Das Investment: „Das Ziel eines Robo-Advisor ist nicht den Kundenberater zu ersetzen“

sjb_werbung_das_investment_300_200In einer ausführlichen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT.com die Gründer und Chefs der führenden Robo-Advisor zu den Wachstumsaussichten, der strategischer Ausrichtung, Regulierungs-Ärgernissen und Risikomodellen. Dieses Mal: Stephan Rupprecht, Partner bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers und Jonas Marggraf, Geschäftsführer bei easyfolio.

DAS INVESTMENT.com: Was sehen Sie im Vergleich zum klassischen Finanzberater als Ihr größeres Asset an: Ihren Online-Vertriebsweg, der Ihnen enormes Kundenpotenzial bietet, oder Ihre skalierbaren Portfolio-Management-Lösungen, die Ihren Kunden attraktive, maßgeschneiderte Rendite-Risiko-Profile bietet?

Antwort: Die Mischung ist entscheidend. Der vordergründige Mehrwert für unsere Kunden liegt in der Digitalisierung der Vermögensverwaltung. easyfolio unterschiedet sich vor allem durch seinen digitalen Zugang von klassischen, bankseitigen Vermögensverwaltern. Dabei minimiert sich der Aufwand auf Kundenseite dadurch, dass sie einfach und transparent von nahezu überall auf unterschiedliche Anlagelösungen zugreifen können – any time, anywhere. Dennoch reicht eine digitale Lösung alleine längst nicht aus – die Qualität der Produkte bzw. der Leistung muss ebenfalls stimmen.

Die Portfolio-Strategien von easyfolio sind für den Kunden leicht skalierbar. Zu Beginn eines jeden Anlageprozesses haben unsere Kunden die Möglichkeit ihre individuelle Risikoaffinität anhand eines Fragebogens zu prüfen. Auf Basis dieser Ergebnisse können sie im zweiten Schritt aktuell zwischen drei Anlagestrategien auswählen, die sich in ihrem Aktien- bzw. Anleiheanteil unterscheiden. Neben diesem algorithmusbasierten Anlageprozess, profitieren easyfolio-Kunden zudem von der Investment-Expertise aus der Zusammenarbeit mit Hauck & Aufhäuser, die sich sowohl in der Strategieentwicklung als auch in diversen Zusatzdienstleistungen wiederspiegelt.

In Deutschland gibt es aktuell ein gutes Dutzend unabhängige Robo-Advisor – mit denen der Banken sollen es 30 bis 40 sein. Wie viele werden in den kommenden Jahren dazukommen?

Auf der einen Seite gibt es jene, die Fintechs vor allem wegen ihrer fehlenden Ertragsmodelle anprangern und der Fintech-Szene die nächste Blase vorhersagen. Weiter bestärkt wird dieses Szenario durch Themen wie mangelnde Regulierung oder Lücken im Umgang mit Kundendaten. Betrachtet man nun die Höhe der Investitionssummen in Robo-Advisors und stellt ihnen ihr aktuell verwaltetes Vermögen (rund 100 – 250 Millionen Euro in Deutschland) sowie ihre noch vergleichsweise geringen Umsätze (bei den üblichen Verwaltungsgebühren von weniger als ein Prozent sind dies ca. 1 Million Euro) gegenüber, kann man kaum wiedersprechen, oder?

Doch – und das muss man sogar. Denn jene, die apokalyptische Szenarien konstruieren, verstehen nicht, dass Fintechs als Investition in die Zukunft zu verstehen sind. So basiert der realistische Wert einer Firma – insbesondere in der New Economy – nicht auf den Erträgen zum Zeitpunkt der Berechnung, sondern vielmehr auf dem Ertragspotenzial der Firma in der Zukunft. Aus diesem Grund gibt es auch jene, die der Fintech-Branche ein exponentielles Wachstum voraussagen. Denn Fintechs sind schnell, effizient und bringen jene Expertise in der digitalen Welt mit, die Banken vielerorts noch auf- und ausbauen müssen.

