Das Investment: „Kunden sind heute schlicht zu teuer“

sjb_werbung_das_investment_300_200In einer ausführlichen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT.com die Gründer und Chefs der führenden Robo-Advisor zu den Wachstumsaussichten, der strategischer Ausrichtung, Regulierungs-Ärgernissen und Risikomodellen. Diesmal kommt Robert Freitag, geschäftsführender Gesellschafter der Sutor Bank in Hamburg zu Wort.

DAS INVESTMENT.com: Was sehen Sie im Vergleich zum klassischen Finanzberater als Ihr größeres Asset an: Ihren Online-Vertriebsweg, der Ihnen enormes Kundenpotenzial bietet, oder Ihre skalierbaren Portfolio-Management-Lösungen, die Ihren Kunden attraktive, maßgeschneiderte Rendite-Risiko-Profile bieten?

Robert Freitag: Als traditionelle Privatbank, mit einem der ersten deutschen Robo-Advisor im Angebotsportfolio, sehen wir gerade unsere Banklizenz in Verbindung mit der langen Firmengeschichte im Vergleich zu anderen Robo-Advisors als unser stärkstes Asset. 

Ein weiteres Asset liegt in der Doppelstrategie, die wir als B2C- und B2B-Bank umsetzen können. Einerseits können wir unsere eigene B2C-Vermögensverwaltung mit dem Robo-Advice-Angebot erweitern; andererseits können wir unseren traditionellen Partnern dabei helfen, digitale Angebote zu nutzen, damit sie gegenüber den volldigitalen Konkurrenten bestehen können.

In Deutschland gibt es aktuell ein gutes Dutzend unabhängige Robo-Advisor – mit denen der Banken sollen es 30 bis 40 sein. Wie viele werden in den kommenden Jahren dazukommen?

Freitag: Momentan kommen zwar weitere Robo-Advisor auf den Markt. Aber dies sind zumeist entweder Robo-Advisor 2.0 mit intelligenten Beratungs- und Anlageverfahren oder sie entstehen als Spin-off und integriertes Angebot von existierenden Vermögensverwaltern oder Banken.  Darüber hinaus entwickeln existierende Finanzvertriebe Robo-Advice-Angebote. Eine Entwicklung, die wir vor allem unterstützen.

Robo-Advisor sind noch eine krasse Nische: Selbst die größten Robo-Advisor verwalten nicht einmal 50 Millionen Euro. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman schätzt die verwalteten Vermögen aller unabhängigen Robo-Advisor hierzulande auf rund 100 Millionen Euro. Auf der anderen Seite sagen Experten Ihrer Branche ein exponentielles Wachstum voraus. Schauen Sie mal in Ihre Glaskugel: Wann wird der erste deutsche unabhängige Robo-Advisor die Eine-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten?

Freitag: Generell glauben wir auch, dass das Robo-verwaltete Vermögen exponentiell steigen wird – sind aber nicht sicher, ob und welche heute bekannten Robo-Advisor davon profitieren werden. Gelingt einem der erfolgreicheren Automaten-Berater, deren verwaltetes Vermögen jeweils bei geschätzten 20  Millionen Euro liegt,  ein exponentielles Wachstum, dann sollte er die erste Milliarde verwaltetes Vermögen in zwei, spätestens in drei Jahren zusammen haben.

Allerdings erliegt man bei solchen Schätzungen gerne dem Lang-und-Kurzfrist-Fehler: Die kurzfristigen Entwicklungen werden über-, die langfristigen unterschätzt. Deshalb kann es durchaus sein, dass die erste verwaltete Milliarde noch auf sich warten lässt, langfristig aber mehr Vermögen von Robotern verwaltet wird, als wir das heute ahnen.

Häufig heißt es: Die größte Wachstumsbremse für Robo-Advisor ist die fehlende Marketing-Power aufgrund von beschränkten Werbebudgets. Stimmen Sie dem zu?

Freitag: Wachstumsbremse ist nicht in erster Linie die fehlende Marketing-Power: Es ist eher das Missverhältnis von Kundenakquisekosten und Kundenlebenszyklus-Wert. Vereinfacht gesagt: Kunden sind heute schlicht zu teuer für die zu erzielenden Gebühren, die im Robo-Advice-Bereich in Deutschland unter einem Prozent des verwalteten Vermögens liegen (in den USA noch niedriger). Selbst die erfolgreichen US-Robo-Advisor konnten hier die Renditevorzeichen noch nicht ändern. Wenn sich dies aus welchen Gründen auch immer ändert, wird dies das Robo-Advising noch einmal enorm beschleunigen – dann lassen sich auch Investoren finden, die höhere Werbebudgets ermöglichen.

