Das Investment: Europa legt hohe Maßstäbe bei sauberer Energie an

Warum das ehrgeizige neue Klimaziel Europas der Region zur CO2-Neutralität verhelfen und Investitionen in den Markt für saubere Energie fördern kann, erläutert Stephen Freedman, Produktspezialist bei Pictet Asset Management.
Einen Gang höher schalten: Genau das hat die Europäische Union gerade getan, um die Wirtschaft nachhaltiger zu machen. Die neue Klima-Blaupause der EU sieht bis Ende des Jahrzehnts eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber den Werten von 1990 vor.

Dieses Ziel ist deutlich ehrgeiziger als die bisher angestrebten 40 Prozent und könnte bewirken, dass die Region bis 2050 klimaneutral wird.

Es ist klar, warum die EU mit solcher Entschlossenheit den „grünen“ Aufschwung vorantreibt: Wird der Plan richtig umgesetzt, verheißt er eine vollständige Gesundung der Umwelt und der Wirtschaft. Die dafür vorgesehenen Mittel zeigen deutlich in diese Richtung. Das Paket enthält rund 7 Billionen Euro für neue „grüne“ Investitionen bis 2050. Entscheidend für die wirtschaftlichen Aussichten der Region ist, dass ein Großteil dieses Geldes in die Umweltindustrie fließen wird (siehe Grafik 1) – ein schnell wachsender Sektor, dessen Beitrag zum BIP immer mehr zunimmt.

Der Bruttomehrwert der Umweltindustrie – der den Beitrag zur nationalen Produktion misst – ist von 2003 um 63 Prozent auf 286 Milliarden im Jahr 2015 gestiegen. Innerhalb des Sektors sind einige besonders stark florierende Branchen angesiedelt, wie Ressourcenmanagement, das sich unter anderem mit erneuerbarer Energie und Energieeffizienz beschäftigt und in diesem Zeitraum nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur um 150 Prozent gewachsen ist.

 

Grafik 1: Ehrgeizige Umweltziele

Auf breiterer Basis macht der europäische Markt für Umweltgüter und -dienstleistungen dem der USA mittlerweile Konkurrenz. In der Branche sind bereits 4 Millionen Vollzeitarbeitskräfte beschäftigt – ein Anstieg um 38 Prozent gegenüber 2003 – und der Sektor trug 2015 mehr als 2 Prozent zum BIP der Region bei.

 

Grünes Licht für Elektrofahrzeuge

Dem Plan zufolge soll sich in den Bereichen Verkehr, Energie und Immobilien ein grundlegender Wandel vollziehen. Nehmen wir als Beispiel das Auto. Wenn die europäischen Regierungen ihre Wachstums- und Emissionsziele erreichen wollen, müssen sich Elektrofahrzeuge zu einer strategischen Branche entwickeln.

Hier wird nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche vorgegangen. Frankreich hat ein 8 Milliarden Euro schweres Programm eingerichtet, um seiner Elektromobilitätsbranche neue Impulse zu geben, und möchte in den kommenden fünf Jahren mehr als 1 Million Elektro- und Hybridfahrzeuge pro Jahr produzieren. Der Plan sieht auch einen finanziellen Anreiz vor, durch den sich die Kosten für den Kauf eines Elektrofahrzeugs um bis zu 40 Prozent reduzieren.

Auch Deutschland möchte mehr für emissionsfreien Verkehr tun und verdoppelt die Zuschüsse auf 9.000 Euro, nachdem der Betrag erst im November 2019 angehoben wurde. Diese Anreize wirken sich bereits deutlich auf den Absatz von Elektrofahrzeugen aus. In Deutschland zum Beispiel entfielen im August 2020 13 Prozent der insgesamt verkauften Fahrzeuge auf Elektrofahrzeuge – im selben Monat des Vorjahres waren es nur 2,5 Prozent.

Auch die Regulierungsbehörden leisten einen wichtigen Beitrag. Europa, der zweitgrößte Markt für Elektrofahrzeuge nach China, hat strenge neue Emissionsvorschriften erlassen. Jeder Automobilhersteller musste bis Ende 2020 die Emissionen seiner gesamten Flotte auf durchschnittlich 95 g CO2/km begrenzen. Das sind rund 20 Prozent weniger als der durchschnittliche Ausstoß im Jahr 2018. Dieser Grenzwert wird bis 2025 auf 81 g und bis 2030 auf 59 g sinken.