Die Wahrheit liegt also in der Mitte. Sicherlich sind die Zweifel an der langfristigen Überlebensfähigkeit von Robo Advisor gerechtfertigt; für Banken haben sie jedoch einen großen finanziellen und ideellen Wert. Denn auch wenn sie nicht als Revolution im klassischen Sinne, sondern vielmehr als Digitalisierung vorhandener Anlageprozesse zu werten sind, bringen sie frischen Wind in die Bankenwelt und vermögen der gesamten Finanzbranche ein neue, effizientere Richtung zu geben. Auf diese Weise werden beide Parteien langfristig voneinander profitieren.

Aus diesen Annahmen lässt folgende These ableiten: Kurzfristig wird die Zahl an Fintechs und somit Robo Advisor zunehmen, langfristig wird sich ihre Zahl durch Verkäufe, Zusammenschlüsse und Kooperationen auf einige, wenige unabhängige Unternehmen reduzieren. Die restlichen Robo Advisor werden als sinnvolle Ergänzungen in das Geschäftsmodell der Banken integriert.

Schauen Sie mal in Ihre Glaskugel? Wann wird der erste deutsche unabhängige Robo-Advisor die Eine-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten?

 

Im Hinblick auf Fintechs, die mit Banken kooperieren, ist dies bereits in nicht allzu ferner Zukunft realistisch. Unabhängige Fintechs werden es hier weitaus schwieriger haben. Bei diesen Prognosen darf man allerdings nicht außer Acht lassen, dass Robo-Advisor aktuell eine Zielgruppe ansprechen, die sich bereits aktiv mit dem Thema Geldanlage auseinandersetzt. Spannend wird es in dem Moment, wenn Robo-Advise-Modelle von heutigen Tagesgeldkunden, die auf Grund des Niedrigzinsumfelds auf der Suche nach Alternativen sind, entdeckt werden

 

Sprechen wir hier von Ihrem Unternehmen?

 

Hauck & Aufhäuser und easyfolio arbeiten mit ganzer Energie an der Weiterentwicklung dieses Konzepts und wollen die zukünftigen Marktentwicklungen aktiv mitgestalten.

 

Können Sie uns Angaben zu Ihren aktuellen Kundenzahlen, dem verwalteten Vermögen, dem verwalteten Durchschnittsvermögen, Ihrem Jahresumsatz oder Ihrem Gewinn oder dem Wachstum der genannten Kenngrößen machen?

 

Aktuell betreut easyfolio eine fünfstellige Kundenzahl mit einem Anlagevolumen von über 20 Mio. Euro. Die Assets under Management (AuM) haben sich im letzten Jahr nahezu vervierfacht. Eine Entwicklung, die natürlich vielversprechend ist.

 

Häufig heißt es: Die größte Wachstumsbremse für Robo-Advisor ist die fehlende Marketing-Power aufgrund von beschränkten Werbebudgets. Stimmen Sie dem zu?

 

Insbesondere Fintechs, die mit hohen Investitionssummen dotiert sind, geben beträchtliche Summen für ihre Vermarktung aus. Dennoch zählt hier das „Wie“ mehr als das „Wie viel“. Entscheidend ist bei Einführung einer Marktidee vor allem der Produktnutzen für den Kunden. Gleichzeitig spielt die Erreichbarkeit des Kunden eine tragende Rolle.

Welche Wachstumsbremse würden Sie außerdem gerne gelöst wissen?

 

Viele Hintergrundprozesse sind noch lange nicht ausreichend digitalisiert und an manchen Stellen noch ineffizient. So kämpft easyfolio an einigen Stellen mit dem Digitalisierungsgrad der Finanzbranche, der in unmittelbarer Wechselwirkung mit der anvisierten Zielgruppe steht.

 

Welche Marketing- und Vertriebsaktivitäten haben sich bei Ihnen als besonders effektiv und effizient herausgestellt?

