Pressemitteilung Fidelity International: Fidelity Makroausblick: Globales Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, ist aber noch solide

teaser_pm_fidelity-international_300_200Fidelity | Kronberg, 03.11.2016.

Anna Stupnytska, Volkswirtin bei Fidelity International:

• Eurozone: Privater Konsum treibt stabiles Wirtschaftswachstum an
• Großbritannien: Folgen des Brexit-Votums machen sich langsam negativ bemerkbar
• China: Höhepunkt des Minizyklus scheint überschritten, Sorgen um Konjunkturabkühlung dürften 2017 wieder aufflammen

Kronberg im Taunus, 3. November 2016 – Die fundamentalen Daten für die Weltwirtschaft geben insgesamt ein uneinheitliches Bild ab. Während sich die Handelskomponenten weiter abschwächen, sind die harten Zahlen zu Industrieaufträgen in den Industrieländern aber durchaus ermutigend. Von den Verbraucher- und Arbeitsmarktzahlen sowie von den Geschäftsklimaumfragen gingen zuletzt keine klaren Signale aus. Die für die aktuelle Wachstumsdynamik verantwortlichen zyklischen Faktoren sind zwar bislang noch spürbar, die jüngste Wachstumsbeschleunigung könnte aber bald zu Ende sein. Ausschlaggebend für das konsumgetriebene Wachstum bleibt die in den meisten Industrieländern solide Tendenz bei Beschäftigung und Reallöhnen. Allerdings sollten Anleger das zuletzt etwas schwächere globale Verbrauchervertrauen im Auge behalten.

In nächster Zeit könnte es weltweit zu einer Straffung der Kreditkonditionen kommen. Dafür sprechen die wahrscheinliche Zinserhöhung der Fed im Dezember und die Tatsache, dass weder der Bank of Japan (BoJ) noch der Europäischen Zentralbank (EZB) oder der Bank of England (BoE) momentan der Sinn nach weiteren umfangreichen Stimulusmaßnahmen stehen dürfte. Langsam, aber sicher geht den großen Zentralbanken das Pulver aus, und die Zweifel wachsen, ob zusätzliche geldpolitische Maßnahmen die Nachfrage spürbar ankurbeln werden. Daher ist es wohl an der Fiskalpolitik, die Wirtschaft mit Konjunkturspritzen aus dem Tief zu holen. In den nächsten Monaten dürfte sich der Fokus daher von geld- zu fiskalpolitischen Stimulusmaßnahmen verschieben. 2017/18 ist an allen großen etablierten Märkten, konkret in den USA, in Großbritannien, Japan und dem Euroraum, mit fiskalischen Anreizen zu rechnen.

Eurozone: Wachstum bleibt robust, EZB-Maßnahmen weiter im Blickpunkt

Die jüngsten Konjunkturdaten lassen auf ein stabiles, wenngleich wenig spektakuläres Wachstum schließen. In allen großen Volkswirtschaften entpuppte sich die Industrieproduktion zuletzt als äußerst robust. Die zusammengefassten Verbraucher- und Arbeitsmarktzahlen waren unterdessen weniger ermutigend. Bis auf Weiteres bleibt der durch die stark gestiegenen Reallöhne angekurbelte private Konsum ein wichtiger Konjunkturmotor. Parallel dazu haben sich die Kreditkonditionen erneut verbessert, und von der Fiskalpolitik geht etwas mehr Unterstützung aus, die in nächster Zeit noch zunehmen dürfte. Der Preisauftrieb wird sich wohl vor allem aufgrund von Basiseffekten infolge der höheren Energiepreise leicht beschleunigen, aber insgesamt verhalten bleiben.

Die bessere Inflationsentwicklung wird der EZB erlauben, ihre Stimulusmaßnahmen 2017 etwas zu drosseln. Einige Währungshüter der EZB sprechen angesichts der Sorgen um den Bankensektor seit Kurzem von einer schrittweisen Rückführung der Anleihekäufe. Außerdem halten sie eine steilere Renditekurve für die Stabilität des Finanzsektors für wünschenswert. Daher dürfte die EZB die Zinsen 2017 wieder auf null anheben. Vorausgehen dürften jedoch wahrscheinlich eine Verlängerung der quantitativen Lockerung über März 2017 hinaus um sechs bis neun Monate und eine Änderung der selbst auferlegten Beschränkungen für Anleihekäufe, um das zulässige Anleiheuniversum auszuweiten. Letzteres wird jedoch davon abhängen, wo die Anleiherenditen dann stehen werden. Das größte kurzfristige Risiko für den Ausblick ist das Verfassungsreferendum in Italien, mit dem Premierminister Matteo Renzi am 4. Dezember de facto die Vertrauensfrage stellt.