Wer die Vorschriften nicht erfüllt, wir zur Kasse gebeten: Für jedes weitere g/km an zusätzlichen Emissionen wird pro Fahrzeug eine Strafe von 95 Euro fällig. Automobilherstellern, die ihre CO2-Emissionen im Vergleich zum Stand von 2019 nicht verbessern, drohen Strafen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr.

All das trägt zum Wachstum der Elektromobilität bei (siehe Grafik 2).

Grafik 2: Freie Fahrt für Netto-Null-Emissionen

 

Wiederaufbau zum Besseren

Die Bautätigkeit ist ebenfalls ein Kernelement des europäischen Wiederaufbauplans – nicht zuletzt, weil 70 Prozent aller Gebäude in der Region mehr als 20 Jahre alt sind.

Der europäische „Green Deal“ sieht rund 370 Milliarden Euro – beziehungsweise 53 Milliarden pro Jahr – für Sanierungen zur Steigerung der Energieeffizienz und Dekarbonisierung von Bestandsbauten vor. Das würde der europäischen Sanierungsbranche einen kräftigen Schub geben, die 2019 laut Forschungs- und Beratungsnetzwerk Euroconstruct einen Wert von 819 Milliarden Euro hatte.

Europa möchte auch 100 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung in Digital- und Umweltsektoren investieren. Das auf sieben Jahre angelegte Programm, das 2021 anläuft, soll die Produktivität und das Wachstum erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit in Sektoren gemäß den Zielen des Green Deal sichern. Die Kommission schätzt, dass jeder in die Forschung und Entwicklung investierte Euro einen Hebeleffekt von 11 Euro haben dürfte.

In Sachen Nachhaltigkeit hat Europa jüngst die Messlatte angehoben. Die Region ist mit ihren ehrgeizigen Zusagen für „grüne“ Ausgaben und strengeren Vorschriften nicht nur Vorbild für andere Länder, sondern bietet auch die Aussicht auf stärkeres Wirtschaftswachstum und eröffnet neue Investitionsmöglichkeiten.

 

Clean Energy-Strategie von Pictet AM: Investition in die Energiewende

Das europäische Klimaziel 2050 dürfte in einer ganzen Reihe von Branchen für Disruption und Transformation sorgen. Jede einzelne bietet vielfältige Investmentchancen, die vom breiteren Markt unterschätzt werden.

  • E-Mobilität: Rund 80 Prozent der heutigen Transportenergie muss in Elektrizität umgewandelt werden, um das Emissionsziel zu erreichen. Bloomberg New Energy Finance (BNEF) schätzt, dass 57 Prozent aller verkauften Pkw bis 2040 Elektrofahrzeuge sein werden – 2019 waren es nur 3 Prozent. Dies dürfte einen Investitionsschub nicht nur in Hersteller von Elektrofahrzeugen, sondern verstärkt in unterstützende Technologien wie Batterien und Leistungshalbleiter sowie in Smart Grid-Netze und Ladeinfrastruktur auslösen.
  • Erneuerbare Energien: Im Rahmen des europäischen Plans muss der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung bis 2050 auf 85 Prozent (heute: 20 Prozent) steigen, der Großteil soll Wind- und Solarenergie sein. Die Art und Weise der Stromerzeugung wandelt sich, da immer mehr europäische Stromversorger ihre Produktion von erneuerbarer Energie hochfahren und aggressive Expansionspläne verfolgen. Dieser Trend schlägt sich in einem Anstieg der Erzeugung erneuerbarer Energie um mehr als 8 Prozent nieder und die Gesamtmenge der von der EU erzeugten Energie ist im Juli um fast 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.
  • Umweltfreundliche Gebäude: Alle Neubauten in Europa müssen ab 2012 „quasi Netto-Nullenergiegebäude“ sein. Wir rechnen auch mit einem erheblichen Anstieg der Nachfrage nach einer Umrüstung von Bestandsbauten. Dies dürfte Unternehmen zugutekommen, die hocheffiziente Baustoffe und Dämmmaterialien, Wärmepumpen und LED-Beleuchtung sowie smarte Heizungs- und Klimatechnik, Energiemanagementsysteme für Gebäude und andere Energieeffizienztechnologien und -anlagen produzieren.

Siehe auch

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