 

Erfahrungsgemäß sind häufig jene Aktivitäten erfolgreich, bei denen ein klarer Mehrwert für den Kunden zu erkennen ist. Ein Beispiel aus der Praxis bot der Kapitalmarktausblick für easyfolio-Kunden im Juni 2016, bei dem Reinhard Pfingsten, CIO von Hauck & Aufhäuser und easyfolio, Einblicke in die jüngsten Marktprognosen gewährte. Die Anmeldezahl und das Interesse der Teilnehmer im Nachgang an die Veranstaltung bestätigt, dass Marketing heute sowohl formal als auch inhaltlich immer an der (potenziellen) Zielgruppe ausgerichtet sein muss.

 

Welche Rolle spielt hierbei Content-Marketing? Wie betreiben Sie es? Welche Social-Media-Kanäle funktionieren am besten?

 

Content-Marketing spielt heute sowohl on- als auch offline eine größere Rolle denn je zuvor. Nahezu alle Menschen sind heute einer Marketing – und Werbeflut ausgesetzt, die ihnen meist keinen (Mehr-)wert stiftet. Content-Marketing verfolgt das Ziel den Kunden jenen Inhalt zur Verfügung zu stellen, der ihnen tatsächlich Mehrwert stiftet. Diese Maßnahmen können sowohl informativ als auch beratend oder aber auch unterhaltend sein.

 

easyfolio versucht genau diese Waage zu halten. Dabei reicht das Content-Marketing von informativen Texten über Bilder und Videos bis hin zu Infografiken. Auch im Hinblick auf die Marketingkanäle versucht easyfolio seinen Kunden eine möglichst hohe Bandbreite anzubieten. Gleichzeitig ist entscheidend, ob und inwieweit ein Kommunikationskanal zielgruppenrelevant ist. In der Praxis erzielen Blog, Newsletter sowie diverse Social Media Kanäle, z. B. Twitter, die höchste Reichweite.

 

Demnach bedient sich easyfolio vorwiegend an Online-Kanälen. Dennoch ist an manchen Stellen auch eine Kombination aus beidem der Schlüssel zum Erfolg. Im vergangenen Monat konnten easyfolio-Kunden z. B. die Teilnahme an einer exklusiven Veranstaltung mit einem aus Literatur und TV bekannten Journalist gewinnen. Mit der Unterstützung von Hauck & Aufhäuser gelingt es easyfolio weitestgehend alle Marketingaktivitäten intern aufzubereiten – von Texten über Veranstaltungen. Agenturen werden meist punktuell zu Rate gezogen.

Oft heißt es: Wer seine Kunden nicht kennt, wird zu den Verlierern der Digitalisierung gehören. Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? Und wie nutzen Sie dieses Wissen über das reine Portfolio-Management hinaus?

 

Natürlich stimmt es, dass man seine Kunden kennen muss. Hierfür reichen Marktstudien alleine nicht aus. Man muss den Markt ständig im Blick behalten, Trends erkennen und mutig sein. Einst prognostizierte Microsoft-Boss Ballmer, dass sich das I-Phone nicht großartig verkaufen werde. Diesem Irrtum lag aber nicht unbedingt ausschließlich mangelndes Wissen über die aktuellen, sondern vielmehr jenes über die zukünftigen Wünsche der Zielgruppe zu Grunde.

 

Aus diesem Grund bezieht easyfolio nicht nur Zielgruppenanalysen, sondern ebenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Marktanalysen in zukunftsorientierte Überlegungen mit ein. Dieses Wissen wird anschließend nicht nur zur Produktoptimierung eingesetzt, sondern unterstützt insbesondere die Weiterentwicklung des Gesamtkonzepts hinter dem Robo-Advisor. Dazu gehört auch der Mut, beizeiten Dinge einfach auszuprobieren, den Mut haben, anders zu denken – out of the box.

 

Bitte beschreiben Sie uns Ihre Portfolio-Lösungen.  Wo sehen Sie sich gegenüber Ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus?

