Das Investment: Europa-Fonds: Die besten Manager und ihre Favoriten

sjb_werbung_das_investment_300_200  SJB | Korschenbroich, 20.05.2013. Ob eine Aktie günstig ist, interessiert derzeit nur wenige Anleger. Wichtiger ist die Perspektive des Unternehmens. Was man den aktuellen Ranglisten führender europäischer Aktienfonds ansieht.

Die drei Männer sitzen wie Nachrichtensprecher am Tisch vor der Kamera. Ganz rechts begrüßt uns ein sichtlich nervöser Analyst namens Jean-Charles Belvo. Sein Nebenmann in der Mitte wirkt immer ein bisschen, als hätte er gerade erst sein Abitur gemacht und als wäre sein Anzug etwas zu groß.

Aber unterschätzen sollte man Fondsmanager Damien Lanternier deshalb auf keinen Fall. Sein Aktienfonds, der Echiquier Agressor, ist inzwischen 1,2 Milliarden Euro schwer. Und trotz zuletzt unterdurchschnittlicher Wertentwicklung halten Großanleger wie das deutsche Family Office Spudy & Co dem Mann von Financière de l’Echiquier die Treue.

Dessen Fondsname ist Programm: Lanternier hat für sein Management eine „Carte blanche“, was man mit „Freibrief“ übersetzen könnte. Er braucht sich nicht um Indizes zu scheren. „Wir haben zwar alle Freiheiten, aber wir haben auch Prinzipien“, sagt Lanternier. Eine Aktie muss mindestens 40 Prozent Kurschance haben, die Unternehmensführung muss stark sein und für die Aktionäre arbeiten.

Auf dieser Online-Web-Konferenz („Wir machen das zum ersten Mal auf Deutsch“) räumt Analyst Belvo etwas ein, womit sich auch seine Konkurrenten derzeit herumschlagen müssen: „2010 bis 2012 gab es am Aktienmarkt noch viele gute und günstige Möglichkeiten.

Auch heute gibt es noch viele sehr gute Unternehmen. Aber deren Bewertungen sind deutlich höher.“ Um dieses Manko auszugleichen, versucht Lanternier einen Irrtum des Markts auszunutzen. Denn der teilt Aktien noch immer nach altem Muster in zwei Teile: zyklische und nicht-zyklische Titel. Zyklische Titel handeln klassischerweise mit niedrigen Bewertungen – das ist der Preisabschlag für das erhöhte Konjunkturrisiko, gerade in Zeiten wie diesen.

Nur findet Lanternier Unternehmen wie Continental – eigentlich ein Zykliker – gar nicht mehr so zyklisch. „Es ist ein sehr gutes, breit aufgestelltes Unternehmen“, meint er und verweist auf das schon fast traditionell niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von unter 10. Die erhöhte Konjunkturresistenz von Conti und ähnlich gelagerten Unternehmen könnte das KGV deutlich steigen lassen. Der Markt muss nur mal auf die Idee kommen.

Doch die breite Masse der Investoren schert sich aktuell nicht um Zurückgebliebene und reitet lieber weiter ihre mitunter schon kräftig gelaufenen Lieblinge. Allen voran der ach so krisensichere Schweizer Nahrungsmulti Nestlé, dessen KGV inzwischen doppelt so hoch ist wie das von Conti.

Das baut natürlich auch enormes Enttäuschungspotenzial auf, wie Bellevue-Managerin Birgitte Olsen anmerkt: „Es ist wie mit einem Kratzer im Lack. Bei einem teuren Auto ist  das viel schlimmer als bei einem billigen.“ Was dann folgt, haben schon viele vormals unantastbare Aktien vorgemacht (Apple, Microsoft). Nur wann und bei welchem Stand, das ist die Frage. Olsens Ansatz hat zweifellos Hand und Fuß – sie konzentriert sich auf von Inhabern oder Familien geführte Unternehmen.

