Das Investment: Europäische Aktien auf dem Prüfstand

sjb_werbung_das_investment_300_200Analysten schätzen und fordern. Nur in diesem Frühjahr liefern die Unternehmen nicht genug. Und das ist nicht der einzige Grund für den holprigen Jahresbeginn in Aktien-Europa. Doch es gibt Hoffnung.

In dem kleinen Supermarkt im Hamburger Vorort Aumühle steht eine Plastikwanne. Wer in dem Markt einkauft, kann dort Dinge des täglichen Lebens hineinlegen: Taschentücher, Zahnpasta, Duschgel. Es ist eine Spendenwanne, die Waren gehen direkt an Flüchtlinge.

Es ist nur ein Ausschnitt aus dem riesigen Bild der Flüchtlingskrise. Aber er zeigt, wie die zuwandernden Menschen in Deutschland – neutral ausgedrückt – die Wirtschaft verändern können. In Aumühle haben sie Menschen dazu gebracht, zusätzliches Geld auszugeben. Mehr Umsatz, mehr Absatz, mehr Wirtschaft.

Möglich macht es eine andere Entwicklung, die den Menschen in Europa wie ein kleines Zusatzgehalt vorkommen muss: der gesunkene Ölpreis. Allein wenn ein Aumühler täglich 25 Kilometer nach Hamburg pendelt und das Auto 10 Liter auf 100 Kilometer verbraucht, dann zahlt er heute monatlich fast 50 Euro weniger als zum Sprithöchstpreis im Sommer 2012. Ebenso angenehm lesen sich derzeit die Briefe von Gas- und Stromanbietern.

Die Menschen kaufen ein

Es ist diese Kombination aus den – von der Zentralbank so verhassten – sinkenden Preisen, steigenden Löhnen und sinkenden Arbeitslosenzahlen, die den europäischen Konsumenten stärker macht. Ein Resultat: Im aktuellen Bericht des Münchner Ifo-Instituts sprang der Teilindex für den Einzelhandel von 4,4 auf 10,8 Punkte. „Angesichts der hervorragenden Rahmenbedingungen ist das auch kaum verwunderlich“, heißt es dazu vom Vermögensverwalter Bantleon.

Probleme haben dagegen vor allem zwei Branchen: Jene Energie-Unternehmen, die Öl und Gas zum derzeitigen Schleuderpreis verkaufen müssen. Und Banken, weil sie für Zentralbankguthaben Minuszinsen zahlen müssen, ihre Zinsmarge fast täglich dünner wird und sie ihre Kreditbücher noch immer nicht im Griff haben und deshalb auf einem Haufen fauler Kredite sitzen.

Das erste Quartal wurde für europäische Aktien trotzdem fast durchweg ein Debakel. Zum einen erwarteten Analysten offenbar höhere Gewinne, als die Unternehmen liefern konnten. Die Folge: Sie lassen die Luft aus den Schlössern und passen sie über sogenannte Downgrades der Realität an. „Analysten haben ihre Erwartungen für europäische Aktien drastisch gesenkt und malen nun den finstersten Jahresausblick seit fünf Jahren“, meldet „Bloomberg“. Den krassesten Einbruch zeige die Bank Société Générale, die ihren Gewinn ursprünglich um 22 Prozent steigern wollte. Jetzt wird er wohl um 0,5 Prozent sinken.

100-Euro-Beteiligung für 70 Euro

Aber es gibt auch Gutes: „Der Markt preist gerade große Einschnitte bei den Gewinnen ein“, berichtet Michael Browne, der für die britische Gesellschaft Martin Currie Investment Management Long-short-Portfolios managt.

Und das macht er höchst unterschiedlich, wie ein Blick auf die einzelnen Branchen zeigt. Am meisten haben – aus den genannten Gründen – Banken verloren. Allerdings bekommt man die Aktien inzwischen für 70 Prozent ihres Buchwerts. Für eine 100-Euro-Beteiligung zahlt man also 70 Euro. Beim lustig laufenden Einzelhandel legt man dagegen noch immer das 2,5-Fache des Buchwerts hin.

Die Märkte werden noch weiter wackeln, und die Analysten werden die Daumen noch ein paar Mal senken. Gut möglich, dass es noch ein Stückchen bergab geht. Hoffnung entsteht aber nicht aus den aktuellen Unternehmensgewinnen, sondern aus den Wirtschaftsaussichten, den Effekten aus billigem Benzin und Zuwanderung und den inzwischen wieder sehr hübsch anzusehenden Bewertungen der Aktien.

Dem gegenüber stehen ein sich zunehmend verzankendes Europa, die noch immer ungelöste Schuldenkrise, eine zuletzt wirkungslose und gefährliche Geldpolitik und Banken mit Altlasten. Das ist nicht der Nährboden für einen strammen Aufschwung. Das ist ein Umfeld für Schnäppchenjäger. Die dürften jetzt wieder reichlich Material finden.

Von: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

 

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EZB-Präsidentin Christine Lagarde macht eine künftige Lockerung von der Fortsetzung der Disinflation abhängig. Die dürfte nach Ansicht von Axel Botte, Chefstratege des französischen Investmenthauses Ostrum Asset Management, allerdings mit dem Anstieg der Ölpreise, dem anhaltenden Preisdrucks im Dienstleistungssektor und dem Rückgangs des Euro-Wechselkurses unsicherer geworden sein dürfte.

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