 

easyfolio bietet seien Anlegern die Möglichkeit, zwischen aktuell drei Anlagestrategien zu wählen. Auf Basis seiner individuellen Risikoaffinität wählt der Kunde eines aus drei easyfolios aus, die sich in ihrem Verhältnis zwischen Anleihen und Aktien unterscheiden (easyfolio 30, easyfolio 50 und easyfolio 70). Ähnlich wie Hauck & Aufhäuser setzt easyfolio auf das Zusammenspiel regionaler Wirtschaftskräfte, das über eine ETF-basierte Asset Allocation abgebildet wird. Dabei wird das Anlagekapital nach Bruttoinlandprodukt (BIP) gewichtet. Diese Methode bietet den Vorteil, dass sie  – im Gegensatz zur Gewichtung nach reiner Marktkapitalisierung – die Wirtschaftsleistung einer Region umfassend berücksichtigt.

 

Dadurch erhalten gerade aufstrebende Schwellenländer eine höhere Gewichtung, wodurch Anleger vom hohen Wirtschaftswachstum in diesen Regionen profitieren können. Obwohl die Kapitalmärkte in den Schwellenländern allgemein eine höhere Volatilität aufweisen, ermöglicht die BIP-Methode eine weitaus höhere Diversifikation. Der Anteil der Länder und Regionen in den Portfolios bemisst sich daher an ihrem Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung. Für die Berechnung der Gewichtung werden die offiziellen Angaben der Weltbank herangezogen. Die hohe Diversifikation ermöglicht es easyfolio-Anlegern, vom weltweiten Wirtschaftswachstum zu profitieren – transparent, kosteneffizient und ohne unnötige Risiken einzugehen.

 

Bitte beschreiben Sie uns Ihre Risikomodelle zur Optimierung der Portfolios. Inwiefern machen sich diese Modelle im Vergleich zum einfachen Rebalancing für Ihren Kunden bezahlt?

 

Wie aus diesem Diversifizierungsansatz hervorgeht, hängt die Risikostreuung bei easyfolio aktuell ausschließlich von der ausgewählten Aktienquote ab. Ein standardisierter Anlageprozess, dem die Risikoaffinität eines Kunden bzw. sein Anlegerprofil zu Grunde liegt. Langfristig ist hier eine Erweiterung der Produktpalette um flexible Anlagemodelle und somit eine weiterführende Optimierung des Risikomodells geplant.

Wie stellt sich für Ihre Kunden die genaue Kostenstruktur dar?

 

Die Gebühren sind variabel und betragen 0,9 Prozent p.a. auf das angelegte Volumen (0,65 Prozent easyfolio Gebühr plus 0,25 Prozent ETF-Kosten). Versteckte Kosten gibt es nicht; die Kostenstruktur ist vollständig transparent.

 

Experten stellen den aktuellen Portfolio-Lösungen und Risikomodellen von Robo-Advisorn generell kein gutes Zeugnis aus – um aber oft direkt nachzuschieben, dass hier in den kommenden Jahren radikale Fortschritte zu erwarten sind. Würden Sie dem grundsätzlich zustimmen?

 

Diese Aussage sollte weitaus differenzierter betrachtet werden. Zum einen liegen dieser These oft unpassende Vergleiche zu Grunde. So werden gebührenpflichtige Modelle häufig mit den Kosten für ein eigenständig zusammengestelltes Portfolio verglichen. Ein Robo-Advisor bieten jedoch eine Dienstleistung – und die hat bekanntlich in jeder Branche ihren Preis. Zum anderen bieten Robo-Advisor die gleichen, herkömmlichen Anlagestrategien und -produkte wie andere Finanzdienstleister – nur eben digital.

 

Wie zufrieden sind sie mit Ihrer aktuellen Lösung?

 

Sehr zufrieden! easyfolio bietet nachvollziehbare, verständliche und sehr flexible Portfolio-Lösungen an – die ideale Basis für eine transparente Geldanlage. Dennoch muss sich auch easyfolio weiterentwickeln und mit seinen Kunden wachsen. Genau das macht unsere Fintech-Branche im Moment so unglaublich spannend.

 

An welchen Stellen haben Sie seit Ihrem Start nachjustiert und warum?

