Das Investment: Drescher & Cie-Berater Thorsten Pörschmann warnt: „Diese Anleihen könnten über Nacht um 30 % fallen“

sjb_werbung_das_investment_300_200… und plötzlich nimmt die Fondsgesellschaft keine Anteile mehr zurück. Was offene Immobilienfonds vorgemacht haben, kann schon bald auch bei Rentenfonds zu einem Problem werden, sagt Thorsten Pörschmann, Berater bei Drescher & Cie, im Interview. Einen Warnschuss gab es bereits.

DAS INVESTEMT.com: Herr Pörschmann, Sie warnen vor drohenden Liquiditätsengpässen bei Rentenfonds, ähnlich wie im Bereich der offenen Immobilienfonds. Wo genau liegt das Problem?

Pörschmann: Eine Investmentgesellschaft hat dann ein Problem, wenn Anleger Fondsanteile zurückgeben möchten, aber die Vermögenswerte illiquide geworden sind. Die Gesellschaft kann aus dem Fondsportfolio Vermögenswerte nicht mehr zu angemessenen Kursen verkaufen.

Was passiert dann?

Pörschmann: Die Fondsgesellschaft nimmt Anteile nicht mehr zurück. Eventuell auch nur vorübergehend. Das ist bisher häufiger passiert bei offenen Immobilienfonds. Es gibt etliche Fälle von Fonds, die nie wieder aufgemacht haben und abgewickelt werden mussten.

Sie haben in einem Online-Seminar kürzlich auch ein Beispiel aus dem Anleihen-Bereich erwähnt.

Pörschmann: Da handelte es sich um den Nordix Renten Plus Fonds, ein Vorkommnis im letzten Frühjahr. Der Fonds musste geschlossen werden, weil die Emerging-Markets-Anleihen, die er gehalten hat, zu dem Zeitpunkt nur noch sehr schlechte Marktpreise erzielt haben. Das Fondsmanagement hat mit der Aussetzung der Rücknahme versucht, die Investoren zu schützen.

Zu schützen?

Pörschmann: Man hätte Vermögenswerte zu irrwitzigen Preisen verkaufen müssen, um alle Anleger zu bedienen, die zu dem Zeitpunkt verkaufen wollten.

Der Nordix Renten Plus hat aber nicht dauerhaft geschlossen.

Pörschmann: Sechs Monate später hat der Fonds wieder geöffnet. Er hatte in der Zwischenzeit ein wenig an Kurs verloren. Während der Fonds geschlossen war, konnten Anleger ihre Fondsanteile allerdings an der Börse verkaufen – mit Verlusten.

Welche Nachteile hatten Anleger, die an der Börse verkauft haben?

Pörschmann: An der Börse richtet sich der Preis nicht mehr nach dem Nettoinventarwert des Unternehmens, dem NAV, sondern nach Angebot und Nachfrage. Wenn der Anleger Anteile loswerden will, muss er sich mit einem Käufer auf einen Preis einigen. Für den Käufer bedeutet das: Er muss die Anteile behalten und kann sie nicht an die Fondsgesellschaft zurückgeben. Für den Verkäufer bedeutet das: Er muss mit Preisabschlag verkaufen. Schließlich geht der Käufer das Risiko der mangelnden Liquidität ein. Das lässt er sich bezahlen.

Mit welchen Abschlägen an der Börse müssen Anleger rechnen?

Pörschmann: Beim Nordix Renten Plus mussten Verkäufer Abschläge zwischen 10 und 15 Prozent vom NAV hinnehmen. In den folgenden Monaten hat sich das Marktsegment allerdings wieder beruhigt. Die Käufer hatten in dem Fall Glück: Sie haben Anteile mit 10 – 15 Prozent Abschlägen erworben und konnten sie später zum NAV an die KVAG zurückgeben: Durch ihren Kauf haben sie innerhalb kurzer Zeit 10 bis 15 Prozent herausverdienen können. Das wussten sie allerdings vorher nicht. Sie sind ein Risiko eingegangen – und es ist in diesem Fall gut gegangen.

Und wenn es schief geht?

Pörschmann: Bei vielen offenen Immobilienfonds haben Anteilskäufer, die mit 15 Prozent Abschlag gekauft haben, kein gutes Geschäft gemacht. Der Preis der Fondsanteile kann auch mal um 30 Prozent fallen.

Können Sie einschätzen, in welchen Segmenten so etwas noch einmal passieren könnte?

Pörschmann: Prädestiniert sind High-Yield-Anleihen oder auch Aktienfonds mit sehr spezifischem Anlagehintergrund, zum Beispiel Micro Caps. In schlechten Marktphasen können solche Segmente illiquide werden. Das ist dann auch keine Frage des Preises mehr: Es gibt einfach keine Käufer.
Wir haben im Bereich High Yield sehr große ETF-Portfolien, die international zusammengerechnet hunderte Milliarden Euro verwalten. Wenn diese ETFs mal gezwungen werden, Anleihen zu verkaufen, weil viele Anleger gleichzeitig Anteile loswerden wollen, dann können bestimmte Marktsegmente innerhalb kurzer Zeit illiquide werden. Auch nachrangige Bankanleihen könnten über Nacht mal um 30 Prozent fallen, wenn plötzlich ein Gerücht auftaucht, dass auch eine deutsche Bank pleitegehen kann. Das führt dann zu solchen Marktverwerfungen, wie wir sie im Frühjahr 2015 hatten. Es kann allerdings auch zu einer länger andauernden Situation werden.

Wie stellen Sie sich eine solche Situation vor?

