Das Investment: Iran könnte zum Problem für den Dax werden

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Nach Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran wollen die USA erneut Sanktionen gegen das Land verhängen. Die bedrohen allerdings nicht nur den Iran, sondern auch große deutsche Konzerne, befürchtet Georg Oehm vom Fondsinitiator Mellinckrodt.Als „Force Majeur“ im Sinne von „Höherer Gewalt“ werden Regelungen in Lieferverträgen bezeichnet, die es einem Lieferanten erlauben, bei Eintritt unerwarteter Ereignisse (Naturkatastrophen, Krieg, Streik, Sanktionen) vom Vertrag zurückzutreten. Insbesondere im Rohstoffgeschäft ist dies üblich.

So erklärte zum Beispiel BASF nach dem Brand im Hafen Ludwigshafen in 2015 für eine Reihe von Produkten „Force Majeur“, da es durch den unerwarteten Brand objektiv unmöglich geworden war, diese auszuliefern. Durch die Erklärung „Force Majeur“ entledigt sich der Lieferant seiner Lieferverpflichtung. Der Vertragspartner benötigt einen Plan B und kann nicht mehr einfach den Schaden an den säumigen Lieferanten weiterreichen.

1. Trump kündigt Iran-Deal
Donald Trump hat in dieser Woche den Iran-Deal für die USA aufgekündigt. Im politischen Gezwitscher geht bisher ein Aspekt völlig unter: das Thema der von ihm angekündigten harten Wirtschaftssanktionen. Diese könnten gerade für im internationalen Anlagenbau tätige Konzerne weitreichende Folgen haben.

Den ersten Testlauf mit Wirtschaftssanktionen unternahm Trump im Fall Syrien. Alle Welt sprach von der Bombardierung, bei der schon der Eindruck entstand, dass Russen und Amerikaner die Fotos der zerstörten Objekte bereits vorher untereinander abgestimmt und ausgetauscht hätten.

Sehr viel schärfer waren die Wirtschaftssanktion gegen Russland, Putin und die Oligarchen. Erstmals waren auch von Oligarchen beherrschte Unternehmen betroffen. Prominenteste Fälle waren der weltweit zweitgrößte Aluminiumkonzern Rusal mit 150.000 Angestellten und die Schweizer Industrie-Ikone Sulzer.

2. Force Majeur bei Rusal
Am Tag nach der Veröffentlichung der Sanktionen trat Ivan Glasenberg, CEO von Glencore, aus dem Verwaltungsrat von Rusal zurück. Außerdem erklärte Glencore als weltgrößter Aluminiumhändler für seine Geschäftsbeziehung zu Rusal „Force Majeur“. Am nächsten Tag erhielt Rusal Notkredite vom russischen Staat. Ohne diese, wäre die Insolvenz wohl sofort eingetreten. Andere Rohstoffkonzerne folgten mit Force Majeur. Der Aluminiumpreis ging zunächst durch die Decke.

Unter dem Druck der Sanktionen erklärte Oleg Deripaska, der russische Mehrheitsgesellschafter von Rusal – quasi als Pressesprecher von Putin – er (also Russland) sei bereit, die Kontrolle über Rusal abzugeben. Im Falle der ebenfalls von einem russischen Oligarchen kontrollierten Sulzer verhandelte der Schweizer Wirtschaftsminister drei Tage mit den USA um Sulzer aus der Sanktionsklemme herauszubekommen.

3. DAX-Anlagenbau-Ikone Siemens und die Risiken
Ach Sanktionen. Was macht das schon. Da gibt’s dann eben EU-Bürgschaften für die betroffenen Konzerne. Von wegen: 10 Jahre Haft drohen die USA bei Verstößen gegen Sanktionsbestimmungen an. Fragen Sie doch mal bei Konzernmitarbeitern von VW nach, wie das läuft. Ex-Chef-Winterkorn kennt das inzwischen ja auch ganz genau.

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran in Europa. Siemens hat – leider zur Unzeit bei Öl-Preisen deutlich über 100 US-Dollar – den großen US-Ölzulieferkonzern Dresser Rand vollständig übernommen. Deshalb hat man am bisherigen Anstieg des Ölpreises wohl noch nichts verdient und hoffte sicher auch auf das große Geschäft mit dem Iran im Bereich Öl nach Abschluss des Abkommens.

Jetzt stellen Sie sich einfach mal vor, welches Szenario Lary Kudlow, der neue Wirtschaftsberater von Trump (Fernsehmann von CNBC) seinen europäischen Gesprächspartnern im Hintergrundgespräch zusammen mit Wilbur Ross, dem Verhandlungsvollprofi und Milliardär vortragen könnte (mit dem Hinweis natürlich, er sei total dagegen, dass Siemens so unfair behandelt wird):

Auszug aus dem fiktiven Drehbuch

Kudlow: “Leider fällt Siemens unter die Sanktionen. Da kann ich auch nichts machen.”
– “Okay, wir [also Sie] könnten verhandeln, dass die aufgehoben werden, wenn … ja was zum Beispiel wirken könnte, wäre ein Verkauf der Siemensbeteiligung am US-Konzern Dresser Rand. Die liegen ja auch unter den Sanktionen, weil sie von Siemens kontrolliert werden. Das ist natürlich für den US-Präsidenten nicht hinnehmbar (sic!). Da geht es um zu viele amerikanische Arbeitsplätze.”