Welche Wachstumsbremse würden Sie außerdem gerne gelöst wissen?

Freitag: Wir freuen uns, dass an einer der Wachstumsbremsen bereits gearbeitet wird: Die Deutschen wechseln ihre Wertpapierdepots genauso ungerne wie ihre Girokonten. Depotwechselservices, wie sie bereits in der Entwicklung und im Girokonten-Bereich im Einsatz sind, können dazu beitragen, den Depotwechsel zu erleichtern, so dass das bei den etablierten Anbietern verwaltete Vermögen einfacher umgeschichtet werden kann und damit zu mehr Wachstum bei Robo-Advisors und anderen Marktakteuren führt.

In Deutschland verschärft die Kapitalmarktferne und die Risiko-Adversität breiter Bevölkerungsschichten das Missverhältnis von Akquisekosten und Kundenwert. Deshalb würden wir uns wünschen – nicht nur mit Blick auf die eigenen Geschäfte –, dass der Staat, wenn er schon die Zinsen ins Minus senkt, gleichzeitig aufklärt, welche Spar- und Anlagealternativen es zum Sparkonto gibt. Das würde dem grundsätzlich kundenzentrierten Anlagemodell der Robo-Advisors einen großen Schub verleihen.

Welche Marketing- und Vertriebsaktivitäten haben sich bei Ihnen als besonders effektiv und effizient herausgestellt?

Freitag: Für unseren eigenen Robo-Advisor, den Sutor Anlage-Lotsen, der eher ein Show-Case bzw. die digitale Erweiterung unseres Private Banking ist, machen wir so gut wie keine Werbung. Er profitiert lediglich vom Content Marketing, das wir für die Vermögensverwaltung der Sutor Bank als Ganzes machen.

Wenn wir unsere Partner anschauen, sind sie in Marketing und Vertrieb dann besonders effektiv und effizient, wenn sie hoch-analytisches Online-Marketing mit einem Zugriff auf Offline-Vertriebsstrukturen – Honorarberater, Vermittler etc. – vernetzen.

Welche Rolle spielt hierbei Content-Marketing? Wie betreiben Sie Content-Marketing? Nur online oder auch offline? Per Agentur oder mit eigenen Autoren? Welche Social-Media-Kanäle funktionieren am besten?

Freitag: Content Marketing spielt bereits seit einigen Jahren eine große Rolle im Marketing der Sutor Bank. Wir betreiben es sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich. Im B2B-Bereich propagieren wir damit die Idee des wissenschaftlichen Anlegens, die sowohl hinter der Sutor-Vermögensverwaltung als Ganzes als auch hinter dem eigenen Robo-Advice-Ansatz steht.

Im B2B-Bereich adressieren wir mit Content Marketing potenzielle Partner, mit denen wir gemeinsam Robo-Advice-Modelle umsetzen möchten. Dort geht es um das Besetzen und Behaupten einer Thought-Leader-Position, wenn es um das Thema digitales Anlegen geht.

Als Medien kommen sowohl B2C- als auch B2B-eigene Blogs zum Einsatz. B2C-Content-Kanäle sind darüber hinaus Facebook und You Tube mit eigenen Videos. In der B2B-Kommunikation setzen wir im Social-Media-Bereich vornehmlich auf Twitter und LinkedIn.

Content wird bei Sutor zum größten Teil selbst entwickelt und verbreitet. Mit der Ausnahmen PR kommen externe Dienstleister nur bei technischen Services zum Einsatz.

Oft heißt es: Wer seine Kunden nicht kennt, wird zu den Verlierern der Digitalisierung gehören. Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? Und wie nutzen Sie dieses Wissen über das reine Portfolio-Management hinaus?

Freitag: Wir nutzen unser Wissen über die Kunden bislang im Rahmen der Kundenakquise. Kunden erhalten abhängig vom Download bestimmter Inhalte weitere Inhalte angeboten und/oder die Kontakte werden an die Berater der Vermögensverwaltung weitergegeben.

Da ein Großteil der Kunden über den B2B-Vertrieb zu Sutor kommt und für Partner-Kunden ein weitgehender Kundenschutz existiert, dürfen wir diese nicht weiter ansprechen. Unsere Partner nutzen ihr Kundenwissen natürlich intensiv für die Entwicklung maßgeschneiderter Angebote.

Bitte beschreiben Sie uns Ihre Portfolio? Wo sehen Sie sich gegenüber Ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus?

Freitag: Unser Investmentansatz basiert auf wissenschaftlich fundierten und historisch gut abgesicherten Fakten zum Kapitalmarkt. Grundsätzlich entsteht die Rendite in der Wirtschaft und nicht an der Börse oder mit Hilfe von verschachtelten Produkten. Wir investieren und wollen nicht für oder gegen den Markt wetten oder kurzfristigen Modetrends hinterherlaufen. Der beste Schutz gegen Marktverwerfungen oder Blasenbildungen ist eine breite Diversifikation in produktive Anlageklassen. Das sind grundsätzlich Aktien und Anleihen bzw. die entsprechenden Indexfonds bzw. Anlageklassenfonds. Weiterhin vermeiden wir hektisches kaufen oder verkaufen- vielmehr sind unsere Depots in der Zusammensetzung sehr stabil. Wir bieten unseren Kunden fünf verschiedene Musterdepots mit gestaffelten Risikostufen an. Auch eine Kombination von verschiedenen Portfolios, unter Berücksichtigung der Mindestanlagen, ist möglich. Der Anlageausschuss der Sutor Bank überwacht und steuert die Musterdepots.

Wie stellt sich für Ihre Kunden die genaue Kostenstruktur dar?

Freitag: Die Kosten für die Portfolios betragen bei Onlineabschluss 0,7 % vom Depotwert p.a., mind. 9,90 Euro pro Jahr (jeweils inkl. MwSt.). Berechnung und Belastung jeweils zum Kalenderhalbjahr. Bezogen auf die aktuelle Depotzusammensetzung ist die TER zwischen 0,36 (konservativ) und 0,52 (dynamisch+) für das jeweilige gesamte Portfolio. Es sind keine Fonds enthalten, welche eine Bestandsvergütung an uns als Bank zahlen.

Experten stellen den aktuellen Portfolio-Lösungen und Risikomodellen von Robo-Advisorn generell kein gutes Zeugnis aus – um aber oft direkt nachzuschieben, dass hier in den kommenden Jahren radikale Fortschritte zu erwarten sind. Würden Sie dem grundsätzlich zustimmen?

Freitag: Nein. Nach unserem Verständnis sind weltweit diversifizierte, passive Fondsportfolios mit den Anlageklassen Aktien und Anleihen, deren Struktur durch eine Vermögensverwaltung überwacht und regelmäßig einem Rebalancing unterzogen wird, die effektivsten Portfoliolösungen mit einem angemessenen Risikomanagement. Das ist weitgehend unabhängig von technologischen Innovationen und basiert auf den fundamentalen, wissenschaftlich fundierten Eigenschaften des Kapitalmarktes.

Wie zufrieden sind sie mit Ihrer aktuellen Lösung?

Freitag: Die für den Sutor Anlage-Lotsen entwickelten PrivatbankPortfolios existieren bereits seit knapp vier Jahren und mit der Wertentwicklung sind unsere Kunden sehr zufrieden. Beispielsweise erzielte ein gemischtes Depot (je ca. 50 % Aktien/Anleihen, PBP ausgewogen) seit dem 30.09.2012 einen Wertzuwachs von über 30 % (entspricht 7 % p.a.).

An welchen Stellen haben Sie seit Ihrem Start nachjustiert und warum?

Freitag: Gemäß unserem langfristigen Anlageansatz, der im Anlagekodex für jeden nachlesbar fixiert ist, sind die Portfolios auf sehr lange Anlagehorizonte ausgerichtet. Das macht ein kurzfristiges Nachjustieren überflüssig oder sogar schädlich, insbesondere wenn es um Reaktionen auf aktuelle Ereignisse wie den Brexit geht. Deshalb hat unser Anlageausschuss bisher auf das Nachjustieren bewusst verzichtet.

An welchen konkreten Stellen sehen Sie das größte weitere Optimierungspotenzial?

