Das Investment: Aktienchef von Barings im Interview: „Heute liegt der Active Share unserer Schwellenländerfonds bei 85 Prozent“

sjb_werbung_das_investment_300_200Bei Comgest hat sich Jean-Louis Scandella seine Sporen als Fondsmanager für Schwellenländeraktien verdient. Jetzt soll er die Fonds von Barings auf Vordermann bringen.

DAS INVESTMENT: Die von Ihnen betreuten Schwellenländerfonds laufen seit Jahren dem Vergleichsindex hinterher.

Jean-Louis Scandella: Es ist bekannt, dass einige Fonds Probleme haben. Seit einem Jahr hat sich das aber gebessert.

Was war damals das Erste, das Sie geändert haben?

Scandella: Ich weiß nicht, ob „ändern“ das richtige Wort ist. Wir haben einige Dinge einfach strikter umgesetzt. Zum Beispiel den Anlagestil. Der war zwar immer vorhanden, wurde aber nicht konsequent genug umgesetzt.

Und sieht wie aus?

Scandella: Wir suchen hochwertige Unternehmen mit hohen Wachstumsraten, deren Aktien ausreichend günstig bewertet sind. Das nennen wir Quality Garp. Bisher untersuchten die Analysten die Unternehmen auf Sicht von einem Jahr.

Ein bisschen kurz.

Scandella: Viel zu kurz. Es gab mal eine Zeit, in der man in Schwellenländern auf Sicht von zwölf Monaten Ineffizienzen nutzen konnte. Das ist aber vorbei. Die Konsensschätzungen sind für diese Spanne sehr treffsicher geworden. Stattdessen kann man Fehlbewertungen nur noch auf Sicht von drei Jahren nutzen, eher noch fünf Jahre. Dafür gibt es keine Analystenschätzungen.

Und Sie wissen mehr?

Scandella: Wir zeigen überhaupt erst mal Interesse. Wir reden mit den Managements über ihre Pläne und Ziele für die kommenden fünf Jahre.

Muss man nicht auch deren wirtschaftliches Umfeld betrachten?

Scandella: Nein, das spielt in meiner Betrachtungsweise keine Rolle. Unsere Wachstumsschätzungen beziehen sich nur auf die Unternehmen und sind frei von Makro-Betrachtungen. Geschäftsführer haben einen besseren Sinn für die Zukunft als Volkswirte.

Die Fonds laufen bisher nicht nur schlechter als der Index, sondern auch nahezu im Gleichschritt. Haben Sie wenigstens auch den Active Share, also die nicht im Index enthaltenen Positionen, ausgebaut?

Scandella: Das ist auch eines der Probleme, als ich sagte, die Strategie wurde nicht diszipliniert angewandt. Die Fonds waren eigentlich nur Index-Plus-Strategien. Ungefähr die Hälfte bestand aus dem Index, und nur der Rest waren aktive Positionen. Heute liegt der Active Share unserer Schwellenländerfonds bei mehr als 85 Prozent.

Klingt nach einem Haufen Arbeit.

Scandella: Aber es lohnt sich. Viele glauben, dass Indexwerte Schutz bieten. Das ist aber falsch. Wenn man Indexwerte hält, erreicht man nur eines: Man ist nie richtig gut und nie richtig schlecht. Man ist immer nur mittelmäßig. Heute nutzen wir alle Ressourcen des Unternehmens. Die Analysten und Portfoliomanager der einzelnen Länderfonds liefern neuerdings Beiträge für die globalen Fonds– und werden auch an diesen Beiträgen mit gemessen. So haben wir dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter viel stärker und besser zusammenarbeiten als früher. Wir haben eine zentrale Liste mit den 40 besten Aktienideen gestartet. Das erzeugt Wettbewerb, denn jeder Analyst will da schließlich rein.

Machen Sie doch aus der Liste einen Fonds.

Scandella: Das geht nicht. Es könnte Klumpenrisiken bei der Aufteilung von Branchen und Ländern geben.

Gibt es in Ihren Portfolios eine Schnittmenge, welche Art von Aktien aktuell besonders häufig auftaucht?

Scandella: Ich mag nur Unternehmen der Zukunft.

Sind das in diesen aufstrebenden Nationen nicht alle?

Scandella: Nein. Die Länder kommen alle entweder aus der kommunistischen, sozialistischen oder kolonialen Welt. Die meisten Unternehmen spiegeln das alles noch wider. Und das ist gar nicht gut.

Inwiefern?

Scandella: Nehmen wir Russland als Beispiel. 80 Prozent der dort notierten Unternehmen waren staatlich und sind privatisiert worden. Das sind kommunistische Monstrositäten, die nichts wert sind und verschwinden werden. Und so etwas interessiert mich überhaupt nicht. Ich will das neue Russland. Das ist zwar noch klein, aber da gibt es Internet-, Handels- und Konsumunternehmen. Russland ist ein Extremfall, weil ich hier nur mit 20 Prozent des Gesamtmarkts arbeite. Aber auch in Indien sind über die Hälfte des Markts sozialistisch aufgebaute Unternehmen die nirgendwohin führen werden. Mein Anlageuniversum macht nicht einmal die Hälfte der gesamten Märkte aus.

Wo passiert gerade besonders viel in diese Richtung?

Scandella: China.

Ist ein nicht gerade ruhiges Pflaster. Waren Sie beim jüngsten Auf und Ab dabei?

Scandella: Ich hatte immer nur wenige chinesische Unternehmen, es waren einfach keine Unternehmen mit Zukunft. Jetzt ändert sich die Wirtschaft in Richtung Binnenkonsum, Umweltschutz und so weiter. Ob das makroökonomisch funktioniert, weiß ich nicht. Aber wir finden plötzlich viel mehr Qualitätsunternehmen. Früher waren Chinesen erfolgreich, weil sie billig waren. Heute sind sie erfolgreich, weil sie gut sind. Richtige Unternehmen mit richtigen Produkten.

Aber China hatte eine Spekulationsblase.

Scandella: Ach, der Crash. Der betrifft nur Schanghai und Shenzhen. Das sind die Märkte, die sehr viele dieser alten wertlosen Unternehmen enthalten. Ich habe da kaum etwas.

Blieben Ihre Positionen dann verschont?

Scandella: Nicht komplett. Aber wir haben die Aufwärtsbewegung nicht komplett mitgemacht und die Abwärtsbewegung auch nicht.

GRAFIK: Baring Global Emerging Market Fund.

Von: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

Siehe auch

Citywire: Gané-Manager Rathausky: „Wir waren zu erheblichen finanziellen Zugeständnissen bereit“

Im Gespräch mit Citywire Deutschland blicken die Gané-Manager auf die vergangenen turbulenten Wochen zurück und erklären, welche Entwicklungen der letzten Jahre aus ihrer Sicht zu der Acatis-Kündigung geführt haben. Die Trennung von Acatis und Gané beherrschte im Februar und März die Nachrichten im Asset Management. Inzwischen ist nach dem Sturm der letzten Wochen wieder etwas …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert