Das Investment: Wann kommt der Turnaround bei chinesischen Growth-Aktien?

SJB | Korschenbroich, 22.09.2021.

Häufig sind die Signale der Anleihe- und Aktienmärkte schwer zu deuten und offenbaren sich erst über seltsame Umwege. Zu Beginn des Jahres war die Botschaft noch unmissverständlich:

Dank der Entwicklung wirksamer Corona-Impfstoffe sowie der Konjunkturpakete – insbesondere in den USA – würde das globale Wirtschaftswachstum wieder auf die Beine kommen. Diese Erwartungshaltung spiegelten der Zinsanstieg und die steigenden Kurse an den Aktienmärkten im Zuge der starken Entwicklung konjunktursensitiver Sektoren wider.

Im März wurde die Lage in den USA und einen Monat später dann in Europa etwas komplizierter. Ökonomen begannen die Möglichkeit einer sich rasch abschwächenden konjunkturellen Erholung in Betracht zu ziehen. Daraufhin ging es mit den Zinsen tendenziell wieder nach unten. Der Hochstimmung an den Aktienmärkten tat das jedoch keinen Abbruch. Denn bereits seit 2009 werden sie durch ein Paradoxon gestützt: Enttäuschende Konjunkturdaten gewährleisteten die kontinuierliche Unterstützung durch die Zentralbanken.

Im August wurde seitens der Märkte jedoch erneut eine völlig andere Botschaft gesendet: Während die Tendenz bei den Zinsen nach einer kurzen Kehrtwende Anfang des Monats insgesamt weiterhin nach unten zeigt, präsentieren sich auch die Aktienmärkte dieses Mal um einiges zögerlicher. Damit beginnt die Zeit für eine neue Interpretation der Märkte.

US-Verbraucher halten sich zurück

Zunächst einmal wurde der skeptische Ausblick der Anleihemärkte in den vergangenen Wochen durch mehrere US-Wirtschaftsdaten bestätigt: Die Kauflust US-amerikanischer Verbraucher erweist sich trotz enormer zusätzlicher Ersparnisse als enttäuschend. Eine plausible Erklärung dafür besteht darin, dass die Konsumenten einen deutlichen Anstieg der Konsumgüterpreise aufgrund der Spannungen in den Lieferketten feststellen – und zwar genau in dem Moment, in dem die ersten während des Höhepunkts der Krise eingeführten sozialen Unterstützungsmaßnahmen allmählich zurückgefahren werden.

Außerdem trägt die beschleunigte Ausbreitung der noch ansteckenderen Delta-Variante des Coronavirus sicherlich nicht zu einer Verbesserung der Verbraucherstimmung bei, da sie den ursprünglich vorgesehenen Zeitplan für eine Rückkehr des Dienstleistungssektors zum Normalbetrieb infrage stellt. Für die kommenden Monate wurden die Wachstumsaussichten deshalb fast einhellig nach unten korrigiert.

Aufschwung am US-Arbeitsmarkt

Gleichzeitig hat sich die Beschäftigungslage in den USA weiter normalisiert. Zum Teil ist die Nachfrage nach Arbeitskräften sogar höher als das Angebot. Somit könnte auf den Preisanstieg bei Konsumgütern, der durch den vorübergehenden Anstieg der Materialpreise bedingt ist, eine länger anhaltende Inflation aufgrund eines Lohnzuwachses folgen – auch wenn die Verbraucher daran noch nicht zu glauben scheinen. Folglich nähert sich für Jerome Powell, den Vorsitzenden der US-Notenbank, der Augenblick des „Casus Belli“ – der Zeitpunkt zum Handeln.

Dieser tritt ein, wenn die wichtigsten Kennzahlen – aus der sich das als angemessen erachtete Leitzinsniveau ableitet – der Führungsspitze der Fed das Signal dafür geben, dass sie mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik beginnen sollte. Bevor die Zinssätze angehoben werden, kommt es in diesem Fall zunächst zu einem schrittweisen Zurückfahren der monatlichen Staatsanleihekäufe. Diese Drosselung könnte noch in diesem Jahr beginnen. Und genau dann könnte den Höhenflug der Aktienmärkte zum Erliegen kommen.

Denn auch wenn diese Verschärfung der Geldpolitik in sehr kleinen Schritten erfolgt, stellt sie doch bereits an sich einen eher ungünstigen und neu einzuberechnenden Faktor dar. Überdies könnte sie sich genau in dem Moment ereignen, in dem an den Märkten allmählich der Verdacht aufkommt, dass das künftige Wirtschaftswachstum überschätzt wurde. Sollte dieser Fall eintreten, wird vielfach von einem geldpolitischen Fehler die Rede sein. Gerechter wäre es vermutlich, anzuerkennen, dass das Hauptrisiko für die Märkte zurzeit vielmehr in einer Abschwächung des Wachstums in Kombination mit inflationären Spannungen besteht – also in einer Art „Stagflation 2.0“. Und für ein solches Szenario existiert kaum eine ideale Geldpolitik.

Aktienkurse in China dürften sich erholen

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass China den USA und in noch größerem Maße Europa in seinem Konjunkturzyklus weit voraus ist. Das Land und seine Aktienmärkte haben diese äußerst heikle Etappe bereits auf ihre Weise durchlaufen. Die Wertentwicklung hat durchaus unter den Folgen dieser Phase gelitten, die in China durch eine spektakuläre Verschärfung der regulatorischen Bestimmungen noch verschlimmert wurde. Es wäre nicht auszuschließen, dass sich die relative Wertentwicklung in China im Vergleich zu den westlichen Märkten zumindest eine Zeit lang umkehrt. Dies gilt vor allem für die oft erstklassigen chinesischen Growth-Aktien.

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