Das Investment: Bert Flossbach über China-Börsencrash: „Als wäre der Dax zweimal ausgelöscht worden“

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 22.07.2015. Seit dem Höchststand ist der Wert aller Aktien, die an den chinesischen Börsen notiert sind, um rund 3.000 Milliarden Dollar gefallen.„Das ist so viel, als wäre der Dax zweimal ausgelöscht worden“, meint Bert Flossbach. Warum der Börsen-Crash nicht überraschend kam und was derzeit für eine Verlangsamung des weltweiten Wachstums spricht.

Der Bericht wurde DAS INVESTMENT.com freundlicherweise von der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch zur Verfügung gestellt.

In China hatte die Regierung vor etwa einem Jahr den Aktienmarkt als Vehikel zur allgemeinen Wohlstandsmehrung auserkoren. Nachdem sich das Ende des Immobilienbooms abzeichnet und die sogenannten „Wealth Management Products“ (hochverzinste, kreditgedeckte Festzinsanlagen) an Attraktivität verloren haben, sollten die Chinesen ihr Glück mit Aktien versuchen. Deshalb wurden die Restriktionen für kreditfinanzierte Aktienkäufe erleichtert, und vom gehebelten Aktienkauf machen die spekulationsfreudigen Chinesen reichlich Gebrauch. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich das offizielle Volumen der Aktienkredite von rund 400 Milliarden CNY auf 2.300 Milliarden (370 Milliarden Dollar) erhöht.

Schattenbanken bieten sogar noch weit höhere Kreditfinanzierungen, so dass das wahre Ausmaß der Kreditspekulation noch größer sein dürfte. Im Zuge des Crashs ist das offizielle Kreditvolumen wieder auf 1.425 Milliarden CNY bzw. 230 Milliarden Dollar gesunken, was rund drei Prozent des Börsenwertes der inländischen A- und B-Aktien ausmacht.
Shanghai Shenzhen CSI 300 Index von Mitte 2014 bis Anfang Juni 2015 um rund 150 Prozent gestiegen

Der Shanghai Shenzhen CSI 300 Index, der die 300 größten Aktien der Börsen in Shanghai und Shenzhen umfasst, ist von Mitte vergangenen Jahres bis Anfang Juni 2015 um rund 150 Prozent gestiegen, hatte damit aber immer noch nicht das Rekordniveau von 2007 erreicht. Seither brachen die Kurse zwischenzeitlich um über 30 Prozent ein, was die Inhaber der rund 90 Millionen Aktiendepots empfindlich getroffen hat.

Da aber ein Teil der Depots nicht aktiv ist und viele Anleger mehrere Depots unterhalten, um gleichzeitig an der Börse in Shanghai und in Shenzhen spekulieren zu können, dürfte „nur“ eine Zahl überwiegend wohlhabender Haushalte in niedriger zweistelliger Millionenhöhe betroffen sein.

8.500 Milliarden US-Dollar

Nun könnte man die Entwicklung des chinesischen Aktienmarktes, der ohnehin eher eine Spielwiese inländischer Anleger ist (der Kauf von A- und B-Aktien ist für Ausländer nur sehr eingeschränkt möglich) als unterhaltsame Randnotiz abtun. Allerdings beträgt der Börsenwert der insgesamt 2.900 an den beiden Börsen in Shanghai und Shenzhen gelisteten Unternehmen zusammengenommen stolze 8.500 Milliarden US-Dollar. Dies ist mehr als das Fünffache aller in Deutschland gelisteten Aktien und fast die Hälfte des Börsenwerts des S&P 500. Seit dem Höchststand ist der Wert aller Aktien zwischenzeitlich um rund 3.000 Milliarden Dollar gefallen, soviel als wäre der DAX zweimal ausgelöscht worden. Die im CSI 300 zusammengefassten Unternehmen werden mit dem 16-fachen der für dieses Jahr erwarteten Gewinne bewertet, was zunächst wenig spektakulär klingt. An der Börse von Shenzhen, wo vorwiegend kleine und mittelgroße Unternehmen gelistet sind, liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) mit 32 x (Median 46 x)

Staatlich verordneter Aktienboom

Das omnipotente Staatsverständnis der Chinesen hat sich auch auf den Aktienmarkt übertragen. Nachdem die Anleger, ermuntert durch staatliche Unterstützung, das Aktienspekulieren (nicht Investieren) für sich entdeckt und Millionen neuer Wertpapierdepots eröffnet haben, rufen sie nun nach dem Staat als Retter. Tatsächlich erhörte dieser den Ruf und hat, in Sorge um das fallende Volksvermögen, zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um den Kursverfall zu stoppen. So wurden die Zinsen und die Reserveanforderungen der Banken gesenkt, um die Aktiennachfrage mittelbar über zusätzliche Kredite anzukurbeln, und der 150 Milliarden Dollar schwere staatliche Finanzfonds kann bei Bedarf unmittelbar zum Kauf von Aktien eingesetzt werden.