 

 

Zum einen wurde das ETF-Portfolio angepasst, um dadurch die Gebührenstruktur von easyfolio zu optimieren. easyfolio hat mit Hauck & Aufhäuser einen Experten gewonnen, der den Robo-Advisor mit seiner Erfahrung und Expertise bereichert.

 

An welchen konkreten Stellen sehen Sie das größte weitere Optimierungspotenzial?

 

Neben vielen Ideen, die sich in der täglichen Arbeit ergeben, steht vor allem die Optimierung unseres Online-Auftrittes im Vordergrund.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlageergebnisse von deutschen Robo-Advisorn?

 

Die bisherigen Anlageergebnisse von Robo-Advisorn sind mehr als sehr zufriedenstellend. Dank der meist hohen Diversifikation in den Portfolios bewegen sich die meisten Robo-Advisor sicher durch die aktuell volatilen Märkte.

 

Können Sie sich Kooperationen mit Banken vorstellen? Wenn ja, welcher Art?

Als 100-prozentige Beteiligung von Hauck & Aufhäuser steht easyfolio weiterhin auch anderen Kooperationen offen gegenüber. easyfolio profitiert dabei insbesondere von der Zusammenarbeit mit starken Vertriebspartnern, Produkt- oder Finanzpartnern. Zudem arbeitet easyfolio gezielt mit ausgewählten Medienpartnern zusammen, die eine passende Plattform für die Bekanntmachung der eigenen Anlagephilosophie bieten.

Mit welchen Playern können Sie sich außerdem Kooperationen vorstellen? Wie könnten solche Kooperationen aussehen?

Neben unseren bisherigen Partnerschaften strebt easyfolio u. a. Kooperationen mit Maklern, Finanzberatern und Versicherungen an. Insbesondere im Hinblick auf den Vertrieb von Finanzprodukten gibt es viele Möglichkeiten einer Zusammenarbeit.

Zu welchen Arten von Kooperationen haben Sie bereits konkrete Pläne oder befinden sich bereits in Gesprächen?

easyfolio hat z. B. mit der ING DiBa eine Kooperation ins Leben gerufen, über die gezielt Wertpapiereinsteiger angesprochen werden, um ihnen einen sehr einfachen Einstieg in die Welt der Wertpapiere zu ermöglichen.

Die Eintrittsbarrieren in den Markt der Robo-Advisor scheinen nicht besonders hoch? Täuscht der Eindruck?

Hier kommt es auf die Art der Eintrittsbarriere und das Angebot bzw. die Zielgruppe selbst an. Insbesondere die Kosten sind in der Einführungsphase für Start-ups durchaus hoch. Denn Robo-Advisor bewegen sich in einer aktuell sehr schnelllebigen Szene, in der Präsenz und damit auch Marketing eine besonders große Rolle zugesprochen werden muss. Zudem haben Kunden eine Hemmschwelle gegenüber neuen Anbieteren in der Finanzbranche. An dieser Stelle muss also stark zwischen Markteintritt und Etablierung in der Finanzbranche differenziert werden – wahrscheinlich auch stärker als in anderen Branchen.

Setzen Sie die Aktivitäten der Branchengrößen nicht unter einen enormen Zeitdruck? Was passiert, wenn eine Deutsche Bank ernst macht und mal eben eine Marketing-Kampagne für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag startet?

Eine gesunde Portion Druck hat bekanntlich noch niemandem geschadet, denn dieser treibt die ganze Branche voran – so auch easyfolio. Zudem stehen Fintechs nicht in Konkurrenz zu Banken, sondern bieten ihnen vielmehr die Chance von unserer digitalen Affinität und Schnelligkeit zu profitieren.

Matthias Hübner von Oliver Wyman erwartet, diese Entwicklung beobachtend, in den kommenden vier Jahren ein Wachstum der verwalteten Vermögen auf etwa 30 Milliarden Euro – das jedoch vor allem auf die Robo Advisors von Banken und Asset Managern entfällt. Von den unabhängigen Anbieter werden seiner Meinung nach nur ein oder zwei überleben.

