Der Fonds: Bundesanleihen: Fels in der Brandung oder bröckelnde Sandburg?

SJB | Korschenbroich, 02.10.2015. Wofür braucht man noch Bundesanleihen? Eine Frage, die derzeit die Finanzmärkte umtreibt. Viele Akteure tolerieren Renditen im Null-Bereich, um sich Sicherheit ins Portfolio zu holen. Doch handelt es sich dabei nicht um eine eher trügerische Sicherheit? Zwei Fondsmanager nehmen Stellung.

Wie sich doch die Zeiten ändern: Während deutsche Bundesanleihen heute kaum noch oder gar keine Zinsen mehr abwerfen, waren sie lange Zeit Garanten für sichere Einnahmen. Scheinbar mühelos ließ sich mit ihnen nicht nur ein Inflationsausgleich, sondern darüber hinaus auch eine solide Grundverzinsung erzielen. Kein Wunder, dass sie von vielen als risikoloser Zins angesehen wurden.

Schließlich gilt die Bundesrepublik mit ihrer Top-Bonität seit jeher als einer der sichersten Schuldner überhaupt. Da verwundert es ebenso wenig, dass die Nachfrage nach deutschen Bundesanleihen als sicherer Hafen über lange Zeit konstant hoch blieb. Da die meisten Bundesanleihen an der Börse gehandelt werden, machte sich die steigende Nachfrage in höheren Notierungen bemerkbar. Über Kursgewinne ließ sich also mit ihnen über die Zinsen hinaus zusätzlich trefflich Geld verdienen.

Auch die Notenbanken – erst die Bundesbank, dann die EZB – leisteten ihren Beitrag zur Erfolgsgeschichte deutscher Staatsanleihen. Denn im Zuge einer expansiven Geldpolitik senkten sie die Leitzinsen immer weiter ab. Das erhöhte noch die Attraktivität bereits begebener Anleihen, da sie über dem jeweiligen aktuellen Marktniveau verzinst wurden. Das Ergebnis war ein über 30 Jahre andauernder Bullenmarkt für Bundesanleihen.

Dieser gipfelte darin, dass so mancher Anleger sogar bereit war, bei deutschen Staatspapieren auf Zinsen gänzlich zu verzichten. Seit dem Frühjahr liegen die Renditen von Bundesanleihen in vielen Laufzeitsegmenten sogar im negativen Bereich. Zur Jahresmitte wies nahezu jedes zweite ausstehende Papier Negativrenditen aus – und zwar nicht nur real, also nach Abzug der Inflationsrate, sondern auch nominal.

Damit erfüllen Bundesanleihen nicht länger ihre traditionelle Rolle als sicherer Ertragsbringer. Doch das passt ins Bild der neuen Normalität an den Finanzmärkten. Anleger scheinen sich nun daran gewöhnen zu müssen, dass das Risiko auch an den Rentenmärkten zunimmt. Bestes Beispiel hierfür ist der Flash-Crash, der im April den europäischen Anleihemarkt in nur wenigen Tagen kräftig durchgeschüttelt hat.

Zeitweilig schnellten die Kurse drastisch herunter und im Gegenzug die Renditen herauf – bei zehnjährigen Bundesanleihen sogar um das Zehnfache bis auf mehr als ein Prozent. Über Nacht hatten deutsche Staatspapiere quasi Zockerqualitäten. Die meisten Marktteilnehmer wurden von diesem Mini-Erdbeben überrascht. Obwohl Experten schon länger gewarnt hatten, dass dem Anleihemarkt solche Entwicklungen drohen können.

Mittlerweile haben sich die Wogen wieder geglättet. Eine Trendwende in Richtung steigender Renditen ist bislang ausgeblieben. Im Gegenteil: Bunds, wie deutsche Bundesanleihen von Marktteilnehmern auch gerne genannt werden, stehen weiter auf den Kauflisten. Die gestiegene Nachfrage hat die Renditen jüngst wieder etwas gedrückt, zehnjährige Papiere werfen aktuell gut 0,6 Prozent ab.

