Das Investment: „Eine Value-Chance braucht mitunter länger als erwartet, bis sie Blüten treibt“

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 SJB | Korschenbroich, 02.04.2015. Als Investor muss man methodisch vorgehen, Geduld haben und gegen den Strom schwimmen können. Philippe Brugère-Trélat, Fondsmanager des Franklin Mutual European Fund, über den Beginn seiner Karriere bei Mutual Shares und über seine Geduld, die unter unterschiedlichsten Marktbedingungen auf die Probe gestellt wird.

Wann erwachte Ihr Interesse an der Investmentfondsbranche?

Philippe Brugère-Trélat: 1984, als ich Max Heine, den Gründer von Mutual Series (damals noch Mutual Shares) und Michael Price, den späteren President und Chairman von Mutual Series kennenlernte. Michael Price wurde mir von einem gemeinsamen Freund vorgestellt. Die beiden verwalteten seinerzeit nicht das ganz große Geld, vielleicht rund 500 Millionen US-Dollar, doch sie konnten mit einer glänzenden Erfolgsbilanz und einer eindrucksvollen Reputation aufwarten.

Beide trieb die Neugier. Max Heine war stets auf der Suche nach neuen Blickwinkeln zur Entdeckung von Wert. Zum damaligen Zeitpunkt versuchten sie, in Europa ähnliche Anlagechancen ausfindig zu machen, wie sie sie in den USA aufgetan hatten. Ich suchte sie eines Tages spontan auf. Ich war Franzose, lebte in London, war dort in der City ganz gut vernetzt – und der Rest ist Geschichte.

Was haben Sie von Max Heine und Michael Price gelernt?

Schlicht und einfach alles. Ich lernte, gegen den Trend zu agieren, gründlich zu arbeiten, Geduld zu haben und meine Gefühle zu kontrollieren. Ich habe von ihnen alles über die wertorientierte Kapitalanlage gelernt. Max verstarb leider ein paar Jahre nach meinem Eintritt ins Unternehmen, doch als Michael die Führung übernahm, änderte sich nichts. Ich hatte zwei großartige Lehrer.

Wodurch zeichnet sich Ihr Ansatz als Portfoliomanager aus?

Substanzwert und Stockpicking. Egal ob Value gerade populär ist oder nicht – wir bei Mutual Series machen nichts anderes, und das seit 1949. Damit kennen wir uns aus, das können wir, wie wir glauben, und das praktiziere ich jeden Tag aufs Neue.

Mit Value meine ich, dass wir nach Aktien suchen, die wir beispielsweise aus KGV-Perspektive für billig halten. Gleichzeitig achten wir zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung auf Katalysatoren, die diesen Wertabschlag mindern oder eliminieren könnten. Theoretisch ist das ganz einfach, doch in der Praxis ist es manchmal etwas schwieriger.

Sie sollen sich als aktivistischen Investor bezeichnet und geäußert haben, „eine gewisse Offenheit bezüglich eines Portfolios zahlt sich aus“. Was wollten Sie damit sagen?

Meistens unterhalten wir gute Beziehungen zum Management unserer Portfoliounternehmen. Wir investieren nie in ein Unternehmen, dessen Managementteam wir nicht kennen. Sind wir erst investiert, ist die Pflege enger Kontakte zum Management des betreffenden Unternehmens eine maßgebliche Komponente unseres Anlageverfahrens. Als Stockpicker bauen wir ein Portfolio aus den Storys einzelner Unternehmen auf. Kontakte zum Management sind daher der wesentliche Bestandteil unseres Verfahrens.

Die Beziehungen zur Unternehmensspitze sind meist sehr gut, denn die Leute dort wissen, dass wir uns langfristig engagieren. Sie wissen, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben und dass von uns kritische Fragen zu erwarten sind. Gewinnen wir den Eindruck, dass das Management nicht im Interesse der Aktionäre handelt, sprechen wir das offen an und machen deutlich, was unserer Ansicht nach zu tun wäre.