Freitag: In der Kommunikation mit unseren Kunden sehen wir Verbesserungspotenzial. Noch immer ist in Deutschland das Wissen über Geld, Finanzen und Kapitalmarkt unterdurchschnittlich ausgeprägt. Ein besseres Verständnis über zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Risiko, Rendite und Anlagedauer erhöht deutlich die Anlagedisziplin.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlageergebnisse von deutschen Robo-Advisorn?

Freitag: Insgesamt schlagen sich die Robo-Advisors der Marktlage entsprechend gut. Letztendlich verfolgen die meisten eine vernünftige Anlagephilosophie mit breit diversifizierten passiven Fonds-Portfolios. Da sich das „Robo“ auf den Anlage-, jedoch nicht auf den Anlageprozess bezieht, glauben wir auch, dass sich die Robo-Advisors in Zukunft vor allem über einen mehr oder weniger optimalen Beratungsprozess differenzieren, nicht über das Anlage-Ergebnis. Gleichzeitig muss man aber auch feststellen, dass aktuelle Momentaufnahmen zur Performance von Robo-Advisors die Anleger in die Irre führen können. Denn die meisten Robo-Advisors sind weniger als drei Jahre am Markt und nur wenige wie der Sutor Anlage-Lotse auch mehr als drei Jahre, so dass die Zeiträume für große Performance-Vergleiche noch zu kurz sind. Wir verfolgen auch bei unserem Robo-Advisor-Angebot ganz klar das Ziel einer langfristigen Anlage von Kundenvermögen.

Können Sie sich Kooperationen mit Banken vorstellen? Wenn ja, welcher Art?

Freitag: Als Bank müssen wir die Fragen für uns umdrehen: Wir planen nicht den Kauf oder die Beteiligung an einem Robo-Advisor. Unsere Strategie ist es primär, Fintech-Startups zu helfen, ihre Robo-Advisor-Geschäftsmodelle oder weitergefasst ihre digitalen Anlage-Geschäftsmodelle umzusetzen.

Mit welchen Playern kooperieren Sie bereits? Wie funktioniert das Erlös-Sharing?

Freitag: Wir kooperieren in die eine Richtung mit Robo-Advisors, für die wir die Banking- und Depot-Plattform bereitstellen, dabei können wir uns flexibel darauf einstellen, ob sie nach §32 KWG als „echte“ Vermögensverwalter oder nach §34f GewO als Vermittler auftreten.

In die andere Richtung kooperieren wir mit Finanzvertrieben, Maklerpools und Honorarberatern, für die wir künftig Robo-Advice- oder Technologie-Elemente etwa für das Kunden-Onboarding oder die Dokumentation zur Verfügung stellen, damit sie im digitalen Wettlauf um die Kunden nicht zurückfallen.

Zu welchen Arten von Kooperationen haben Sie bereits konkrete Pläne oder befinden sich bereits in Verhandlungen?

Freitag: Das eigene Online-Angebot, aber auch die Angebote unserer Fintech-Partner werden auch unseren Vertriebspartnern angeboten. Zu unseren Vertriebspartnern gehören Maklerpools sowie Einzelmakler. Auf diese Weise werden Synergien zwischen der realen Welt und der Online-Welt geschaffen. Das heißt, es können auf diesem Weg auch Kundengruppen angesprochen werden, die man auf dem reinen Online-Weg nicht erreicht.  Für das eine oder andere Geschäftsmodell eines Vertriebspartners bedeuten die „neuen“ Produkte eine sehr gute Ergänzung der Angebotspalette. Die kostengünstigen Fintech-Produkte kommen häufig Nettoprodukten gleich. Aus diesem Grund besteht seitens der Honorarberatung eine besondere Nachfrage.

Die Eintrittsbarrieren in den Markt der Robo-Advisor scheinen nicht besonders hoch. Täuscht der Eindruck?

Freitag: Zurzeit ist die Eintrittsschwelle tatsächlich niedrig, weil die „Bausteine“ für einen Robo-Advisor 1.0 – Kundenprofiling, Fondsportfolios und einfache Matching-Algorithmen zwischen Kundenprofilen und Musterportfolios – „nur“ unter einem nutzerfreundlichen, überzeugenden und möglichst mobilen Frontend zusammengefügt werden müssen. Das ist keine Raketentechnik und erfordert an sich keine hohen Investitionen.

Je intelligenter die Robo-Advisor jedoch werden, desto höher werden die Eintrittsbarrieren. Spätestens, wenn künstliche Intelligenz und Maschinen-Lernen bei den Beratungs- und Anlageprozessen eine tragende Rolle spielen, treiben Know-how- und Kapitalerfordernisse die Barrieren in die Höhe.

