verhandlungen machen den Prozess, Großbritannien als unabhängiges WTO-Mitglied zu etablieren, komplex und zeitaufwendig.

Langsam zeigt sich die wirtschaftliche Realität
Es ist fast unausweichlich, dass die britische Wirtschaft geschwächt wird, wenn das Land ab März 2019 unter den Bedingungen der WTO handelt. Weniger eindeutig ist jedoch, wie stark dieser wirtschaftliche Rückgang ausfallen und wie lange er andauern wird. Bedingt durch die Komplikationen, die die Wiederaufnahme in die WTO als unabhängiges Mitglied hervorbringt, lässt sich annehmen, dass sich die Periode der wirtschaftlichen Unsicherheit verlängert und möglicherweise einen größeren, globalen wirtschaftlichen Rückgang mit sich bringt.

In der Tat gibt es Hinweise darauf, dass die Auswirkungen des Brexit bereits spürbar sind. Die Nettoinvestitionen leisten einen sichtbar geringen Beitrag für das Bruttoinlandsprodukt und liegen deutlich unter dem Ziel der Regierung von einem Prozent. Haushalte, die 66 Prozent der britischen Wirtschaft ausmachen, werden ebenfalls gepresst: Das Lohnwachstum liegt bei 2,1 Prozent, wohingegen sich die Inflation auf 2,9 Prozent beläuft. Dementsprechend lässt sich eine negative Einkommensdynamik erkennen. Deutlich wird dies an den schwächeren Einzelhandelsumsätzen und den Gewinnwarnungen von einigen beliebten Filialketten.

Der rückläufige Konsum und die Investitionen werden den öffentlichen Sektor erheblich unter Druck setzen, was die Erträge der Staatsanleihen erhöhen wird. Die akkommodierende Geldpolitik der Bank of England sorgte dafür, dass die Erträge seit 2007 deutlich zurückgegangen sind. Wenn sich die Geldpolitik umkehrt, werden die Erträge wieder steigen. Das britische Pfund könnte dann signifikant geschwächt werden.

Wie könnte Großbritannien das Wachstum stimulieren?
Wie könnte Großbritannien im Falle einer starken wirtschaftlichen Schwäche das Wachstum stimulieren? Genau wie andere Zentralbanken ist auch die Bank of England zu einer strafferen Geldpolitik gezwungen. Das wiederum bedeutet, dass Zinssenkungen und eine quantitative Lockerung eher unwahrscheinlich sind.

Angesichts dessen wäre eine umsetzbare Möglichkeit, auf steuerliche Maßnahmen zu setzen. Beispielsweise könnte die Bank of England die Staatsverschuldung sichern. In anderen Worten: Die Regierung könnte Infrastrukturprogramme wie die Eisenbahnverbindung „High Speed 2“ finanzieren, indem sie Null-Kupon-Anleihen an die Zentralbank ausgibt, die im Gegenzug mit neu gedrucktem Geld bezahlt. Die Bank of England wird wahrscheinlich versprechen, die Anleihen niemals zu verkaufen oder das Geld zurückzuziehen, was im Umlauf entstanden ist. Stattdessen generiert sie eine dauerhafte Verschuldung, in dem sie die Verpflichtungen ausbaut, ohne einen Ausgleich zu verlangen.

Es ist schwierig, mit Gewissheit die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU vorherzusagen. Was allerdings mit Gewissheit vorausgesagt werden kann, ist, dass die britische Wirtschaft unter dem Austritt aus der EU leiden wird. Insbesondere dann, wenn es auch zu einer weltweiten Wirtschaftsschwäche kommen wird. Ein transnationales Abkommen könnte die Einbußen für die Unternehmen verringern. Zwei Szenarien sind denkbar: Entweder verlässt Großbritannien die EU mit einem Abkommen, dass einen reduzierten Zugang zum Binnenmarkt ermöglicht oder das Land verlässt die EU ohne jegliches Abkommen. Das wäre der schlechteste Fall.

Dementsprechend ist Investoren zu raten, sich defensiv gegenüber Staatanleihen und dem britischen Pfund zu positionieren. Die volatilen Preisbewegungen lassen kurzfristige Kaufoptionen attraktiv erscheinen, dennoch ist das Umfeld für britische Investments eher unsicher. Das liegt zum einen an der Möglichkeit eines harten Brexit als auch am Gegenwind für den Konsum.

Von: Quentin Fitzsimmons
Quelle: Das Investment

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