Das kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Etwa durch offene Briefe oder auch durch Kampfabstimmungen. Nicht nur in Nordamerika, sondern, wenngleich seltener, auch in Europa, haben wir uns für bessere Managementqualität und aktionärsfreundlichere Spitzenmanager eingesetzt.

Was ist der schwerste oder frustrierendste Teil Ihrer Arbeit?

Am schwersten ist es meines Erachtens, eine Position abzustoßen. Mir fällt es viel leichter, eine attraktiv bewertete Aktie zu kaufen, als eine zu verkaufen, die gut gelaufen ist. Investoren hängen in aller Regel an ihren Positionen, vor allem an den besonders erfolgreichen. Doch wir versuchen, diszipliniert vorzugehen. Nach Möglichkeit verkaufen wir, wenn unser Zielwert für eine angemessene Bewertung erreicht ist und kein Grund vorliegt, diesen zu verändern.

Was mich an meinem Job frustriert? Jeder Tag. Doch ebenso ist auch jeder Tag wieder spannend. Das Tolle am Investmentgeschäft ist, dass kein Tag ist wie der andere. Man lernt täglich dazu. Wenn ich irgendwann feststelle, dass ich nichts mehr lerne, weiß ich, dass es Zeit für mich ist, aufzuhören. Für mich gibt es keinen besseren Job. Man hat mit klugen Köpfen zu tun. An einem Tag ist man ganz oben, am anderen ganz unten, doch jeder Tag ist neu und aufregend.

Welche Phase Ihrer Anlageverwaltungskarriere war die schwierigste oder einprägsamste?

Da habe ich einige erlebt: zum Beispiel 1987, als der Aktienmarkt innerhalb eines Tages um 20 Prozent abrutschte und plötzlich Weltuntergangsstimmung herrschte. Betrachtet man diese Phase auf einem langfristigen Chart, fällt sie interessanterweise nicht weiter auf. Seither hat es viele weitere vergleichbare Krisensituationen gegeben. Die Internetblase Ende der 1990er-Jahre war eine solche. Ich habe auch 1998 die Zahlungsunfähigkeit Russlands miterlebt und später die US-Subprime-Hypotheken-Krise. Krisen haben mich die Tugend der Geduld gelehrt. Man muss auf Distanz gehen und darf sich nicht vom Verkaufs- oder Kaufrausch mitreißen lassen. Wer abwartet, bis sich der Staub gelegt hat und wieder mehr Klarheit herrscht, der kann seine Aufgabe ruhiger und weniger emotional angehen.

Gibt es einen wichtigen Rat, den Sie im Laufe Ihrer Karriere erhalten haben und bis heute beherzigen?

Haben Sie Geduld. Es ist okay, gegen den Strom zu schwimmen, solange Sie Geduld haben und solange auch Ihre Anleger Geduld haben. Ich denke immer daran, was John Maynard Keynes gesagt hat: „Die Märkte können länger irrational bleiben, als man selber zahlungsfähig ist.“ Doch mit unserer Strategie bei Mutual Series und unseren Anlegern haben wir viel Durchhaltevermögen, wie ich glaube. Und genau das ermöglicht es uns, uns in heiklen und unpopulären Bereichen zu engagieren, in denen wir reichlich echte Wertchancen erkennen.

Wofür interessieren oder engagieren Sie sich privat?

Ich spiele gern Tennis. Wenn ich Gelegenheit habe, reise ich auch gern, um neue Länder, Menschen und Lebensweisen kennenzulernen. Im nächsten Leben wäre ich aber am liebsten Landschaftsarchitekt, glaube ich. Ich lege gerne Gärten an. Ich habe ein Anwesen auf Long Island und dort wühle ich gerne in der Erde und pflanze. Für mich ist das wie eine Therapie. Und wie die Kapitalanlage erfordert es ebenfalls Geduld, bis etwas wächst und aufblüht.

Quelle: DAS INVESTMENT.

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