Aber performancetechnisch macht sie mit ihrem Bellevue Entrepreneur Europe gerade harte Zeiten durch. Sie kauft nun mal am liebsten Aktien, die gerade kaum jemanden interessieren und die gerade deshalb sehr günstig sind. Und noch ein bisschen brauchen, um entdeckt zu werden.

Die Hitliste mit den aktuell performancestärksten Europa-Aktienfonds regieren derzeit flexible Manager, die eher auf die Perspektive als auf den Preis einer Aktie achten. Die Aktienfavoriten sind meist gut geführte Firmen mit Markt- und damit auch Preismacht. Firmen, die auch in Krisenzeiten ihren Schnitt machen und wachsen werden – hoffentlich. In einem Satz: Value ist zurzeit mega-out.

Alte Bekannte unter den Top-Fonds

Was nicht heißen muss, dass die derzeitigen Spitzenmanager bei einem Value-Comeback zwangsläufig in der Rangliste nach hinten rutschen. Es sind Könner am Werk, die die nötigen Freiheiten genießen. So etwa Franz Weis von Comgest und Michael Clements von Franklin Templeton, die beeindruckende Gewinne erzielt haben (siehe Crash-Test DAS INVESTMENT Juni 2013).

Oder auch Nicolas Walewski, der sich 2005 auf Anraten seiner Investoren mit Alken Asset Management selbstständig machte. Sein Alken European Opportunities lässt auf Sicht von zwölf Monaten den Aktienindex Stoxx Europe 600 um fast 9 Prozentpunkte hinter sich.

Ein weiteres Beispiel für gut genutzte Freiheiten ist Thorsten Winkelmann. Dessen Allianz Wachstum Europa war nach Platzen der Hightech-Blase 2003 – damals noch ohne ihn – im Performance-Tief verschwunden. Zusammen mit seinem damaligen Kollegen Dirk Enderlein hat er den Fonds anschließend von seiner Benchmark gelöst und zu einem führenden Produkt aufgebaut. Auch Winkelmann, der im Oktober 2009 die alleinige Leitung übernahm, braucht sein Portfolio nicht gegenüber einem Aktienindex zu rechtfertigen.

Stattdessen achtet er auf Wachstumsgeschichten wie den weltweiten Bierkonsum. In Asien, Lateinamerika und Afrika wächst er jährlich um 3,5 bis 4,6 Prozent. Prima, welche europäischen Brauereien sind dort gut aufgestellt? Carlsberg und SAB-Miller, die folglich zu seinen Top 10 gehören. In Westeuropa und Nordamerika lässt der Bierdurst übrigens in den kommenden Jahren um ein halbes Prozent pro Jahr nach.

Konkurrenzgerangel, Markt- und Margenfestigkeit – um diese Schlagworte ranken sich einige der erfolgreichen Managementansätze. So nutzt Dave Dudding das wirtschaftstheoretische Fünf-Kräfte-Modell von Harvard-Professor Michael Porter als Grundlage für die Aktienanalyse . Diese Untersuchung von aktueller und potenzieller Konkurrenz sowie der Preismacht von Kunden und Zulieferern zeigt an, wie gut Firmen künftig wachsen und vor allem Krisen meistern können.

Trends der Gesellschaft

Dudding managt bei Threadneedle den European Select und verantwortete lange Jahre auch den European Smaller Companies. Beide mit enorm guten Ergebnissen. Im Gegensatz zu Stockpickern interessiert sich Dudding zunächst für die wirtschaftliche Entwicklung und forscht nach speziellen Trends in der Gesellschaft. Erst auf dieser Grundlage wählt er Unternehmen mit den bereits erwähnten Eigenschaften aus. „Unser Team für europäische Aktien besucht jedes Jahr über 1.200 Unternehmen, um deren Geschäftsmodell wirklich zu verstehen“, so der Manager.

