Pressemitteilung Frankfurt Trust Asset Management: „Inflation ist keine Frage des Willens“

teaser_pm-frankfurt-trust_300_200FT | Frankfurt, 16.06.2017.

Interview mit Dr. Ralf Ahrens, Leiter Fixed Income

Die Zinswende wird schon seit einigen Jahren erwartet. Jetzt wird es aber zumindest in den USA ernst, oder?

Dr. Ralf Ahrens: Dem ist schwer zu widersprechen, da ja die Fed in den vergangenen sechs Monaten bereits zweimal ihren Leitzins erhöht hat. Und das aktuelle Niveau von einem Prozent ist nach klassischen Maßstäben immer noch viel zu niedrig angesichts eines als sehr positiv wahrgenommenen makroökonomischen Umfelds. Dennoch ist fraglich, ob noch viele weitere Zinsschritte folgen werden und sich schließlich wieder ein Niveau einstellen wird, das wir in früheren Zeiten als normal empfunden haben. Nur dann ließe sich zu Recht von einer echten Zinswende sprechen.

Wie stark werden denn die Zinsen überhaupt ansteigen?

Ahrens: Was diese Fragestellung kompliziert macht, sind die massiven Anleihenkäufe, die seit 2008 weltweit die klassische Zinspolitik als geldpolitisches Hauptinstrument abgelöst haben. Daher bedeutet Normalisierung heutzutage vor allem, diverse Quantitative Lockerungsprogramme (QE) behutsam ausklingen und mittelfristig die Bilanzvolumina der Zentralbanken abschmelzen zu lassen. Es gibt leider keinerlei historische Erfahrung mit einer solchen Beendigung unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen – vermutlich wird es viele Jahre dauern. Entscheidend wird jedenfalls sein, die Anhebung der Leitzinsen hierauf abzustimmen. Insofern habe ich schon meine Zweifel, ob wir im Jahr 2019 oder 2020 „normale“ Leitzinsniveaus von drei oder vier Prozent haben werden.

Begrenzte Macht der Zentralbanken

Auf lange Sicht sprechen die weltweit hohen Schuldenstände für eine Politik der Inflationierung. Was ist Ihr längerfristiges Szenario für die Anleihemärkte?

Ahrens: Die hohen Schuldenstände sprechen schon seit Längerem für eine Politik der Inflationierung. Seit dem vorläufigen Ende von Finanz- und Eurozonenkrise versuchen die Zentralbanken ja bereits alles Mögliche, um die Inflationsrate zu erhöhen. Mit einiger Überraschung mussten wir allerdings lernen, dass Inflation keine Frage des Willens ist und die Macht der Zentralbanken in diesem Punkt aktuell sehr begrenzt ist. Solange die Fiskalpolitik eher restriktiv ist, die private Nachfrage strukturell niedrig bleibt, etwa wegen demografischer Faktoren, und die Löhne aufgrund des globalen Wettbewerbs nicht nachhaltig steigen, bleibt wahrscheinlich auch die Inflation moderat. Ich denke hier vor allem an die Eurozone und Japan. Das Gute an der Inflationsrate ist, dass sie regelmäßig recht zuverlässig gemessen wird. Sollten wir künftig einen deutlichen und nachhaltigen Anstieg wahrnehmen, spräche dies für eine Neubewertung der Anleihemärkte, die auch heftig erfolgen kann. Wie schlecht dieses Szenario tatsächlich für den Rentenmarkt ist, hängt vor allem davon ab, ob die Geldpolitik bis dahin schon weitgehend normalisiert worden ist. Sollte etwa die Handlungsfähigkeit der EZB durch Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone eingeschränkt sein, könnte die Inflation davonlaufen und zu einem Kursrutsch bei Anleihen führen. Besser wäre es, wenn die Zentralbanken frühzeitig mit moderat restriktiven Maßnahmen reagieren könnten. In diesem Fall wäre Inflation nur eine weitere und zudem nicht unerwünschte Begleiterscheinung einer Normalisierung des Zinsniveaus und der gesamten makroökonomischen Situation.

