Das Investment: Invesco-Chef im Interview: „Multi-Asset ist begrüßenswert“

sjb_werbung_das_investment_300_200Seit zehn Jahren leitet Marty Flanagan die Fondsgesellschaft Invesco. Das macht er sehr erfolgreich, und da kann man ihn auch mal in der Zentrale in Atlanta besuchen. Ein Gespräch über vergangene Krisen und künftige Herausforderungen.

DAS INVESTMENT: Atlanta verbindet man mit CNN, Coca-Cola und den wunderbaren Golfplätzen. Eine Finanzmetropole ist die Stadt nicht. Wie bewerten Sie den Standort?

Marty Flanagan: Wir fühlen uns hier sehr wohl. Atlanta ist eine lebenswerte Stadt. Brauchen wir den Lärm der Finanzmetropolen, um einen guten Job zu machen? Nein. Wichtig ist es, eigene Ideen zu haben und umzusetzen. Ich glaube, die besten Voraussetzungen für Individualität und Mut zur eigenen Meinung hat man, wenn man weg vom Lärm ist. Sonst trifft man ständig die gleichen Leute, die Gesprächsthemen sind einseitig, und da sind Menschen geneigt, sich breiten Meinungen anzuschließen. Ich habe von 1983 bis 1993 für Franklin Templeton auf den Bahamas gearbeitet – ein idealer Platz, um fokussiert zu arbeiten und auch mal gegen den Strom zu schwimmen.

e sind seit zehn Jahren CEO von Invesco. 2005 war das Unternehmen nicht profitabel. Dann kam die Finanzkrise. Heute verwaltet Invesco über 776 Milliarden US-Dollar, der Aktienkurs ist in den zehn Jahren von 13 Dollar auf über 32 Dollar gestiegen. Brauchen Sie handfeste Krisen, um Managementqualitäten zu zeigen?

Flanagan: Ab 2005 haben wir uns konsequent auf die Bedürfnisse unserer Kunden und die Führung eines guten Unternehmens konzentriert. Nun haben wir die Krise 2008 sicherlich nicht begrüßt. Aber sie hat bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg gewesen sind. Weil wir ein gutes Geschäft betrieben, konnten wir über die gesamte Krise hinweg sehr nah bei unseren Kunden bleiben. Unsere Wettbewerber mussten intern ihre Probleme lösen – zu einer Zeit, in der Kontakt zum Kunden wichtiger war als je zuvor. Wenn Märkte gut laufen, ist es leicht zu liefern. Eine so gravierende Krise wie die von 2008 jedoch zeigt, wie wichtig es ist, nah an den eigenen Kunden zu bleiben. Weil wir uns auf unsere Kunden konzentrierten und darauf, ein gutes Geschäft zu betreiben, konnten wir trotz der Umwälzungen der Finanzindustrie Chancen nutzen. Einige Banken mussten sich von ihren Asset-Management-Abteilungen trennen. Die sind auf uns zugekommen mit Möglichkeiten, unsere Präsenz in wichtigen Märkten auszubauen. Wir sind durch die Krise zu einem stärkeren Unternehmen geworden, als wir es davor waren.

Und Ihre Botschaft nach diesen herausfordernden Jahren?

Flanagan: Konzentriere dich stets auf deinen Kunden und betreibe ein gutes Geschäft im Interesse der Kunden.

In der Vergangenheit war Invesco eine Investmentboutique mit unterschiedlichen Strategien und Produkten. Heute ist alles aus einem Guss, und gleichwohl setzen nationale Abteilungen etwa in Frankfurt oder in Großbritannien die Akzente. Gibt es eine globale DNA mit nationalen Schwerpunkten?

Flanagan: Ich mag die Frage. Ja, wir sind deutsch, wir sind britisch, wir sind kanadisch, chinesisch. Aber gleichzeitig haben wir eine vereinheitlichte Kultur in unserem globalen Unternehmen. Nehmen Sie etwa das Team um Bernhard Langer in Frankfurt. Die arbeiten sehr lokal, sind aber Teil der globalen Kultur des Unternehmens. Ein Drittel des Kapitals, das sie verwalten, ist deutsch, der Rest kommt aus allen Teilen der Welt. Ein anderer Aspekt unserer Kultur ist unser Investment-Know-how. Unsere Investmentteams sind auf ihre Investmentphilosophien fokussiert, profitieren aber vom Austausch von Ideen und Ansichten zu wichtigen Themen, wie zum Beispiel Energie, mit unseren 750 anderen Investmentexperten weltweit.