Um das Angebot zu verknappen, wurde die Zahl von Neuemissionen begrenzt und ein sechsmonatiges Verkaufsverbot für Aktionäre eingeführt, die mehr als fünf Prozent an einem Unternehmen halten. Außerdem wurden Hunderte von Aktien vom Handel suspendiert.

Das Beispiel Chinas zeigt, dass der politische Wille ökonomische Gesetze nicht dauerhaft überwinden kann. Die Maßnahmen der Politik haben den Kurseinbruch zwar gestoppt, verzerren aber die Preissignale des Marktes und bewirken damit einen Vertrauensverlust. Langfristig werden sich die Kurse aber auch an den chinesischen Festlandbörsen an der Entwicklung der Unternehmensgewinne orientieren müssen, ansonsten bleibt der Markt ein Spielcasino.

War das chinesische Wirtschaftswachstum zuletzt noch schwächer als allgemein angenommen?

Die zuletzt häufig geäußerte Sorge, der Börsencrash würde die gesamte chinesische Wirtschaft mit nach unten ziehen, halten wir für übertrieben. Immerhin liegen die Aktienkurse noch über ihrem Niveau vom Jahresanfang und weit höher als vor einem Jahr. Inwieweit der Crash verängstigte Anleger dennoch veranlasst, ihren Konsum einzuschränken, bleibt abzuwarten. Da überwiegend wohlhabendere Haushalte betroffen sind, blicken vor allem Luxusgüter- und Automobilhersteller inzwischen etwas sorgenvoller nach China.

Die Eingriffe der Regierung könnten aber auch implizieren, dass das chinesische Wirtschaftswachstum zuletzt noch schwächer war als allgemein angenommen und die Regierung in diesem Umfeld eine weitere Verschlechterung der Konsumstimmung durch einen Börsencrash unter allen Umständen vermeiden möchte.

Ein Indiz hierfür könnte der starke Einbruch der Rohstoffpreise sein. So ist der Preis von Eisenerz, wo China über die Hälfte der Weltnachfrage ausmacht, seit Mitte Juni um rund 30 Prozent auf einen neuen Tiefstand von 45 Dollar pro Tonne (CFR Qingdao Basis) gefallen. Auch der Preis von Kupfer, bei dem China ebenfalls die weltweite Nachfrage dominiert, ist zuletzt auf ein Sechsjahrestief von 5.500 Dollar pro Tonne gefallen.

Auch die Autoabsatzzahlen deuten auf eine leichte Konjunkturabkühlung hin

Auch die Autoabsatzzahlen deuten auf eine leichte Konjunkturabkühlung hin. Im Juni fielen die Autoverkäufe im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,4 Prozent auf 1,51 Mio. Fahrzeuge. Dies ist der erste Rückgang seit zwei Jahren, wobei sich die deutschen Premium-Anbieter noch vergleichsweise gut geschlagen haben. Naturgemäß versuchen die Unternehmen, mögliche Absatzflauten durch Preisnachlässe zu kompensieren, was die Gewinnmargen reduziert. Da China nicht nur der größte, sondern auch ertragsreichste Absatzmarkt der Welt ist, schauen Automanager und Investoren mit Argusaugen auf die Entwicklung des Marktes. Auch der Einfluss auf den deutschen Aktienmarkt ist beachtlich, erklären doch allein die Kursrückgänge der drei Automobilaktien ein knappes Drittel der DAX-Korrektur in den vergangenen Monaten.

Es wäre jedoch verfrüht China abzuschreiben, zumal sich beim inzwischen erreichten Bruttoinlandsprodukt von mehr als 10.000 Milliarden Dollar auch geringere prozentuale Steigerungsraten immer noch positiv auf das Weltwirtschaftswachstum auswirken.

Langfristig niedrige Wachstumsraten weltweit

Mit der sich abzeichnenden Abkühlung verfestigt sich aber unser Weltbild langfristig niedriger Wachstumsraten, da aus Europa, Japan und einigen wichtigen Schwellenländern wie Brasilien und Russland keine Wachstumsimpulse zu erwarten sind. Auch die US-Wirtschaft konnte im laufenden Jahr die optimistischen Erwartungen nicht erfüllen, wie der Außenhandel zeigt: Im Mai 2015 fiel der Export von Waren und Dienstleistungen gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,4 Prozent, was den größten Rückgang seit der Finanzkrise darstellt.

Die Dollarstärke ist als Erklärungsfaktor nicht ausreichend, da auch die Importe mit minus 3,7 Prozent deutlich rückläufig waren. Die globale Wachstumsschwäche kommt über den Außenhandel so auch in den USA an.

Von: Bert Flossbach

Quelle: DAS INVESTMENT.

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