Welchen Einfluss hatten die Maßnahmen der Zentralbanken in den vergangenen Jahren auf das Kapitalmarktgeschehen?

Kehren wir nun zur Normalität zurück, oder werden uns einige dieser Irregularitäten wie die aufgeblähten Bilanzen der Zentralbanken erhalten bleiben?

Ahrens: Hauptauswirkung der unkonventionellen Geldpolitik ist die extrem hohe Bewertung sämtlicher Anlageklassen an den globalen Kapitalmärkten. Bei Anleihen ist dies für jedermann ganz offensichtlich aufgrund der mageren oder sogar negativen laufenden Verzinsung. Ich bin mir aber sicher, dass auch die Preise von Aktien, Immobilien und beispielsweise Infrastrukturinvestments heute weit niedriger wären ohne QE und Negativzinsen. Vor diesem Hintergrund ist es kaum vorstellbar, dass Zentralbanken ihre Anleihenbestände quasi auf den Markt werfen. Es wird vielmehr eine allmähliche Zurückführung der Bilanzvolumina erfolgen, was schwierig genug sein dürfte. Ich rechne mindestens mit einem Zeitraum von fünf Jahren. Spiegelbildlich müssten dann eigentlich auch die Assetpreise wieder sinken, was keine gute Nachricht wäre. Wir dürfen aber nicht vergessen: QE war von Anfang an ein großes Experiment mit ausschließlich theoretischer Fundierung. Entsprechend gibt es auch keine empirische Grundlage für seine optimale Beendigung. Nachdem Katastrophen bislang ausgeblieben sind, werden wir ja vielleicht auch beim Ausstieg positiv überrascht, indem Kapitalmärkte und Realökonomie sich als robust erweisen.

Welche Bedeutung hat die Divergenz zwischen Fed und EZB? Ist die EZB irgendwann gezwungen nachzuziehen?

Ahrens: Seit ihrer Gründung hat die EZB mehr oder weniger die gleichen Wege beschritten, die einige Monate oder Quartale zuvor schon die Fed gegangen war. Dies war zinspolitisch in normalen Zeiten bis 2007 der Fall, aber auch danach etwa bei der Implementierung von unkonventionellen Maßnahmen. Es ist daher anzunehmen, dass die EZB mit einem gewissen zeitlichen Abstand auch diesmal der Fed folgen wird. Eine solche Koordinierung von Geldpolitik ist nicht nur grundsätzlich wünschenswert, sondern würde der Eurozone im Falle des QE-Ausstiegs auch die Möglichkeit geben, aus den ersten Erfahrungen der Fed zu lernen. Allerdings steht dem entgegen, dass die anhaltende Divergenz der Volkswirtschaften des Euroraums ein ernstes zusätzliches Problem ist. Da QE die Kapitalmärkte und die Staatshaushalte von den Auswirkungen dieser Divergenz weitgehend abgeschirmt hat, muss die EZB besonders behutsam vorgehen. Dies gilt abgeschwächt auch für eine Anhebung des Leitzinsniveaus.

Risikoprämien in der Währungsunion

Die Wette auf ein Auseinanderbrechen des Euro spielt aktuell an den Märkten keine Rolle mehr, auch wenn die Risikoprämien einiger Länder sich im Vorfeld von Wahlen ausgeweitet haben. Waren die Maßnahmen zur Eindämmung der
Krise also erfolgreich?

Ahrens: Die Maßnahmen waren zweifellos erfolgreich. Nach Draghis Rede im Sommer 2012 ist das Risiko einer Redenominierung von Staatsschulden in neue nationale Währungen weitgehend verschwunden. Aus Sicht der Kapitalanleger ist die EZB der Garant für einen unveränderten Teilnehmerkreis an der Gemeinschaftswährung. Dies funktioniert natürlich nur, weil sämtliche Regierungen der Mitgliedsstaaten eine solche Politik begrüßen oder zumindest passiv unterstützen. Und damit wären wir beim aktuellen Thema Wahlen und Volksabstimmungen. Sobald politische Strömungen, die der gegenwärtigen Währungsordnung skeptisch oder gar feindlich gegenüberstehen, Aussicht auf Erfolg haben, steigen die Risikoprämien wieder an. Letztlich werden also Wahlen über die weitere Entwicklung der Eurozone entscheiden.

Verglichen mit dem Höhepunkt der Eurokrise vor etwa fünf Jahren haben sich die Spreads von Peripherieanleihen verringert. Trotz der Gegenbewegungen zuletzt – ist die Sorglosigkeit der Anleger zu groß?

Ahrens: Ich würde es nicht als Sorglosigkeit bezeichnen, sondern als ein mittelfristiges Vertrauen in den Fortbestand der Gemeinschaftswährung und Anerkennung des gemeinsamen Willens von EZB und Politik. Dieses Vertrauen wird ja auch vergütet: Wer heute eine zehnjährige italienische Staatsanleihe erwirbt, bekommt mit 2,3 Prozent eine fast siebenmal so hohe jährliche Verzinsung wie der Käufer einer Bundesanleihe. Wichtig ist aber zugleich die permanente Beobachtung der politischen Situation und die Bereitschaft, im Sinne eines aktiven Risikomanagements auch einmal Positionen abzubauen, wenn mehrheitsfähige gesellschaftliche Bewegungen den Euro infrage stellen.

Unternehmensanleihen beliebt

Unternehmensanleihen haben in vielen Portfolios Staatsanleihen als Stabilitätsanker ersetzt. Zu Recht? Worauf sollten Anleger bei der Auswahl von Unternehmensanleihen achten?

Ahrens: Unternehmensanleihen weisen gerade im kurzen und mittleren Laufzeitenbereich eine deutlich attraktivere Verzinsung als Staatsanleihen auf und sind zugleich weniger anfällig für die eben angesprochenen politischen Risiken. Sie sind daher zu Recht beliebt. Allerdings ist eine intelligente Analyse des Anlageuniversums unabdingbar. Dabei lohnt es sich sehr, eigene Systeme einzusetzen und nicht zu starr externen Ratingkategorisierungen zu folgen. Ein Portfolio aus Unternehmensanleihen muss in jedem Fall gut diversifiziert sein – für größere vermögensverwaltende Fonds empfehlen wir mehrere Hundert Einzeltitel.

Welche Rolle spielt das Thema Liquidität für einen Asset-Manager bei der Auswahl von Anleihen?

Ahrens: Die Bedeutung dieses Themas ist abhängig vom Anlagehorizont des jeweiligen Portfolios. Ist dieser lang, wie etwa bei Versicherungsunternehmen oder Altersvorsorgeeinrichtungen, ist es unbedingt sinnvoll, einen hohen Anteil in Papiere zu investieren, die eine Liquiditätsprämie aufweisen. Bei geldmarktnahen Investments, um einmal das andere Ende des Spektrums zu nennen, sollten illiquidere Unternehmensanleihen bis Endfälligkeit gehalten werden können. Es ist also darauf zu achten, dass fortlaufend Wertpapiere fällig werden und dabei nicht zu viel Kapital in einzelnen Emissionen gebunden ist. Seit der Finanzkrise kommt übrigens dem Handel von Anleihen, der idealerweise durch das Fondsmanagement selbst erfolgen sollte, eine sehr viel höhere Bedeutung in der Wertschöpfungskette zu.

Wie sollte ein Anleihenportfolio jetzt aussehen?