Setzen Sie die Aktivitäten der Branchengrößen nicht unter einen enormen Zeitdruck? Was passiert, wenn eine Deutsche Bank ernst macht und mal eben eine Marketing-Kampagne für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag startet?

Freitag: Es gibt genug Beispiele, dass auch Werbebudgets von mehreren hundert Millionen Euro wirkungslos verpufft sind. Aber es ist natürlich richtig, dass die Banken schon jetzt einen enormen Startvorteil haben. Jeder potenzielle Robo-Advisor-Kunde ist bereits bei einer Bank und könnte einfach in ein digitales Anlageangebot geleitet werden.

Andererseits zeigen Beispiele wie Number26 (jetzt N26 Bank), dass auch ohne großes Werbebudget eine kritische Masse von Kunden gewonnen werden kann, die ein Startup auf die Dimension einer kleineren Bank wachsen lässt. Deshalb ist auch der Blick auf das verwaltete Vermögen derzeit nicht der richtige. Banken sollten sich eher vor den künftigen Wettbewerbern fürchten, denen es gelingt, große Mengen von Kunden zu gewinnen. Unabhängig davon, ob sie heute damit einen Gewinn machen oder nicht und ob sie ein hohes verwaltetes Vermögen mitbringen oder nicht.

Matthias Hübner von Oliver Wyman erwartet, diese Entwicklung beobachtend, in den kommenden vier Jahren ein Wachstum der verwalteten Vermögen auf etwa 30 Milliarden Euro – das jedoch vor allem auf die Robo Advisors von Banken und Asset Managern entfällt. Von den unabhängigen Anbieter werden seiner Meinung nach nur ein oder zwei überleben. Teilen Sie diese Aussage.

Freitag: Wenn wir Robo-Advisor im engeren Sinne verstehen, ja. Dies lässt sich schon an der Entwicklung in den USA ablesen, wo es unter weit besseren Marktbedingungen eigentlich nur zwei originäre Robo-Advisor geschafft haben, eine relevante Rolle zu spielen, Betterment und Wealthfront. Aber selbst deren Schicksal als selbstständige Unternehmen ist noch offen. Sie kooperieren heute schon mit etablierten Finanzvertrieben. Das Geschäftsmodell-bedingte problematische Verhältnis von Kundenakquisekosten und erzielbaren Gebühren macht es für reine Stand-Alone-Robo-Advisor schwierig zu überleben.

Verstehen wir Robo-Advice im weiteren Sinne als digitale Anlagemodelle, sehen wir Chancen für mehrere Akteure. Firmen, die wir heute als Robo-Advisor kennen, werden weitere digitale Finanzdienstleistungen anbieten, mit denen Geld zu verdienen ist, z. B. Kredite oder ganzheitliche Finanzplanung inkl. Versicherungsangelegenheiten und Steuern. Robo-Advice-nahe digitale Anlage-Startups etwa aus den Bereichen Easy- oder Motif-Investing, die sehr viel mehr Kunden gewinnen als die klassischen Robo-Advisor, werden sich in deren Richtung bewegen.  So werden wir vielleicht wenige überlebende „pure“ Robo-Advisor haben, aber eine Reihe von digitalen Finanzunternehmen, die aus Startups hervorgegangen sind,  die dann eventuell eine eigene Bank- oder Vermögenslizenz besitzen.

Darüber hinaus werden alle Finanzdienstleister im Anlagebereich früher oder später zumindest zum Teil auch zu Robo-Advisors. Digitale und automatisierte Beratungselemente wird jeder erfolgreiche Akteur im Angebot haben müssen, um nicht aus dem Markt gedrängt zu werden – sie werden so notwendig wie heute eine eigene Website werden.

Der Robo-Advisor Fintego von der Fondsplattform Ebase bietet seine Lösungen seit Herbst vergangenen Jahres auch für einzelne Makler bzw. Finanzanlagenvermittler (nach §34f GewO) an.Bieten Sie einzelne Finanzanlagenvermittler vergleichbare Lösungen an?

Freitag: Ja, wir bieten Finanzvermittlern solche Lösungen an. Wobei wir uns zurzeit darauf beschränken, den „Anlagemotor“ zu liefern. Die für unseren Robo-Advisor entwickelten Privatbank-Portfolios können auch von Vermittlern angeboten werden. Das Pricing und der Verteilschlüssel sind dabei jeweils individuell geregelt.