Szenenwechsel, Handelsraum New York: “Du Bob, hast Du schon gehört, Goldman hat das Konsortium wegen Dresser schon zusammen. Die haben nur fünf Minuten gebraucht.”

Ende des Drhebuchs der neuen Serie „Sanctions unlimited“

Das hört sich lustig an. Ist es aber nicht. Insbesondere dann nicht, wenn die deutsche Politik es nicht versteht, vernünftig zu verhandeln. Angesichts der Fehlschläge der Kanzlerin in Minsk darf man nicht zu viel erwarten. Olaf Scholz müsste in einem derartigen Fall wohl eine Zweitwohnung in Washington anmieten, bis er zu einem Ergebnis kommt. Aber vielleicht könnte er es hinbekommen, den größten Schaden von Deutschland und Europa abzuwenden. Die Unternehmer- und Gewerkschaftsabteilung in der SPD konnte früher jedenfalls auf Augenhöhe mit Akteuren vom Kaliber Trump verhandeln. Der erfolgreichste (Schröder) ist allerdings – auf den Spuren von Clausewitz – zu den Russen „übergelaufen“.

Auf Siemens und andere Anlagenbauer bezogen: vielleicht sind Energieaktien im Depot doch die bessere Wahl. Denn Iran könnte zum Problem für den Dax werden. Der enthält zwar Anlagenbauer und andere Geschäftspartner des Iran, aber kaum Exposure in Sachen Öl.

4. Naher Osten
Tipp: hören Sie sich nochmal genau an, was Trump gesagt hat. Er hat bisher versucht, alle Wahlversprechen – zumindest auf dem Papier – einzuhalten. Und vergessen Sie nicht: Es geht beim dem ganzen Thema um viel mehr, als ein paar läppische Sanktionen. Es geht um den gesamten Nahen Osten und das zu einer Zeit, in der Israel dem Iran klar gesagt hat, dass ein Festsetzen Irans in Syrien nicht akzeptiert wird – den dafür gegebenenfalls notwendigen Sturz von Assad eingeschlossen. Und Israel weiß, dass es alleine dasteht. Das ist der Sprengstoff und Saudi-Arabien will eine Atombombe. Saudi-Arabien, der neue Freund Israels, nicht zu vergessen!

Israel hat das ganze mit dem Begriff „Rote Linie“ verbunden. Natürlich deshalb, weil Obama auch von Roten Linien in Syrien sprach, aber als „Weichei“ in die Geschichte der arabischen Staaten eingegangen ist und dadurch einen wesentlichen Grund für die Gewalteskalation in Syrien geliefert hat mit allen nachfolgenden furchtbaren Konsequenzen. Der Fall „Syrien und Obama“ ist damit einer der prominenteren Einträge in der Liste der schweren außenpolitischen Fehler von US-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg. Das will in Europa natürlich keiner wahrhaben, Obama ist ja der Liebling des Feuilletons. Den völlig unverständlich verliehenen Nobelpreis zurückzugeben, wäre wohl das Mindeste an Mea Culpa auf Seiten von Obama.

Im Übrigen kann man ja dem früheren FBI-Chef Carney durchaus zustimmen, wenn er sagt, dass Trump sich verhält wie ein Mafiaboss. Dann sollte man aber auch berücksichtigen, dass es wohl nur wenige gibt, denen eine bessere Nase für krumme Deals nachgesagt wird, als den Akteuren aus der Mafia.

Dass Trump in fast unnachahmlicher Manier die Fakten dreht, um seine Position in einem guten Licht erscheinen zu lassen, das ist wohl auch in diesem Fall unstreitig. Aber merkwürdig ist das Abkommen schon. Einerseits soll es den Iran daran hindern, eine Atombombe zu bauen. Andererseits wird aber erlaubt, alle Elemente, die notwendig sind, um zur Atommacht zu werden (Atomanlagen, Mittelstreckenraketen) trotzdem über die Jahre weiter vorzubereiten. Dass so die Bombe für die Mullahs verhindert werden kann, ist wohl eher ein Märchen aus der Politikküche in Brüssel. Und dabei bitte nicht an „Verhandlungserfolge“ der EU in Sachen Krim und Ostukraine denken, dann können Sie den Rest des Monats gar nicht mehr genießen. Und das wäre doch schade, wo jetzt der Sommer kommt.

Von: Georg Oehm
Quelle: Das Investment

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