Es gibt nicht nur eine Perspektive aus der Zentrale heraus, die an nationale Abteilungen durchgedrückt wird?

Flanagan: Ganz genau. Wir haben großartige Investmentexperten in allen Teilen der Welt, die Anlageentscheidungen treffen. Jedes Investmentteam hat klare und transparente Investmentphilosophien sowie ein fundiertes Verständnis seiner lokalen Märkte.

Wie stehen Sie der Digitalisierung gegenüber? Die ist nicht lokal.

Flanagan: Ich habe während der Dot.com-Zeit von 1993 bis 2005 in San Francisco gelebt und ich glaube, wir erleben erneut diesen Aufbruch. Wir arbeiten daran, diese Entwicklung zu verstehen und auf unser Geschäft anzuwenden. Die Digitalisierung wird das Verhalten von Investoren weltweit beeinflussen – zum Beispiel in China, das besonders getrieben von der Digitalisierung ist. Einer der Vorteile eines globalen Unternehmens ist, dass wir von unseren Kollegen in China lernen können. Sie helfen uns, die Technologie zu bewerten und Entwicklungen zu antizipieren.

Wird sich das Geschäftsmodell der Asset Manager massiv verändern?

Flanagan: Nein, das glaube ich nicht. Ich denke eher, dass sich die Beziehung zwischen Finanzberatern und Kunden verbessern wird, dank der Digitalisierung. Das ist eine spannende Schnittstelle. Asset Manager müssen sich der Digitalisierung zum Nutzen der Kunden annehmen. Unternehmen, die das nicht machen, werden Probleme bekommen. Ich sehe aber auch eine negative Seite der Digitalisierung. Die Leute haben immer weniger Zeit für das Management ihrer Investments. Es gibt unglaublich viele Informationen und weniger Zeit, diese einzuordnen. Investoren brauchen einen langfristigen Investmenthorizont und Geduld, um ihre Ziele zu erreichen. Die Fortschritte der Technologie sollten daher auch genutzt werden, um ihnen zu helfen, die Bedeutung einer langfristigen Geldanlage zu verstehen. Das sehe ich derzeit noch nicht.

Nicht nur in Deutschland ist der Absatz von Multi-Asset-Fonds in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Flanagan: Ich denke, das ist eine sehr begrüßenswerte Entwicklung. Asset Manager haben dadurch die Deutungshoheit über eine nachhaltige Asset Allocation zurückgewonnen. Es war doch sehr zerfahren in der Vergangenheit. Ein Manager für deutsche Aktien, einer für britische, einer für Investment-Grade-Renten, einer für High Yields. Und die Entscheidung einer Allokation lag beim Kunden. Da geht schnell was schief. Für uns als Asset Manager ist diese Entwicklung ebenfalls sehr sinnvoll, weil wir ganz unterschiedliches Know-how bündeln müssen. Es wird viel mehr miteinander in einen Dialog getreten, und Experten bringen ihr spezielles Wissen ein. Das kann der Rohstoffexperte sein, der mit den Aktien- und Rentenmanagern einen konstruktiven Austausch hat. Das fördert die Kommunikation zwischen den Teams. Die Zeiten für Einzelkämpfer sind vorbei.

Wird das Interesse mit steigenden Zinsen abnehmen?

Flanagan: Das könnte kurzfristig passieren, da die Menschen dazu neigen, schnell zu vergessen. Heute ist jeder sehr zufrieden mit 3 bis 5 Prozent Ertrag. Aber wenn sich die Parameter verschieben, ändert sich auch das Investitionsverhalten. Die Nachfrage wird sich dann sicherlich etwas abschwächen. Wir gehen allerdings davon aus, dass der Trend zur Portfoliodiversifikation langfristig anhalten wird. Davon wird Multi Asset profitieren.

Sie haben sich 2013 in Großbritannien mit dem ehemaligen Standard-Life-Team um David Miller verstärkt. Ist es einfacher, solche Talente von Wettbewerbern zu gewinnen, als die Talente aus den eigenen Reihen zu fördern?