Pörschmann: Wenn sich das sehr niedrige Zinsniveau drehen sollte, weil wir beispielsweise eine Staatsinsolvenz bei einem Schwellenland haben, könnte das Segment der Emerging-Markets-Bonds insgesamt in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann würde man die Risikoprämie auf alle Emerging Markets anders bemessen. Solche Rentenmärkte könnten durch die Einflussnahme der ETFs, die mit vielen Rückgaben zu kämpfen haben, illiquide werden.

Wie hoch könnten dann die Verluste für die Anleger sein?

Pörschmann: Wir haben gerade Anfang des Jahres so etwas bei Anleihen von Rohstoffunternehmen gesehen. Diese Anleihen haben sich binnen kürzester Zeit halbiert. Einfach weil man Sorge hatte, ob sie überhaupt zurückgezahlt werden. Wenn nach einer möglichen Zinserhöhung die Sorge um sich greift, dass bestimmte rohstoffabhängige Länder ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können, dann können die Kurse solcher Anleihen schnell auch mal um 30 Prozent einbrechen.

Hat auch schon ein Rohstoff-Fonds die Rücknahme von Anteilen ausgesetzt?

Pörschmann: Nein, bei Rohstofffonds, die sich auf Aktien konzentrieren, sind die Aktien zwar erheblich gefallen – es gibt Goldminen, die um 90 Prozent eingebrochen sind –, aber sie haben noch Käufer gefunden. Solange die sich finden, können Fonds ihr Portfolio ja noch veräußern und müssen nicht schließen.

Sehen Sie das Problem Illiquidität bei Anleihen schon gegeben?

Pörschmann: Erst wenn sich gar keine Käufer mehr finden, haben wir es mit Illiquidität zu tun. Die tritt im Moment noch nicht zutage, weil der Zug immer noch ziemlich einseitig in diese Titel hineinfährt. Momentan wird ja alles gekauft, was noch einen Zins verspricht. Auch von unerfahrenen Anlegern. Wenn der Zug aber mal umgekehrt fährt, kann das zu bitteren Erfahrungen führen.

In den USA ist bereits eine Trendwende durch Anhebung des Leitzinses vollzogen worden.

Pörschmann: Ja, wenn Sie sich zum Beispiel einen Corporate-High-Yield-Index USA ansehen und dabei speziell die Kursentwicklung im Februar: Das hatte schon crash-artige Züge. Durch den leicht steigenden Ölpreis hat sich das wieder etwas stabilisiert, am High Yield-Markt sind ja viele Rohstoffunternehmen. Das war auch so ein Warnschuss. Und das kann auch mal zu einem Dauerzustand werden.

Wie könnte der aussehen?

Pörschmann: Vor zehn Jahren waren Hochzinsanleihen noch eine relativ unbekannte Anlageform. Seitdem sind sehr viele Anleihen emittiert worden. Wenn etwas, das sich wie jetzt der High-Yield-Bereich fünf oder sechs Jahre lang mit Geld vollgesaugt hat, mal den Rückwärtsgang einlegt und in die andere Richtung fährt, dann können viele Fonds auf einmal illiquide werden.

Sie haben einmal einen Vergleich mit der Finanzkrise gezogen.

Pörschmann: 2008 haben viele Hedgefonds geschlossen, und zwar dauerhaft. Sie haben in den folgenden Jahren verkauft, was sie hatten, und haben es an die Anteilseigner ausgezahlt. So etwas kann illiquiden Fonds passieren, deren Anteile zum Beispiel über den Zeitraum von einem Jahr nicht verkauft werden können.

Der umgekehrte Fall: Es machen auch Fonds ein Soft-Closing, die sich vor Mittelzuflüssen kaum retten können. Sie wollen so ihr Fondsvolumen begrenzen.

Pörschmann: Dann ist Knappheit ein Thema: Wenn ein Fonds in den Foren im Internet gut besprochen wird, zahlen Anleger unter Umständen sogar einen Aufschlag, um einen bestimmten Fonds kaufen zu können. Das extremste Beispiel war der Wertgrund Wohnselect D. Im März wurden Anteile mit einem Aufschlag von 6,6 Prozent auf den NAV gehandelt. Es gab tatsächlich Leute, die 6,6 Prozent mehr bezahlt haben als den Rücknahmepreis. Weil sie anderweitig den Fonds nicht kaufen konnten.

Sehen Sie eine Gefahr, dass besonders großvolumige Fonds den Zeitpunkt auch einmal verpassen, um zu schließen? Dass sie die Grenze zu sehr ausreizen?

Pörschmann: Soft-Closing ist in den letzten Jahren zu einem durchaus üblichen Mittel geworden, um Mittelzuflüsse zu begrenzen. Ich habe nicht den Eindruck, dass etwa die riesigen Muli-Asset-Fonds mit sehr liquiden Vermögenswerten kritisiert werden müssten, weil sie eigentlich schließen müssten. Es herrscht am Markt eine positive Grundstimmung, aber wir haben im Moment keinen Investmentboom. Von einer Fonds-Euphorie wie im Jahr 2000 sind wir meilenweit entfernt. Eine viel größere Gefahr geht von dem umgekehrten Fall aus – dass Assets plötzlich illiquide werden.

Wann könnte das passieren?

Pörschmann: Im Moment ist davon wenig zu hören, aber das Problem ist nicht gebannt. Die Angst, die im Februar um sich gegriffen hat, ist zwar wieder weg. Das Problem der Illiquidität ist aber nicht kleiner, sondern größer geworden. Meistens fällt irgendwann allen Anlegern zur gleichen Zeit ein, aus einer Anlage hinauszugehen. Das ist kein neues Phänomen. Alle sieben bis acht Jahre gibt es dann mal einen Crash.

Von: Iris Bülow

Quelle: DAS INVESTMENT.

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