Das Investment: Altabt erklärt das Reichwerden: „Die Gnade ist größer als die Sünde“

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 27.07.2015. Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck über ethische Finanzanlagen, das Reichwerden auf gute Art und sein Wirken als Troubleshooter für Pleite-Klöster.

DAS INVESTMENT: Sie waren einst als Manager in der Wirtschaft erfolgreich. Wie kam die Entscheidung, mit 34 Jahren ins Kloster zu gehen, zustande?

Gregor Henckel-Donnersmarck: Ich war sehr gern berufstätig, aber ich habe ein Defizit an religiösem Leben verspürt. Im Gespräch mit Kollegen und Freunden bin ich immer wieder, etwa nach der Aufsichtsratssitzung um 11 Uhr nachts oder nach dem Skifahren in den Pyrenäen um 2 Uhr früh, auf die Themen Glaube, Religion und Kirche angesprochen worden.

Ich habe dann nachgedacht, was für mein Leben wichtig ist. Ganz der Diplom-Kaufmann, habe ich Soll und Haben aufgelistet. Dazu kam eine ganz bewusste Solidarität mit dem damaligen Papst Paul VI., der von den Medien stark kritisiert wurde.

Haben Sie Ihren wirtschaftlichen Sachverstand von Anfang an in die Kirche eingebracht?

Henckel-Donnersmarck: Nein, ich war zunächst für die jüngeren Mitbrüder zuständig. Später im Abtsamt habe ich großen Wert darauf gelegt, dass ich nicht Hauptverantwortlicher für die Wirtschaft bin. Der Abt muss laut Kirchenrecht einen Mitbruder oder einen Laien als Hauptökonomen einsetzen. Dieser berichtet dann dem Abt. Es wäre falsch, wenn der Abt sich als Manager sähe, er ist Vater, Begleiter oder Seelenarzt.

Sie fungierten aber als Troubleshooter für in finanzielle Not geratene Klöster?

Henckel-Donnersmarck: In dieser Funktion hatte ich mich auch direkt um die Wirtschaft zu kümmern. Dabei haben mir Studium und Erfahrung genützt. Meine Praxis als Troubleshooter zeigt, dass es bei Klöstern in wirtschaftlicher Schieflage meist daran liegt, dass sich der Abt auch als Wirtschaftsverantwortlicher begriffen hat. Es kommt in der Kirchengeschichte immer wieder vor, dass ein geistlicher Würdenträger sein Amt verfehlt.

Haben kirchliche Entscheidungsträger genügend finanziellen Sachverstand?

Henckel-Donnersmarck: Im Großen und Ganzen – ja. Klöster sind untypische Unternehmen, bei denen die Wirtschaft nur einen untergeordneten Rang hat. Wichtiger sind die pastoral-spirituell-theologischen Dinge. Kein Kloster kommt heutzutage mehr ohne eine Bank aus, die berät, wie man notwendige Reserven am besten anlegt. Ziel ist stets, den Zweck des Klosters zu fördern.

Sie erwähnen in Ihrem Buch Bill Gates, dessen Art, reich zu werden, zweifelhaft gewesen sei, der nun aber seinen Reichtum auf gute Weise einsetze. Ist das ein moderner Ablass?

Henckel-Donnersmarck: Nein. Ablass ist etwas ganz anderes aus dem sakramentalen Bereich. Bill Gates hat mit seinem Produkt Microsoft, das übrigens auch ich nutze, etwas Tolles in Gang gesetzt. Ich finde, es steht ihm zu, für seine geniale Erfindung und sein geniales Management auch den Profit zu bekommen.

Ein Beispiel: Ein Mafiaboss wird im Alter reumütig und unterstützt die Kirche. Wird ihm alles vergeben?

Henckel-Donnersmarck: Die Kirche sollte vorsichtig sein, welches Geld sie annimmt. Sie bekommt von den Gläubigen glücklicherweise genügend, sodass sie nicht auf problembelastete Geldströme angewiesen ist. Andererseits ist die Gnade größer als die Sünde. Gnadenlose Vergeltung ist kein christlicher Begriff. Einem Sünder, der Umkehr und Reue zeigt und Buße tun will, dem wird auch vergeben. Der Mafiaboss, der umkehrt und Reue tut, sollte aber lieber einer sozialen Stiftung Geld spenden als der Kirche.

Sie haben die Ethisierung von Anlagen für das Bankhaus Schelhammer & Schattera verantwortet – wie nachhaltig ist dieser Trend?

Henckel-Donnersmarck: Ich glaube, dass wir auf Wunsch der Anleger mehr ethische Finanzprodukte anbieten müssen. Wer sein Erspartes anlegen will, möchte kein schlechtes Gewissen haben, und diese Sensibilität ist in unserer Gesellschaft im Steigen begriffen. Ich habe die Ethisierung durchgeführt für eine kleine österreichische Privatbank, die bis vor Kurzem noch der Gemeinschaft der Orden gehörte. Natürlich müssen wir definieren, wo unsere Qualitätskriterien liegen und wie mit diesen gegenüber dem Kunden argumentiert wird.

Was waren dabei schwierige Abgrenzungsfragen?

Henckel-Donnersmarck: Wir hatten zum Beispiel einen Hersteller von Kartonagen im Portfolio, dessen Produkt überwiegend für Zigarettenpackungen verwendet wird. Die Kartonage dient aber mit großen Warnhinweisen auch als Werbeträger gegen die Zigarette. Die Aktie blieb also im Portfolio. Anders bei Waffen: Wenn jemand findet, Waffen seien ethisch vertretbar, da sie auch Kriege verhindern können, dann sollte er auch in eine waffenproduzierende Firma investieren dürfen. In einem Fonds mit dem Label ethisch geht das jedoch nur, wenn die betroffenen Firmen eine Garantie abgeben können, dass ihre Waffen nicht in falsche Hände geraten. Das wird aber schwerfallen.

Sie haben Angehörige, die im Finanzdienstleistungsbereich arbeiten. Suchen sie bisweilen Ihren Rat?

Henckel-Donnersmarck: Einige Vettern, Neffen und Nichten zweiten Grades sind auf dem Wege, im Finanzdienstleistungsbereich Karriere zu machen, und befinden sich in einem Zermürbungskampf. Sie stellen mir Fragen ihres persönlichen Lebens, und ich muss ihnen dann sagen, dass das Problem nicht nur finanztheoretisch, sondern spirituell-menschlich begründet ist. Manchmal muss ich da auch sehr deutlich werden. Meine beiden Neffen sind Gott sei Dank nicht im Finanzdienstleistungsbereich tätig. (Anmerkung der Redaktion: Neffe Florian hat als Regisseur 2007 für „Das Leben der Anderen“ einen Oscar gewonnen.)

Was ist Ihr größter persönlicher Erfolg?

Henckel-Donnersmarck: Im Jahr 2007 hat mich Papst Benedikt in Heiligenkreuz auf meine Einladung hin besucht – das war das größte Ereignis in meinem Leben. Meine Lebenswette ist aufgegangen.

Gregor Ulrich Henckel-Donnersmarck war von 1999 bis 2011 Abt des Zisterzienserstifts Heiligenkreuz. Er stammt aus der gräflichen Linie der schlesischen Familie Henckel von Donnersmarck und studierte Ökonomie an der Hochschule für Welthandel in Wien. Als Diplomkaufmann arbeitete Henckel-Donnersmarck bis 1977 in der Logistikbranche, bevor er ins Kloster eintrat und den Ordensnamen Gregor annahm. Nach Studien an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz wurde er Magister der Theologie. 1982 erhielt er die Priesterweihe. 2011 gab er altersbedingt das Abtsamt auf. Er tritt auch als Redner und Autor in Erscheinung.

Von: Oliver Lepold

Quelle: DAS INVESTMENT.

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