Flanagan: Sagen wir es so: Wenn unsere Investmentkultur für herausragende Teams mit einer erstklassigen Erfolgsbilanz so attraktiv ist, dass sie sich uns anschließen möchten, sagen wir natürlich nicht nein. Aber, im Ernst, das war eine einzigartige und bis heute auch einmalige Chance. Das sind Top-Leute, die unseren gesamten Investmentprozess beeinflussen.

Auch hier in Atlanta?

Flanagan: Natürlich, und nicht nur hier. Die sind um die ganze Welt gereist und haben jedes Team getroffen. Aber lassen Sie mich noch etwas zu unserer Talentförderung sagen. Wir haben 750 Investmentprofis, und wir fördern den Diskurs dieser Kollegen untereinander und eine eigenständige Meinung. Nur so entwickeln sich Talente und lassen sich die besten Talente im Unternehmen halten.

Der Balanced-Risk-Allocation-Strategie folgte die ideenbasierte Strategie des Global Targeted Return. Was ist die nächste große Idee für Multi Asset?

Flanagan: Wir suchen nicht nach dem nächsten großen Ding. So gehen wir da nicht an Dinge heran. Wir haben vielmehr die Aufgabe, unseren Kunden zuzuhören und uns deren Bedürfnissen anzunehmen. Aus dieser Interaktion heraus können sich Investmentideen entwickeln. Wir sind eine Ideenschmiede und bringen auch verstärkt unsere Teams zusammen. Wir sind etwa das Thema US-Treasuries mit drei Teams angegangen – dem Renten-, dem Immobilien- und dem Private-Equity-Team. Daraus ergeben sich Synergien und Ideen. Es gibt in den USA das Sprichwort: „Bist du ein Hammer, suchst du nur nach Nägeln“. Das sind wir nicht. Wir sind in der Lage, den Kunden ein umfassendes Kompetenzspektrum und damit Lösungen zu bieten, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind.

Diesen Spruch könnte man deutschen Anlegern ins Orderbuch schreiben. Geht es um die Altersvorsorge, gibt es nur Lebensversicherungen und Sicherheit. Muss die Fondsbranche nicht aufklären in Hinblick auf eine mögliche desaströse Unterversorgung im Alter?

Flanagan: Auf jeden Fall, und um ehrlich zu sein, muss gesagt werden, dass derjenige, der einen langfristigen Sparhorizont hat, nicht an Aktien vorbeikommt. Das ist ein Fakt. Die Herausforderung ist es, einen Langfristansatz zu haben und die Angst vor der Volatilität zu verlieren. Da haben wir einen Erziehungsauftrag. Der ist aber nicht neu. Nur heute ist es noch schwieriger. Jeder Ertrag kommt heute aus dem Risiko. Aufklärung und Erziehung sind daher sehr wichtig, aber ich denke, Sie müssen heute dazu übergehen, das Sparen und Investieren zu belohnen. Sonst wird es den Anlegern schwerfallen, ihre Ziele zu erreichen.

Ist das amerikanische 401k-Sparprogramm eine gute Blaupause?

Flanagan: Ja, in der Tat. Es war ja hier nicht viel anders als in Deutschland. Die staatlichen Rentenzahlungen werden nicht reichen, und seitens der Unternehmen werden heute kaum noch leistungsorientierte Pensionspläne für Mitarbeiter abgeschlossen. Daher sind die 401k-Sparpläne ein Segen, und der Erfolg ist unglaublich. Anleger werden zudem auch in die Verantwortung genommen. Das ist sehr wichtig.

Gibt es die Angst vor der Altersarmut in den USA?

Flanagan: Natürlich. Das ist ein großes Thema. Sie müssen nur die politischen Debatten hier in den USA verfolgen. Das bisherige staatliche System, Social Security, ist nicht haltbar. Das dürfte in Deutschland auch so sein. Das muss geändert werden. Wichtig ist dabei jedoch, dass nicht einzelne Bausteine, also staatliche, betriebliche und private Vorsorge, diskutiert und gegeneinander gestellt und aufgewogen werden. Dafür ist das Thema zu ernst. Eine stabile Altersvorsorge sollte auf einem breiten Fundament basieren, und da darf und muss es auch unterschiedliche Modelle geben.

Von: Malte Dreher

Quelle: DAS INVESTMENT.

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