Robo-Advisors wie easyfolio bieten für Banken eine sinnvolle Ergänzung bzw. einen digitalen Vertriebskanal. Betrachtet man nun die Entwicklung auf der Konsumentenseite, tendieren die meisten Menschen dazu, ein ganzheitliches Dienstleistungsangebot zu bevorzugen. Das lässt sich besonders schön an Handy-Betriebssystemen sehen. Jene, die mit iOs kooperieren, profitieren von Appel-begeisterten Kunden. Genauso verhält es sich mit Android oder Google. Die Hemmschwelle ein neues Produkt von einem bekannten Anbieter auszuprobieren ist deutlich niedriger als jene, einen neuen Anbieter und ein neues Produkt in Anspruch zu nehmen.

Das haben auch Google & Co. schon zeitnah festgestellt, weshalb sie bereits an eigenen Konkurrenzprodukten in unterschiedlichsten Bereichen der Fintech-Branche arbeiten. Unabhängige Robo-Advisor, insbesondere in der Anlageberatung, werden es langfristig schwer haben gegen große Konkurrenten standzuhalten. Eine Gegenbewegung von Fintechs, die sich langfristig von ihren Mutterkonzernen trennen, wie es z. B. bei Paypal der Fall war, ist jedoch auch nicht auszuschließen. Hier kommt es sicherlich stark auf die Unabhängigkeit der Dienstleistung selbst an. Ein Bezahlsystem ist dabei sicherlich nicht mit einem Robo-Advisor zu vergleichen.

Der Robo-Advisor Fintego von der Fondsplattform Ebase bietet seine Lösungen seit Herbst vergangenen Jahres auch für einzelne Makler bzw. Finanzanlagenvermittler (nach §34f GewO) an. Bieten Sie einzelne Finanzanlagenvermittler vergleichbare Lösungen an?

Finanzanlagevermittler sind natürlich gewissermaßen als Konkurrenten zu sehen. easyfolio arbeitet insbesondere mit Honorarberatern zusammen. Hierfür ist keine Vereinbarung notwendig. Im Gegenzug für ihre Dienstleitungen bietet easyfolio die Nutzung der eignen Dienstleistungen und Tools an. Von anderen Konkurrenten differenziert sich easyfolio dabei insbesondere durch ein hohes Maß an Flexibilität, die es ermöglicht bestehende Fondslösung flexibel mit anderen Ansätzen zu kombinieren.

Die Kosten in der Anlageberatung für Dokumentation und andere regulatorische Vorgaben sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ab welcher Anlagesumme ist eine vernünftige persönliche Betreuung für Banken noch profitabel?

Die Profitabilität persönlicher Beratung und Betreuung steht in direkter Wechselwirkung zu den immer stärker werdenden Regularien in der Bankkenbranche. Das bedeutet, dass immer höhere Anlagesummen notwendig sind, um in diesem Bereich profitabel wirtschaften zu können. Umso entscheidender wird der Grad an Effizienz und Digitalisierung einer Bank. An dieser Stelle vermag ein digitales Angebot wie easyfolio das klassische Geschäftsmodell einer Bank sinnvoll zu ergänzen.

Ab welchem Gesamtvolumen pro Kunden können Sie profitabel arbeiten?

Digitale Anlagelösungen werden schneller profitabel als das klassische Geschäftsmodell einer Bank. Denn nach dem Onboarding und der Identifizierung des Kunden zu Beginn der Zusammenarbeit fallen nur niedrige Betreuungskosten an.

Verbraucherschützer und andere Marktteilnehmer fordern ein Ende der klassischen Provisionsberatung. Anlageberater sollen nicht mehr vom Produktanbieter, sondern direkt von den Kunden bezahlt werden. Was glauben Sie, wird es in Deutschland im Bereich Investmentfonds zu einem Provisionsverbot kommen?