Für nachhaltig steigende Renditen kann wohl nur eine Zinsanhebung durch die EZB sorgen. Die allerdings steht nach wie vor in weiter Ferne. Einen Lackmustest hätte die mittlerweile seit zwei Jahren angekündigte Zinswende in den USA liefern können. Doch die jüngsten Entwicklungen in der Welt- und Finanzwirtschaft haben Fed-Chefin Janet Yellen vergangene Woche mal wieder dazu veranlasst, die Füße still zu halten und die US-Leitzinsen weiter bei nahe Null zu belassen.

Risiken für Bundesanleihen sieht auch Jürgen Jann. Der Manager des Walser Vermögensverwaltung Strategie Plus misst ihnen unter dem Strich aber nicht zu viel Bedeutung zu. Grundsätzlich bleiben von der Bundesrepublik Deutschland emittierte Anleihen für ihn ein solides Absicherungsinstrument gegen die Risiken anderer Anlagen wie Aktien und Hochzinsanleihen.

Im aktuellen Umfeld weniger überzeugt von den risikominimierenden Eigenschaften ist Uwe Pyde. Eine gewisse Sicherheit billigt der Manager des Bantleon Yield Bundesanleihen zwar auch künftig zu. Den Glanz alter Tage als solide Ertragsbringer vermisst er dennoch sehr. Zusätzlichen Druck auf Staatsanleihen bonitätsstarker Schuldner sieht er von der anhaltenden konjunkturellen Erholung im Euroraum ausgehen.

GRAFIK: Wer auf Kurzläufer setzt, zahlt drauf

PRO: “Bundesanleihen bieten Sicherheit wie kaum ein anderes Investment.”
Jürgen Jann, Manager des Walser Vermögensverwaltung Strategie Plus

Die Bonität vieler Staaten als Schuldner hat sich in den vergangenen Jahren eher verschlechtert. Weltweit gibt es nur wenige Emittenten, sowohl auf Seiten der Staaten als auch der Unternehmen, welche über ein AAA-Rating als bestmögliche Qualitätseinstufung verfügen. Deutschland gehört diesem Kreis an. So sind Bundesanleihen – gerade unter dem Aspekt der Sicherheit – noch wertvoller geworden.

Denn in Niedrigzinsphasen ist aufgrund des geringen laufenden Ertrages die Sicherheit hinsichtlich fristgerechter und vollumfänglicher Rückzahlung besonders wichtig. Dass dies auch bei Staaten nicht immer der Fall ist, haben Anleger jüngst bei Anleihen Griechenlands schmerzlich erfahren. Deutschland hingegen gehört zu den wenigen Ländern, die in den vergangenen fünf Jahren Überschüsse im Staatshaushalt erzielten und die Schuldenquote zurückfahren konnten.

Dazu haben die niedrigen Zinsen entscheidend beigetragen. Mit aktuell 23 Milliarden Euro ist der Schuldendienst der Bundesrepublik so gering wie schon lange nicht mehr. Das Institut für Weltwirtschaft hat berechnet, dass sich die Einsparungen im Bundeshaushalt im Zeitraum von 2009 bis 2015 auf stolze 80 Milliarden Euro summieren.

Besonders erfreulich für den Bundesfinanzminister: Negative Renditen bei Bundesanleihen stellen am kurzen Ende ein interessantes Entschuldungskonzept für den Bundeshaushalt dar. Jeder zusätzliche Schulden-Euro saniert den Haushalt, weil Wolfgang Schäuble dafür keine Zinsen zahlen muss, sondern welche bekommt.