Im Bereich der Altersvorsorge existiert bei Sutor ein ähnliches Angebot. Das Riesterprodukt der Firma Fairr.de bindet den Vermittler mit ein, indem auf der Internetseite von Fairr.de ein spezieller Vermittlerbereich vorgesehen ist. Ein vergleichbares Angebot im Bereich der reinen Vermögensverwaltung wäre jederzeit denkbar.

Ab welcher durchschnittlichen Anlagesumme pro Kunden können Sie profitabel arbeiten?

Freitag: Lassen wir die Marketingkosten außer Acht, arbeiten wir bereits bei regelmäßigen Sparsummen von 50 Euro/Monat oder Einmalanlagen ab 4000 Euro profitabel. Da hilft uns unsere B2B-Vergangenheit, die schon immer von kleinvolumigen Sparverträgen geprägt war. Dafür haben wir in über dreißig Jahren eine sehr effiziente Infrastruktur aufgebaut.

Verbraucherschützer und andere Marktteilnehmer fordern ein Ende der klassischen Provisionsberatung. Anlageberater sollen nicht mehr vom Produktanbieter, sondern direkt von den Kunden bezahlt werden. Was glauben Sie, wird es in Deutschland im Bereich Investmentfonds zu einem Provisionsverbot kommen? Wenn ja, wann wird das sein?

Freitag: Generell glauben wir, dass es mittelfristig zu einem Provisionsverbot kommen wird. Wir sehen eine unserer Aufgaben darin, unsere Vermittler-Partner proaktiv auf diese Zeit vorzubereiten und schon jetzt Lösungen zu entwickeln, die provisionslos für beide Seiten funktionieren.

Wie groß wäre der Schub, der Ihnen ein Provisionsverbot verleihen würde?

Freitag: Wir sind agnostisch gegenüber provisions- und gebührenbasierenden Geschäftsmodellen. Als Bank arbeiten wir im B2C-Bereich offline und digital als „Fee-only“-Vermögensverwalter und -berater. Im B2B-Bereich sind heute noch Provisionsmodelle vorherrschend. Bei uns würden sich Stand heute Schub und Bremswirkung wahrscheinlich aufheben. Wir bereiten uns und unsere Partner schon jetzt auf eine provisionslose Zeit vor.

Zwar haben Finanzanlagenvermittler weniger Pflichten im Bereich Dokumentation zu erfüllen, dürfen aber streng genommen gar keine Anlageberatung anbieten. Deshalb bemühen sich aktuell einige Robo-Advisor um eine Bafin-Lizenz. Welchen rechtlichen Status hat Ihr Unternehmen? Sind Sie tätig als Finanzanlagenvermittler (Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung) oder sind Sie Vermögensverwalter mit einer Bafin-Lizenz nach §32 KWG?

Freitag: Wir haben die Vollbank-Lizenz.

Welche konkreten Vorteile und Nachteile ergeben sich für Robo-Advisor, die als Finanzanlagenvermittler (§ 34f) tätig sind?

Freitag: Vorteile entstehen natürlich aus den wesentlich geringeren Regulierungsbürden im beratungsfreien Geschäft. Nachteile sind dafür in der Kunden-Kommunikation und der Durchgängigkeit der Prozesse in Kauf zu nehmen. Die Bank als notwendiger Partner taucht an vielen Stellen in der Kommunikation, in den Vertrags- und in den Anlageprozessen auf. Im Sinne eines starken Brandings ist das mitunter schädlich; es kann aber auch positiv als Vertrauensfaktor wirken.

Welche konkreten Vorteile und Nachteile ergeben sich für Robo-Advisor, die als Vermögensverwalter (§32 KWG) tätig sind?

Freitag: Die Vor- und Nachteile verhalten sich spiegelbildlich zu denen der Finanzanlagenvermittler: mehr Regulierung, dafür durchgängige und konsistente Kommunikation und Prozesse, ohne dass weitere Unternehmen darin auftauchen.

