Das Investment: Fonds-Bürokratie: Ein Ruck in die falsche Richtung

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DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf hört immer ganz genau hin, wenn Finanzdienstleister über die zunehmende Bürokratisierung klagen – schließlich macht er nahezu täglich ähnliche Erfahrungen. Andernorts stößt der Unmut dagegen seit Jahrzehnten auf taube Ohren.
Haben Sie schon einmal versucht, einen Verein zu gründen? Falls Sie sich mit dem Gedanken tragen sollten – viel Spaß dabei. Ich habe diese Prozedur gerade hinter mir. Obwohl es lediglich darum ging, in meinem Heimatort eine Interessengemeinschaft der Dorfbewohner ins Leben zu rufen, zog sich das Ganze geschlagene vier Monate hin.

Als Haupt-Hindernis entpuppte sich eine Finanzbeamtin, die es mit der Prüfung der Gemeinnützigkeit äußerst genau nahm und gleich bei mehreren Satzungs-Entwürfen den Daumen senkte. Der im Vorfeld wohlweislich eingeschaltete Steuerberater konnte darüber nur mit dem Kopf schütteln: Kam doch zwischenzeitlich sogar ein den Vereinszweck umreißender Formulierungsvorschlag als angeblich unzureichend zurück, den dieselbe Sachbearbeiterin noch im Jahr zuvor wortwörtlich durchgewunken hatte.

Als endlich alles fertig scheint, sorgt plötzlich ein Mitstreiter mit dem Hinweis auf die Datenschutz-Grundverordnung für neue Unruhe. Die Frage, was diese künftig noch zulässt beziehungsweise wann drakonische Strafen drohen, überfordert beileibe nicht nur Newcomer. Seit ihrem Inkrafttreten im Mai 2018 haben landauf landab hunderte Vereine ihre Homepage vom Netz genommen. Einige diskutieren sogar ernsthaft ihre Auflösung.

Die Bürokratie in Deutschland nimmt überhand. Von dieser Feststellung den Bogen zur Fondsanlage zu schlagen, fällt wahrlich nicht schwer. Wohl noch nie seit Erfindung des Investmentfonds mussten sich Finanzdienstleister, die zum Wohle ihrer Kunden auf dieses Instrument zurückgreifen, mit härteren und gleichzeitig kleinlicheren Auflagen herumschlagen. Die Folge: Unsicherheit und Beratung nach Schema F, denn natürlich möchte niemand mit gesetzlichen Vorgaben in Konflikt geraten und dadurch Haftungsprobleme heraufbeschwören. Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist der vor einigen Jahren gescheiterte Versuch eines jungen Familienvaters, für seinen neugeborenen Sohn bei einer Direktbank einen Sparplan auf einen globalen Aktienfonds abzuschließen. Der Fonds fiel in die Risikoklasse 5, bankintern erlaubt für Minderjährige waren nur die Risikoklassen 1 bis 3.

Von einem ähnlichen Fall berichtet ganz aktuell der Limburger Vermögensverwalter Markus Stillger. Der Sohn eines langjährigen Kunden hatte mit einer Ausbildung begonnen und wollte einen VL-Vertrag abschließen. In einem einstündigen Gespräch versuchte Stillger daraufhin, dem jungen Mann den Unterscheid zwischen Zinsanlagen und Unternehmensbeteiligungen zu erklären und auf diesem Wege Interesse fürs Aktiensparen zu wecken. Was auch gelang.

Um die Sache richtig rund zu machen, hätte Stillger zufolge nur ein aufmunterndes Schreiben der depotführenden Stelle gefehlt. Frei nach dem Motto: „Wir freuen uns, dass Sie die Vorteile des Aktiensparens erkannt haben und begrüßen Sie als neuen Anleger.” Doch was kam stattdessen? Ein Angemessenheitstest, der den 18-jährigen auf seine Erfahrungen mit strukturierten OGAW abklopfte, und ein eine volle DIN-A-4-Seite in Anspruch nehmender Hinweis zur automatischen Abgeltung der Kirchensteuer. Stillgers Fazit: „Gute Nacht, Aktienkultur!“

„Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft“, hat einst Alt-Bundespräsident Roman Herzog in seiner berühmten „Ruck-Rede“ im Berliner Hotel Adlon konstatiert. Herzog kannte 1997 noch keine Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen und kein Mifid II, doch er fand auch so genügend Beispiele, die seine Anklage untermauerten. Es lohnt sich deshalb durchaus, die Rede im kompletten Wortlaut noch einmal nachzulesen. Da sich am Kern des Problems seit 21 Jahren kaum etwas geändert hat, müsste man eigentlich aus Protest dagegen einen Verein gründen. Müsste man …

Von: Egon Wachtendorf
Quelle: Das Investment

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