Ein gutes Beispiel ist für ihn L’Oréal. „Die haben einen derart hohen Status in Sachen Wahrnehmung und Markenwert, dass die Menschen die Produkte selbst dann kaufen, wenn sie eigentlich sparen müssten“, meint Dudding. Gar nicht mochte und mag er die Finanzbranche. „Hier gibt es zu viele Anbieter, und deren Kunden achten sehr auf die Preise.“ Keine allzu guten Aussichten auf vernünftige Gewinne.

Mit dieser Abneigung steht Dudding nicht allein. Kaum einer der herausragenden Manager hat derzeit ein Techtelmechtel mit klassischen Bankaktien. Die meisten warten ab, bis die Bilanzen bereinigt und neue Kapitalrichtlinien erfüllt sind oder sich ein paar Geldhäuser schlicht gegenseitig übernommen haben. „Wir vermeiden Unternehmen aus Branchen mit starkem Wettbewerbsdruck, auch wenn die Nachfrage nach den Produkten hoch ist.

Die Umsätze sind dann zwar gut, aber die Margen schwach“, sagt auch Maximilian Anderl von UBS Globa Asset Management. Bei seinem Fonds ist die Freiheit sogar im Namen verewigt: UBS European Opportunity Unconstrained (etwa: unbeschränkt). Neben den üblichen Kaufpositionen darf Anderl auch bei überbewerteten Aktien auf fallende Kurse setzen. Wenn der Markt in Gänze steigt, kann das natürlich Rendite kosten. Allerdings kann es auch ein wichtiges Sicherungselement in unruhigen Zeiten sein. Dazu passt auch Anderls Feststellung: „Wir sind allergisch gegen Verluste.“

Beim Durchforsten erfolgreicher Fonds taucht immer mal wieder Porters Fünferpack auf – oder zumindest dessen Geist. So auch bei MFS Investment Management. Die Bostoner Fondsgesellschaft hat mit ihrem MFS Meridian bereits vor gut einem Jahr im DAS-INVESTMENT-Crashtest für europäische Nebenwerte den 2. Platz belegt.

Auch im Vergleich mit Standardwertefonds für Europa macht Fondsmanager Peter Fruzzetti eine gute Figur. „Insbesondere einige Positionen in den Branchen Spezialprodukte und Services, Grundstoffe und Finanzdienstleister haben zur guten Performance über drei und fünf Jahre beigetragen“, sagt Fruzzetti und nennt unter anderem Croda International.

Das Unternehmen hat seinen Sitz in dem 3.500-Seelen-Nest Snaith im Nordosten von England und produziert dort chemische Grundstoffe, unter anderem für Körperpflege, Wellness und Landwirtschaft. Die Aktie hat sich – Dividenden mit eingerechnet – in fünf Jahren glatt vervierfacht.

Im Gegensatz zu Konkurrent Dudding nutzt Fruzzetti keine makrowirtschaftlichen Erkenntnisse als Grundlage. Sein Portfolio ist die Summe der einzeln zusammengetragenen und analysierten Teilchen. Das wirtschaftliche Umfeld fließt lediglich mit ein, wenn es darum geht, die Perspektiven der Unternehmen richtig einzuordnen.

Fruzzetti selbst bringt es auf 350 bis 400 Treffen mit Firmenmanagern pro Jahr, sein Analystenteam steuert weitere hinzu. Solche Treffen wiederum nutzen die MFS-Leute, um auf weitere interessante Investmentobjekte zu stoßen. Etwa einen vitalen Zulieferer oder einen Konkurrenten, der den Gesprächspartnern das Leben schwer macht.