Darüber hinaus sind Robo-Advisor mit einer Lizenz nach §32 KWG wesentlich flexibler hinsichtlich der Anlagestrategien und (dynamischen) Asset-Allokationen, die sie für ihre Kunden innerhalb eines Vermögensverwaltungsmandats umsetzen können. Sie können hier selbstständig agieren und zum Beispiel auch algorithmisierte Risiko-Management- bzw. Anlage-Modelle anbieten. Intelligente Beratungs- und Anlageverfahren, die die Zukunft des Robo-Advice ausmachen werden, bedingen in der Regel eine Vermögensverwalter-Lizenz.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Gesetzeslage in Bezug auf die Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten von Fintechs im Allgemeinen und Robo-Advisor im Speziellen?

Freitag: Momentan gibt es vor allen Dingen eine hohe Rechtsunsicherheit sowohl auf Banken- als auch auf Robo-Advisor-Seite. Es ist nicht klar, wo die Grenzen zwischen beratungsfreiem Geschäft und Beratung verlaufen und welche Art von Lizenz ein Startup genau benötigt.  Das macht das Agieren für alle Seiten schwierig und Investoren vorsichtig. Darüber hinaus werden verschiedene Akteure im Markt unterschiedlich reguliert. An einen Banken-Robo-Advisor werden andere Regulierungsanforderungen gestellt als an einen Fintech-Robo-Advisor, der sich in einem diffusen Execution-Only-Bereich bewegt.

Welche aktuellen Regelungen bremsen das Wachstum Ihres Unternehmens am stärksten?

Freitag: Es ist eher das Fehlen von eindeutigen Regelungen, das Unsicherheit produziert und damit das Wachstum bremst.

Welche in letzter Zeit angekündigten oder umgesetzten Regelungen ärgern Sie am meisten?

Freitag: Falls die Video-Identifikation tatsächlich, wie die inzwischen wieder zurückgenommene Verschärfung vorsah, umgesetzt würde, wäre das ganz klar ein Ärgernis.

Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fonds-Vermittler müssen regelmäßig überprüfen, ob das vermittelte Produkt immer noch für die Zielgruppe geeignet ist und dürfen sich nicht auf die Angaben der Produktgeber verlassen. Vermittlern wird hier ein riesiger administrativer Aufwand vorhergesagt. Inwieweit sind Sie von dieser Regelung betroffen?

Freitag: Als Bank müssen wir die Regeln der Product Governance voll umfänglich umsetzen.

Kommt diese Regelung Ihrer Geschäftsentwicklung zugute, weil sie für Ihre Wettbewerber (einen hohen administrativen Aufwand mit sich bringt?

Freitag: Diese Regulierung kommt allgemein digitalen Unternehmen zugute, die die Dokumentationspflichten weitgehend automatisieren können. Vereinfacht gesagt, müssen sie ihre Kunden „nur“ regelmäßig eine Angemessen- und Geeignetheitsprüfungsstrecke durchlaufen lassen, dies automatisiert aufzeichnen und gegebenenfalls bei signifikanten Änderungen in den Dialog mit den Kunden treten.  Als Bank, die sich stark mit digitalen Anlagemodellen befasst, rechnen wir tatsächlich mit Vorteilen für unsere Geschäftsentwicklung. Wir sehen es aber auch als unsere Aufgabe, für Partner diesen administrativen Aufwand ebenfalls zu reduzieren, dies wiederum mit digitalen Mitteln.

Viele Experten sagen ein mehr oder weniger umfangreiches Berater-Sterben infolge von Mifid II voraus. Die wenigen verbleibenden Berater werden sich fast ausschließlich auf finanzkräftige Kunden (zirka 5 Prozent der Deutschen) konzentrieren. Sehen Sie sich als klarer Gewinner dieser Regulierung des Finanzvertriebs? Schließlich ist Ihr Unternehmen ein Auffangbecken für die restlichen 95 Prozent der Bevölkerung.

Freitag: Wiederum eine zweigeteilte Antwort: Aus heutiger Perspektive würde uns ein Berater- bzw. ein Vermittler-Sterben als B2B-Bank treffen. Aber wir bleiben in unserer Entwicklung nicht stehen: Erstens entwickeln wir unser Berater-Angebot so weiter, dass das „Sterben“ unserer Partner verhindert wird und sie auch weiterhin Kunden mit kleineren „Ticketgrößen“ bedienen können. Zweitens entwickeln wir digitale Lösungen und Plattformen, die Kunden eine automatisierte oder hybride Beratung bieten, wenn sie das wollen, oder ihre Anlagevermögen für eine rentierliche persönliche Beratung nicht ausreichen.

Von: Felix Hannemann

Quelle: Das Investment

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