Ahrens: Teure Staatsanleihen Kerneuropas sollten untergewichtet sein zugunsten von Unternehmensanleihen mit kurzen und mittleren Restlaufzeiten. Sofern dies zulässig ist, halten wir es für sinnvoll, einen Teil des Portfolios im Segment High Yield zu investieren. Investments in Italien liefern interessante Prämien, sollten aber unter ständiger Beobachtung politischer Risiken erfolgen. Unter der wichtigen Nebenbedingung eines festen bis stärkeren US-Dollar ist der Renditeabstand zwischen US-Treasuries und Bundesanleihen sehr attraktiv, was für eine Beimischung spricht. Die Duration sollte strategisch kürzer sein als die der jeweiligen Benchmark, auch wenn wir im laufenden Jahr realisieren mussten, dass dies in Hausse-Phasen schmerzhaft ist. Unser Motto lautet plakativ: Liquiditäts- und Kreditrisikoprämien statt Laufzeitenprämien.

Können inflationsgeschützte Anleihen hilfreich sein?

Ahrens: Diese Anlageklasse schützt ja insbesondere vor Inflationsüberraschungen. Man wettet also, dass die tatsächliche Inflation höher sein wird als die derzeit vom Markt eingepreiste Inflationserwartung. Sollte das Negativszenario eines raschen Inflationsanstiegs in Kombination mit handlungsunfähigen Zentralbanken eintreten, wäre diese Art von Anleihen sicherlich sehr interessant.

Wie können Sie das Zinsänderungsrisiko in den Griff bekommen?

Ahrens: Aktuell durch eine behutsame Durationsverkürzung. Der geringere laufende Ertrag wird kompensiert durch Liquiditäts- und Risikoprämien vor allem bei Unternehmensanleihen. Sollte sich eine echte Zinswende ankündigen oder ein starker Inflationsanstieg abzeichnen, wäre diese Positionierung weiter zu akzentuieren. Das Problem liegt aber weniger darin, das Zinsänderungsrisiko nicht in den Griff bekommen zu können. Die Herausforderung ist vielmehr der richtige Zeitpunkt für solche Sicherungsmaßnahmen. Seit Jahren scheint es einen breiten Konsens zu geben, dass Anleihen teuer und anfällig für Korrekturen sind. Wer sich dementsprechend positioniert hatte, wurde allerdings vom Markt empfindlich abgestraft und konnte sich nicht an den teils zweistelligen Kursgewinnen der vergangenen Jahre erfreuen.

Wie haben sich quantitative Modelle des Rentenfondsmanagements in den schwierigen Märkten bewährt?

Ahrens: Regelgebundene Modelle zur Durationssteuerung konnten die durch QE und Negativzinspolitik verursachten Marktbewegungen kaum abgreifen. Bei makroökonomisch-fundamentalen Ansätzen ist dies nachvollziehbar, da die Modelle über historische Zeiträume trainiert wurden, in denen es nur konventionelle Geldpolitik und konventionelle Zinsniveaus gab. Vor diesem Hintergrund sind wir mit unserem QMM-Modell dennoch sehr zufrieden, da es uns auch in der Hausse-Phase mehrheitlich positive Marktsignale lieferte und damit eine Wertentwicklung oberhalb des Geldmarkts erzielen konnte. Was mich wundert, ist die nicht ganz so hervorragende Performance von Trendfolgemodellen.

Mit welchen Renditen können Rentenanleger in den nächsten Jahren rechnen? Welchen Anteil sollten Renten in einem ausgewogenen Portfolio einnehmen?

Ahrens: Eine gesunde Basisannahme für alle Marktsegmente ist, dass ein Ertrag in Höhe der laufenden Verzinsung erwartet werden kann. Je nach Anlagehorizont und Risikotoleranz entspricht dies in den von uns verantworteten Portfolios einer Bandbreite von „schwarzer Null“ bis hin zu einer Rendite von zwei Prozent in Fonds mit globaler Ausrichtung. Und dabei sollte man beachten: Die laufende Verzinsung einer zweijährigen Bundesanleihe, also der risikolose Zinssatz, liegt aktuell bei minus 0,7 Prozent. Solange die konjunkturellen Aussichten weiterhin positiv sind, ist es naheliegend, Renten gegenüber Aktien unterzugewichten.

Siehe auch

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