Großbritannien: Brexit hinterlässt erste Spuren beim Wachstum

Die wirtschaftliche Tätigkeit in Großbritannien behauptet sich nach dem Austrittsvotum auf relativ hohem Niveau. Die PMI-Umfragen übertrafen zuletzt den Konsens. Das Verbrauchervertrauen erholte sich merklich. Dennoch werden die Folgen des Brexit-Votums über kurz oder lang zu spüren sein. Die schwächere Investitionsneigung, der Abschwung am Immobilienmarkt, das langsamere Beschäftigungswachstum und die größere Konsumzurückhaltung werden zunehmend Spuren beim Wachstum hinterlassen. Die aufkommenden Unsicherheiten dürften sich in den nächsten Monaten als Erstes bei den ohnehin bereits schleppenden Investitionen bemerkbar machen, gefolgt von Beschäftigung und Konsum. Zudem schlägt sich das schwächere Pfund bereits in einer höheren Inflation nieder, da Importe teurer werden. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Mit der bis dato erfolgten Abwertung des Pfunds könnte sich der Preisauftrieb um 1 bis 2 Prozent beschleunigen und im nächsten Jahr vermutlich seinen Höhepunkt erreichen.

Die Finanzierungsbedingungen haben sich nach der jüngsten dramatischen Abwertung der Währung deutlich gelockert, während die Wirtschaftsdaten erfreulich sind. Daher wird die BoE voraussichtlich bis auf Weiteres bei ihrer abwartenden Haltung bleiben. In den kommenden Quartalen mag die Wirtschaft dank der gelockerten Finanzierungsbedingungen zwar um eine Rezession herumkommen. Fiskalische Stimulusmaßnahmen wie Infrastrukturinvestitionen und Konjunkturprogramme für mehr Konsum und Unternehmensinvestitionen – gegebenenfalls auch über Steuersenkungen – könnten kurz- bis mittelfristig helfen, den Brexit-Schaden zu begrenzen. Aber das größere Problem sehen wir in einem möglichen Rückgang von Produktivität und Wachstum infolge von Engpässen am Arbeitsmarkt, wenn die Einwanderungspolitik grundlegend geändert wird. Auch der möglicherweise versperrte Zugang zum Binnenmarkt verheißt nichts Gutes und hätte den Aufbau von Handelsbarrieren zur Folge.

USA: Fed dreht weiter an der Zinsschraube – aber nur sehr bedächtig

Die US-Wirtschaftsdaten entwickelten sich zuletzt solide. Das dritte Quartal präsentierte sich ungeachtet eines insgesamt glanzlosen Wachstums relativ gut. Angesichts des nach wie vor angespannten Arbeitsmarktes und der damit verbundenen Erholung des Lohnwachstums wird der Konsum 2017 ein wichtiger Konjunkturmotor bleiben. Allerdings dürfte sich der Wachstumsbeitrag des Konsums abschwächen, da der von niedrigeren Energiepreisen ausgehende Rückenwind abflauen wird. Dank der Erholung bei den Energiepreisen gehen wir aber von einer Belebung der Investitionstätigkeit aus.

Mit einem durch Investitionen beflügelten Boom ist 2017 zwar nicht zu rechnen, dennoch dürfte diese Trendwende eine deutliche Beschleunigung des BIP-Wachstums gegenüber 2016 bewirken. Eine Wachstumsbremse bleibt der Nettohandel, dem die Spätfolgen des starken Dollars zu schaffen machen, auch wenn dieser auf handelsgewichteter Basis seit Jahresbeginn um 4 Prozent an Wert verloren hat. Die Lockerung der Finanzierungsbedingungen in diesem Jahr wirkt sich positiv auf die Wachstumsentwicklung aus. Vorbehaltlich externer Schocks und/oder einer spürbaren Straffung der Kreditkonditionen ist wegen des weiteren Inflations- und Lohnanstiegs eine Zinsanhebung im Dezember sehr wahrscheinlich. Danach wird die Zentralbank die Zinsschraube aber wohl nur sehr langsam weiter anziehen. Derzeit rechnen wir angesichts der Wachstums- und Zinssituation 2017 mit zwei Zinsschritten.

Japan: Langfristige Wirtschaftsprognose bleibt düster

Unter dem Strich sind die jüngsten Wachstumsdaten unverändert schwach, zeigen aber gegenüber dem Jahresauftakt Aufwärtstendenzen. Das Verbrauchervertrauen schnellte interessanterweise auf den höchsten Stand seit drei Jahren. Das schwache Geschäftsvertrauen, die schleppenden Investitionen und der seit Mitte 2015 erheblich aufgewertete Yen machen sich jedoch negativ in der Industrie bemerkbar. Dagegen dürfte das neuste Konjunkturpaket das Wachstum in den kommenden Quartalen leicht ankurbeln. Insgesamt ist aber eine nennenswerte Beschleunigung von Wachstum und Inflation angesichts der deutlichen Straffung der Finanzierungsbedingungen im vergangenen Jahr kaum vorstellbar. Den aktuellen Leitindikatoren zufolge ist die Wirtschaft inzwischen sogar wieder in die Deflation abgerutscht.