Trotz des niedrigen Schuldendienstes sind aus Sicht des deutschen Staates auf der Bundesschuldenuhr mittlerweile über 2 Billionen Euro aufgelaufen, und jede Sekunde kommen weitere 165 Euro hinzu. Die gute Nachricht dabei: Dies ist der niedrigste Wert der vergangenen 20 Jahre. 2009 lag der Spitzenwert je Sekunde noch bei 4.439 Euro.

Gegen den Kauf von Bundesanleihen spricht sicher das historisch niedrige Zinsniveau in Verbindung mit der Tatsache, dass nur wenige Investoren die Notwendigkeit sehen, Risiken bei negativen Renditen einzugehen. Darüber hinaus können steigende Inflationserwartungen in Verbindung mit einem höheren Wirtschaftswachstum und anstehenden Zinserhöhungsschritten der US-Notenbank die Basis für eine Zinswende legen. Anleger sollten deshalb immer im Hinterkopf behalten, dass Bundesanleihen in einem solchen Szenario grundsätzlich zu einem Vermögensverlust führen können.

Doch wieder zu den Vorteilen: Besonders in stürmischen Zeiten können hoch liquide Anleihen wie Bunds an Wert zulegen, während andere Risikowerte wie Aktien oder High Yield-Anleihen stark unter Druck stehen. Besonders institutionelle Anleger setzen häufig auf den Bund-Future – ein sehr liquides und einfaches Instrument, um in Bundesanleihen zu investieren.

Große Investoren aus Übersee, die in Europa anlegen möchten, sehen Bundesanleihen vielfach als bestes Instrument für Engagements in der Region an. Vor allem in Finanzmarktkrisen sind Anleger auf der Suche nach sicheren Häfen. Aufgrund ihrer oftmals niedrigeren oder sogar negativen Korrelation zu Risikoanlagen wie Aktien und Hochzinsanleihen, bieten Bundespapiere das Potenzial, in Zeiten stark fallender Notierungen weniger an Wert zu verlieren oder sogar, wie im Jahr 2008, deutlich zuzulegen.

Zukünftiges Potenzial für steigende Kurse bieten die Anleihekäufe der EZB, die im kommenden Jahr und vielleicht auch darüber hinaus zusätzliche Nachfrage nach Bundesanleihen auslösen können. Ein mögliches zweites Kaufprogramm könnte die Phantasie der Marktteilnehmer sicher noch weiter beflügeln.

Wir setzen Bundesanleihen weiter bevorzugt zur flexiblen Steuerung der Duration sowie als Sicherheitsbaustein ein. Insbesondere der Versicherungsfunktion von Bundesanleihen zur Ausbalancierung von Portfoliorisiken im Aktien- und High-Yield-Bereich messen wir auf Gesamtportfolio-Ebene eine wichtige Bedeutung zu.

CONTRA: “Bundesanleihen haben stark an Attraktivität eingebüßt.”
Uwe Pyde, Manager des Bantleon Yield

Deutsche Bundesanleihen waren in der Vergangenheit ein hervorragendes Absicherungsinstrument für Investitionen in Risikoanlagen – auch und gerade nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008. Seitdem hat die Flutung des Finanzsektors mit Liquidität das allgemeine Marktzinsniveau im Euroraum nach unten gedrückt. Die Kurse deutscher Staatsanleihen haben durch ihre Funktion als sicherer Hafen überproportional hiervon profitiert.

Das Renditeniveau für lang laufende deutsche Staatstitel fiel in diesem Zeitraum von etwa 4,5 Prozent per annum auf nahe Null im April dieses Jahres. In den beiden darauffolgenden Monaten kam es zwar zu einem scharfen Renditeanstieg – das Niveau liegt aber weiter deutlich bei unter einem Prozent. Damit besitzen Bundesanleihen aktuell ein geringes Ertragspotential und deutlich verminderte risikoreduzierende Eigenschaften.