Auch wenn das Prinzip einer Honorarberatung positiv zu bewerten ist, bleibt es unwahrscheinlich, dass sie die Provisionsberatung in Deutschland komplett abgelöst wird. Dem liegt die Beobachtung zu Grunde, dass sich die Honorarberatung nur sehr langsam verbreitet und bis heute ein Nischenangebot darstellt. Die Zurückhaltung vieler Berater hat mehrere Gründe. Zum einen sind Gebühren für eine Dienstleistung dem Kunden schwerer zu vermitteln als Vermittlungsprovision. Insbesondere die Kunden möchten nicht mit vermeintlich zusätzlichen Kosten bei Vertragsabschluss belastet werden. Die Konsequenz läge dann in einem Rückgang an Kunden bzw. in einer wachsenden Versorgungslücke für Berater.

Wie groß wäre der Schub, der Ihnen ein Provisionsverbot verleihen würde?

Natürlich würden Fintechs davon profitieren, denn sie sind günstiger und effizienter als klassische Beratungsangebote. Insbesondere Kunden mit kleineren Anlagesummen müssten sich nach Alternativen zu ihrem bisherigen Anlageberater umsehen.

Zwar haben Finanzanlagenvermittler weniger Pflichten im Bereich Dokumentation zu erfüllen, dürfen aber streng genommen gar keine Anlageberatung anbieten. Deshalb bemühen sich aktuell einige Robo-Advisor um eine BaFin-Lizenz. Welchen rechtlichen Status hat Ihr Unternehmen?

easyfolio ist ein Finanzanlagevermittler nach § 34f Gewerbeordnung; dieFonds sind dabei nach KWG reguliert. Ein Status, der bereits aus dem Geschäftsmodell hervorgeht.

Hauck & Aufhäuser wird easyfolio weiter dabei unterstützen die zunehmenden regulatorischen Anforderungen auch in Zukunft sicher zu meistern. Auch der Erwerb einer BaFin-Lizenz wird dadurch potenziell erleichtert.

Welche konkreten Vorteile und Nachteile ergeben sich für Robo-Advisor, die als Finanzanlagenvermittler (§ 34f) tätig sind?

Einen klaren Vorteil liegt darin, dass der Aufwand für den Kunden gering bleibt. Mit jeder neuen Regulatorik wächst der Aufwand nicht für nur das Fintech, sondern ebenfalls für den Kunden. Ein wesentlicher Nachteil liegt jedoch in der trennscharfen Abgrenzung der angesprochenen Begrifflichkeiten: Finanzberatung und –vermittlung. Trotz oder genau wegen des gemeinsamen Dienstleistungscharakters ist die Trennung für den Kunden meist nicht möglich. Hierbei kann es schnell zu Missverständnissen und letztlich einem Imageschaden für die ganze Branche kommen.

Welche konkreten Vorteile und Nachteile ergeben sich für Robo-Advisor, die als Vermögensverwalter (§32 KWG) tätig sind?

Der größte Vorteil liegt in der starken Regulierung, die dem Kunden ein Gefühl von Sicherheit vermitteln kann. Zudem hat die Kundenbetreuung einen ganz anderen Stellenwert und Anspruch als jene eines Robo-Advisors. Nachteilig ist die umfangreiche Dokumentationspflicht zu betrachten, die an vielen Stellen komplexere Prozesse nach sich zieht. Besonders für kleine Robo-Advisors kann dies eine immense Hürde und Aufwandssteigerung bedeuten.

Bemühen Sie sich aktuell um eine BaFin-Lizenz? Wenn ja: Was ist hier Ihr Hauptmotiv? Und wann werde Sie diese voraussichtlich erhalten?