Bis auf Weiteres bleibt der Yen auf kurze Sicht die einzige Hoffnung. Möglicherweise wird die Abwertung des Dollars im Vorfeld eines Zinsschrittes der Fed im Dezember seine jüngste Stärke zum Teil dämpfen. Abgesehen vom kurzzeitigen Ausblick bleibt die längerfristige Prognose für Japans Wirtschaft düster. Nur mit radikalen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung, zum Beispiel über Einkommensteuersenkungen und andere Haushaltsmaßnahmen sowie Strukturreformen, lässt sich der unselige Kurs umkehren. Bislang deutet jedoch nichts auf einen Politikwechsel hin.

China: Sorge um eine Konjunkturabkühlung wächst

Die Wirtschaft in China tendiert dank massiver politischer Unterstützung unverändert stabil. Die BIP-Daten für das dritte Quartal fielen wie erwartet solide aus und deuteten auf ein Abflauen der disinflationären Kräfte hin. Das reale Wachstum blieb das dritte Quartal in Folge stabil bei 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Um das Wachstumsziel der Regierung für 2016 zu erreichen, ist folglich kein besonders kräftiges viertes Quartal erforderlich, und eine politische Unterstützung wird weniger dringend benötigt. Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze und PMIs verharren auf solidem Niveau. Die privaten Investitionen sind zwar unverändert gedämpft, zeigen jedoch inzwischen den zweiten Monat in Folge nach oben. Damit scheint die Talsohle bei Vertrauen und Wirtschaftstätigkeit durchschritten.

Wie der Häusermarkt und der Druck auf die Währung belegen, überwiegen jedoch die Kosten langsam die Vorzüge einer kurzfristigen Stabilität. Somit nähern wir uns wohl dem Höhepunkt des aktuellen „Minizyklus“, da die Wirkung der Konjunkturmaßnahmen bereits wieder nachlässt. In den kommenden Quartalen werden die Sorgen um China früher oder später wieder aufflammen. Aus jetziger Sicht ist aber weder mit einer harten Landung noch mit finanziellem Stress oder gar einer Finanzkrise zu rechnen. Solange die Finanzierungsbedingungen weltweit entspannt bleiben, dürfte die Abkühlung so gering ausfallen, dass die Geldpolitik vorerst nicht stützend eingreifen muss. Fortsetzen wird sich auch die allmähliche, gesteuerte Abwertung des Renminbi, da Peking die geldpolitischen Zügel weiter lockerlässt

Schwellenländer: Uneinheitliches Bild, richtige Titelauswahl entscheidend

Insgesamt verzeichnen die Schwellenländer ein stabiles, jedoch enttäuschend geringes Wachstum. Für die aufstrebenden Märkte war kein einheitlicher Trend auszumachen. Es gab insgesamt nur wenige Lichtblicke, obwohl der Rohstoff- und Handelsschock des vergangenen Jahres weitgehend hinter uns liegt. Die zugrundeliegenden Fundamentaldaten der Schwellenländer sind insgesamt schlecht, außerdem mangelt es nach wie vor an Reformen.

Die umfassende Jagd nach Rendite und die dadurch bewirkte Lockerung der Kreditkonditionen macht die aufstrebenden Länder anfällig für einen Stimmungsumschwung – allen voran Südafrika und die Türkei mit ihren weiter wachsenden Leistungsbilanzdefiziten von inzwischen über 5 Prozent des BIP. Indien und Brasilien hingegen ist es gelungen, das Loch in der Leistungsbilanz deutlich zu verkleinern. Auch die asiatischen Volkswirtschaften präsentieren sich in einer guten Verfassung. In Anbetracht dieser unbestreitbaren Risiken und weitgehend fehlender Strukturreformen kommt es erneut auf die richtige Titelauswahl in den Schwellenländern an. Wichtige Auswahlkriterien sind ein starkes Binnenwachstum, eine geringe Abhängigkeit von China, eine niedrige Staatsverschuldung, Spielraum für geldpolitische Lockerungen und eine die Konjunktur stützende Währung. Indien, Russland und Mexiko sind in dieser Hinsicht attraktiv, vor allem bei den Lokalwährungsanleihen. Für eine optimistische Einschätzung Brasiliens ist es angesichts der bleibenden Mammutaufgabe der Haushaltskonsolidierung wohl zu früh.

Siehe auch

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