Weil Deutschland das wirtschaftlich stärkste Mitglied des Euroraums ist und Bundesanleihen sehr liquide sind, erfüllen sie ihre Aufgabe als Risiko-Hedge grundsätzlich auch weiterhin. Eine vollständige Absicherung bieten Bundesanleihen auf diesem Niveau jedoch nicht mehr. Hinzu kommt, dass die tief im negativen Bereich rentierenden Realrenditen deutsche Bundesanleihen allein aus Ertragsüberlegungen unattraktiv erscheinen lassen.

Auch die anhaltende konjunkturelle Erholung im Euroraum sollte deutsche Staatspapiere belasten. Der Euroraum-Composite-Einkaufsmanagerindex hat im August mit 54,3 Punkten seinen höchsten Stand seit vier Jahren erreicht. Für Deutschland lag der Wert mit 55 Punkten sogar noch höher. Sowohl der Output der Industrie als auch die Geschäftstätigkeit im Dienstleistungssektor haben sich damit deutlich verbessert. Befürchtungen, dass vor allem die deutsche Wirtschaft von den Turbulenzen in China in Mitleidenschaft gezogen wird, haben sich bisher nicht bestätigt.

Noch stärker präsentiert sich die Wachstumsdynamik vor allem in den südlichen Euroländern, etwa in Spanien. Dank Arbeitsmarktreform und Lohnzurückhaltung sank die Erwerbslosigkeit seit Anfang 2013 um über 4 Prozentpunkte auf 22 Prozent. den privaten Konsum hat das maßgeblich gestützt. Auch der Immobilien- und Bausektor hat die Talsohle durchschritten – die Nachfrage nach Wohnimmobilien zieht an und Investitionen in der Bauwirtschaft wachsen seit Mitte 2014 wieder.

Die positiven Ergebnisse der umgesetzten Reformen führten in Spanien dazu, dass das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 3,1 Prozent gewachsen ist. Damit avanciert Spanien zum Wachstumsmotor der Eurozone. Aber auch Italien kann Fortschritte bei der Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit vorweisen. Dort wurde der Arbeitsmarkt ebenfalls reformiert und durch die Schwächung des Kündigungsschutzes der Anreiz für Neueinstellungen erhöht.

Und die in diesem Jahr beschlossene Wahlrechtsreform wird zukünftig zu einer größeren politischen Stabilität in Italien führen. Zudem hat Ministerpräsident Matteo Renzi den restriktiven Kurs in der Fiskalpolitik gelockert, ohne jedoch die EU-Konvergenzkriterien für das Haushaltsdefizit zu verletzen. Mit positiven Wachstumsraten in diesem Jahr und einem seit Monaten hohen Verbrauchervertrauen sind die Voraussetzungen für weiteres Wachstum geschaffen.

Das anhaltend moderate Wachstum im Euroraum wird in erster Linie deutsche Staatsanleihen belasten. Vor allem die greifenden Strukturreformen in den Peripherie-Staaten werden den Renditeaufwärtstrend dämpfen und zu einer Outperformance von Peripherie-Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen führen. Und die bevorstehende Leitzinswende in den USA erhöht zusätzlich den Druck. Auch wenn der US-Arbeitsmarktbericht im August beim Beschäftigungszuwachs leicht enttäuscht hat, lassen die Aufwärtsrevision der Vormonate, das Lohnwachstum und die auf 5,1 Prozent gefallene Arbeitslosenquote eine baldige Zinserhöhung gerechtfertigt erscheinen.

In den Peripherie-Staaten dagegen werden Strukturreformen und überdurchschnittliches Wachstum den Renditeaufwärtstrend dämpfen und zu einer Outperformance gegenüber Bundesanleihen führen. Trotz alldem dürfen deutsche Staatspapiere als Absicherung im Portfolio nicht fehlen, sollten jedoch gegenüber Peripherie-Staatsanleihen und Unternehmensanleihen untergewichtet werden.

Von: Carsten Krüger

Quelle: DER FONDS.

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