Eben weil die Geldpolitik massiv ihre Muskeln spielen lässt, sind die Bewertungen für die gängigen Anlageklassen auf breiter Front nicht mehr so chancenreich wie Ende März. Vor allem Staatsanleihen der Industrieländer erscheinen sehr teuer. Unserem Bewertungsmodell zufolge dürften daher Aktien in den kommenden zwölf Monaten um 10 bis 15 Prozent besser abschneiden als Anleihen.

Diese Einschätzung wird durch unsere Stimmungsindikatoren gestützt, die etwas mehr für risikoreichere Anlageklassen sprechen: Die Anlegerpositionierung in Aktien ist sehr überschaubar und Rekordzuflüsse in Geldmarktfonds zeigen, dass jede Menge Liquidität darauf wartet, angelegt zu werden. Weltweit ist das Nettovermögen in Geldmarktfonds im vergangenen Monat um 1 Billion US-Dollar angewachsen.

Märkte überschätzen die wirtschaftliche Erholung

Dennoch: Die schwindelerregende Rally der vergangenen Wochen löst keine besondere Begeisterung für Aktien bei uns aus – die Märkte scheinen die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung zu überschätzen. Den Konsensprognosen zufolge wird damit gerechnet, dass die Unternehmensgewinne in diesem Jahr um weniger als 10 Prozent fallen und im nächsten Jahr stark anziehen. Das ist zu optimistisch.

Unsere Modelle zeigen, dass die Gewinne je Aktie (Earnings per share, EPS) und die Dividenden dieses Jahr um rund 40 Prozent zurückgehen dürften. Besorgniserregend ist, dass – obwohl das EPS ähnlich stark eingebrochen ist wie während der Krise 2008/09 – die Rezession damals drei bis vier Mal schwächer war als der umfassende Wirtschaftseinbruch, den die Welt gerade erlebt.

 

Aktienregionen und -sektoren: Defensiv ist die beste Wahl

Im Aktiensegment bevorzugen wir weiterhin defensive Märkte und Sektoren. Entsprechend haben wir die Gewichtung von Schweizer Aktien auf übergewichtet angehoben. Die Schweiz besitzt von allen großen Aktienmärkten den größten Anteil defensiver Aktien. Rund 60 Prozent der Marktkapitalisierung des Schweizer Referenzindex SMI entfällt auf defensive Sektoren wie Pharma und Basiskonsumgüter, die sich während der Corona-Krise mehrheitlich überdurchschnittlich entwickelt haben.

Wir sind auch von Aktien aus Großbritannien überzeugt, wo einige defensive Large-Caps zu attraktiven Bewertungen gehandelt werden.

Bei US-Aktien bleiben wir neutral gewichtet, weil der US-Aktienmarkt zu einem der weltweit teuersten Märkte geworden ist, nachdem das durchschnittliche KGV zuletzt ein 18-Jahres-Hoch von 19 erreicht hatte – im März lag es noch bei 13. Investoren setzen auf eine schnelle Erholung bei US-Unternehmen. Wir rechnen für die kommenden Monate jedoch mit einer Zunahme der Abwärtskorrekturen für die Unternehmensgewinne durch die Analysten.

Auch bei Schwellenländeraktien sind wir vorsichtig geworden und haben die Gewichtung auf neutral herabgesetzt.

Während sich die wirtschaftliche Aktivität in China und seinen unmittelbaren Nachbarn langsam normalisiert, steckt Lateinamerika noch mitten in der Viruskrise. Die Region, die weiterhin in hohem Maß von Rohstoffexporten abhängt, war schon vor Ausbruch des Virus unter starkem wirtschaftlichem Druck. Hinzu kommt, dass Länder wie Brasilien aufgrund von Außenhandelsdefiziten und chronischer Inflation nur begrenzte Mittel haben, um dem wirtschaftlichen Schock zu begegnen.

Einen Wechsel in unserer Asset Allokation gab es zuletzt auch bei zyklischen Konsumgütern: Wir haben den Sektor von untergewichtet auf neutral angehoben, weil die Verbraucher in Asien und anderen großen Volkswirtschaften nach dem wochenlangen Lockdown vermutlich wieder mehr Geld ausgeben, wenn auch nur zögerlich.