Easyfolio greift in regulatorischen Fragen auf die Expertise von Hauck & Aufhäuser zurück und könnte ein BaFin reguliertes Angebot in Zusammenarbeit abbilden.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Regulierung in Bezug auf die Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten von Fintechs im Allgemeinen und Robo Advisorn im Speziellen?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der immer größer werdende regulatorische Aufwand einhergehend mit den damit verbundenen Kosten dafür sorgen, dass langfristig viele Fintechs wieder vom Markt verdrängt werden. Auch wenn so der Antrieb und die Innovationskraft, die der Fintech-Branche zu Grunde liegt, damit vordergründig eingedämmt wird, sind Regulierungen als Garant für das ordentliche Funktionieren der Märkte zu begreifen – auch und besonders in der Finanzbranche. Dennoch muss an manchen Stellen auf die Unverhältnismäßigkeit der Regulierungen verwiesen werden, die sich negativ auf den eigentlichen Effizienzgewinn durch die neu gewonnene Technologie auswirken kann.

Welche aktuellen Regelungen bremsen das Wachstum Ihres Unternehmens am stärksten?

Die größte Hürde liegt aktuell noch in dem Grad an Komplexität, der sich durch den Vertrieb von Finanzprodukten und Depoteröffnungen zieht. So werden für eine Depoteröffnung zahlreiche Dokumente benötigt, wodurch der gesamte Prozess aus Kundensicht unattraktiv wirken kann.

Bei welcher dieser Regelungen erwarten Sie in naher Zukunft eine Entschärfung einen Wegfall?

Wie bereits angesprochen hat es easyfolio hierbei meist mit bürokratischen Hürden zu tun, die jedoch ihrerseits auch einen Digitalisierungsprozess durchlaufen. So wird heute z. B. immer häufiger auf Möglichkeiten der digitalen Kunden-Identifizierung zurückgegriffen. Diese Entwicklung und voranschreitende Standardisierung vermag die Komplexität solcher Prozesse langfristig zu minimieren.

Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fonds-Vermittler müssen regelmäßig überprüfen, ob das vermittelte Produkt immer noch für die Zielgruppe geeignet ist und dürfen sich nicht auf die Angaben der Produktgeber verlassen. Vermittlern wird hier ein riesiger administrativer Aufwand vorhergesagt. Inwieweit sind Sie von dieser Regelung betroffen?

Natürlich ist auch easyfolio von diesen Regelungen betroffen. Als Vermittler und als Fondsinitiator zugleich, ist easyfolio jedoch eigenständig für seine Belange verantwortlich; der Abgleich mit den Bedürfnissen der eigenen Kunden ist dabei ein fester Bestandteil des Geschäftsprozesses.

Kommt diese Regelung Ihrer Geschäftsentwicklung zugute, weil sie für Ihre Wettbewerber einen hohen administrativen Aufwand mit sich bringt?

Ja, an dieser Stelle hat es easyfolio dank eines hohen Standardisierungsgrads deutlich leichter.

Viele Experten sagen ein mehr oder weniger umfangreiches Berater-Sterben infolge von Mifid II voraus. Die wenigen verbleibenden Berater werden sich fast ausschließlich auf finanzkräftige Kunden (zirka 5 Prozent der Deutschen) konzentrieren. Was meinen Sie dazu?

Das Ziel eines Robo-Advisor ist nicht den Kundenberater zu ersetzen, sondern vielmehr komplexe Prozesse zu standardisieren und auf diese Weise effizienter zu gestalten. Auch hinter easyfolio stehen Menschen, die sich mit Themen wie Produktentwicklung und Finanzanalysen beschäftigen. Demnach ist es weitaus wahrscheinlicherer, dass sich nach und nach das Berufsbild eines Beraters ändern wird. Denn reduziert sich der Kundenkontakt auf das Wesentliche, bleibt mehr Zeit für die wirkliche Beratung – davon profitieren Berater und Kunde.

Sehen Sie sich als klarer Gewinner dieser Regulierung des Finanzvertriebs?

In gewisser Weise, ja. Denn Fintechs halten der Finanzbranche einen Spiegel vor. Langfristig sind jedoch jene als Gewinner zu betrachten, die es schaffen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette, mit der maximalen Effizienz zu arbeiten. Unabhängige Fintechs schaffen es heute punktuell. Die Zusammenarbeit mit Banken kann sich das jedoch schnell ändern – wenn Apple, Google & Co nicht schneller sind.

Von: Felix Hannemann

Quelle: Das Investment

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