Risikoreich, aber gut

Mit 125 Titeln im Portfolio ist Fruzzetti nicht gerade schmal aufgestellt. Im Gegensatz zu Isabel Levy. Die Managerin des Métropole Sélection verteilt satte 1,2 Milliarden Euro auf lediglich 25 bis 30 Einzeltitel. Das muss man als Anleger wissen und vor allem mittragen. „Der Fonds ist risikoreich“, schreibt denn auch Morningstar-Analyst Mathieu Caquineau – gibt sich aber optimistisch: „Er sollte seine Vergleichsgruppe langfristig übertreffen können.“

Mit 481 Millionen Euro frischem Geld steht der Fonds in der Liste der bestverkauften europäischen Aktienfonds von März 2012 bis Februar 2013 auf Platz 8. Als Spitzenreiter grüßt übrigens die internationale Variante des Allianz Wachstum Europa, der Allianz Europe Equity Growth, mit 1,3 Milliarden Euro Zufluss.

Aktie nur mit Katalysator

Im Gegensatz zu den Wachstumssuchern hat sich Levy dem Value-Ansatz verschrieben, was man ihrer jüngsten Wertentwicklung aus den bereits genannten Gründen ansieht. Sie kauft nur Titel, die ihren Analysen zufolge mindestens 30 Prozent zu billig gehandelt werden.

Nun kann das bei Aktien natürlich ein Dauerzustand sein. Levy will deshalb immer auch einen Auslöser – Katalysator – absehen können, der den Aktienkurs demnächst in Richtung Normalwert treibt. Eine ganz bestimmte Spezies meidet sie dagegen: „Unternehmen, die traditionell ein stetiges und transparentes Wachstum aufweisen und daher als defensiv eingestuft werden, veröffentlichen zumeist enttäuschende Quartalsergebnisse.“

Gekoppelt mit hohen Bewertungen führe das dann häufig zu deutlichen Verlusten. Kratzer im Lack teurer Autos. Levys Ansatz bringt es mit sich, dass sie beim von ihrem Konkurrenten Lanternier sehr geschätzten Reifenhersteller Michelin vor Kurzem Gewinne mitgenommen hat.

Auch der Geologie- und Seismik-Spezialist CGG-Veritas flog nach enttäuschender Performance aus dem Portfolio. Neu sind dagegen der Maschinenbauer GKN – der übrigens auch Felgen für Minenfahrzeuge herstellt, die mit Michelin-Reifen bezogen werden – und der norwegische Ölsucher PGS.

Growth? Value? Ganz egal, Hauptsache eine gute Aktienidee, sagt sich John Bennett von Henderson Global Investors. Sein Fonds, der Henderson Gartmore Continental European, zeigt im Fünf-Jahres-Vergleich etwas Schwäche. Er hat 2008 viel verloren und länger gebraucht als andere, um den Verlust aufzuholen. Eine entsprechende Anfrage beantwortet Bennett nur vage. Aus gutem Grund, denn er kam erst im Februar 2010 zu Gartmore und übernahm den Fonds. Ein Jahr später übernahm Henderson Gartmore, Bennett und den Fonds.

Deutlicher wird Bennett darin, was er derzeit bevorzugt: Pharma-Werte. „Die Branche steckt seit drei Jahren in einem langjährigen Bullenmarkt. Es gibt noch immer Qualitätswachstum für vergleichsweise wenig Geld“, so der Henderson-Manager. Phase 1 – die Erholung – sei gerade vorbei. Die KGVs seien von einstelligen Werten auf etwa 12 gewachsen. „Nun kommt Phase 2, in der die Renaissance der Wissenschaft die Branche rehabilitieren wird“, meint Bennett.

Wachsende Umsätze und Cashflows würden dann für höhere Bewertungen der Aktien sorgen. Seinem wichtigsten Grundsatz will er dennoch treu bleiben: Zahle niemals zu viel für eine Anlage.38 Minuten sind um. Ein erleichterter Jean-Charles Belvo schließt die erste – deutschsprachige Online-Konferenz zum Echiquier Agressor und bedankt sich beim Publikum. Auch wir bedanken uns für diese neue Form der Information. Gut gemacht.

Von: Andreas Scholz

Quelle: DAS INVESTMENT.

 

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