Das Investment: Schwellenländer: Die Wachstumsraten sinken – und zwar nachhaltig

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 02.09.2015. Die Schwellenländer wachsen langsamer. Das ist kein vorübergehendes Problem. Das Leistungsvermögen der Volkswirtschaften nimmt generell langsamer zu.

„Die nächste globale Rezession ist made in China“ – was Ruchir Sharmaan kündigt, will so gar nicht ins Bild von China als Retter der Weltwirtschaft passen. Doch der Chef für globale Schwellenländer bei Morgan Stanley Investment Managementmeint es ernst.

„Wie viel Kontrolle hat die Regierung wirklich über ihre Wirtschaft und ihren Aktienmarkt“, fragt er in einem Interview mit dem Nachrichtensender „Bloomberg TV“. Damit spielt er darauf an, dass in China derzeit einiges drunter und drüber geht.

China ist nur ein Teil einer neuen Entwicklung in der Weltwirtschaft: Die globalen Schwellenländer wachsen langsamer. Ob es gleich die von Sharma befürchtete Rezession sein wird, lassen wir mal dahingestellt. Auf jeden Fall werden die relativen Zahlen kleiner. Natürlich ist das einerseits dem Basiseffekt geschuldet: Je größer man wird, desto schwieriger ist es, prozentual in gleichem Tempo zuwachsen. 7 Prozent China-Wachstum entsprechen heute in Dollar gerechnet einem 34-Prozent-Wachstum vor zehn Jahren.

Die Bundesbank ging kürzlich in ihrem Monatsbericht auf das Thema ein und meinte: „Ein bemerkenswertes Kennzeichen der Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern ist, dass sie von dem Gros der volkswirtschaftlichen Beobachter nicht vorausgesehen wurde.“ So habe der Stab des Internationalen Währungsfonds in fast allen Ausgaben seines Wirtschaftsausblicks seit 2011 die Aussichten für die Schwellenländer senken müssen. Das spricht für die volkstümliche These, dass Volkswirte am besten dazu geeignet sind, wirtschaftliche Entwicklungen im Nachhinein zu erklären.

Die Bundesbank hält das sinkende Wachstum für ein nachhaltiges Phänomen und vermutet, dass sich das Produktionspotenzial vermindert hat. Diese theoretische Größe gibt an, was eine Wirtschaft bei normaler Auslastung leisten kann. Sie ermittelt sich daraus, wie gut die Arbeitskräfte sind, die Produktionsmittel und die Produktivität. Und bei diesen Komponenten hapert es zunehmend.

Die Gründe sind so vielfältig wie die Länder. In China selbst seien die Effekte früherer Reformen inzwischen ausgelaufen, heißt es von der Bundesbank. Am Arbeitsmarkt sei es enggeworden, sodass die Lohnkosten massiv gestiegen seien. Und die hohen Investitionen des Staatsseien auch nicht immer sehr treffsicher gewesen. In der Volkswirtschaft heißt dasFehlallokation – Geld fließt in zum Teil unsinnige Projekte, die die Wirtschaft nicht weiterbringen.

Andere Länder, andere Probleme: Staaten mit großen Rohstoffvorkommen haben es nach dem ausgedehnten Aufwärtstrend der Preise versäumt, ihre Wirtschaft auf ein breiteres Fundamentzu stellen. Eine interessante Größe ist das Verhältnis aus Rohstoffexporten gemessen an den gesamten Einnahmen im Ausland. Hier führt laut einer Aufstellung der Rating-Agentur FitchVenezuela mit 94 Prozent.

Auf Platz 2 liegt Russland, das zwei Drittel seiner Exporteinnahmen aus Rohstoffen erzielt. Und auf dem dritten Platz liegt Brasilien, das auf 53 Prozent kommt. Als die Rohstoffpreise noch deutlich höher lagen, hatten sich diese Länder an die Einnahmen gewöhnt und ihre Ausgaben ebenfalls nach oben geschraubt. Heute leiden sie überdurchschnittlich an den gesunkenen Preisen, während Rohstoffimporteure entsprechend weniger zahlen.

Am besten steht in dieser Hinsicht China da, das nur 6 Prozent seiner Gesamteinnahmen aus Rohstoffen holt. Die Länder reagieren zum Teil ungeschickt auf die neue Situation.

So bemängelt der Schwellenländer-Stratege Maarten-Jan Bakkum von NN Investment Partners den Hang von Brasilien und Südafrika sich in die Wirtschaft einzumischen, anstatt für mehr Flexibilität zu sorgen. Das Investitionsklima könne in beiden Ländern besser sein, und beide könnten starke Wirtschaftssektoren jenseits des Rohstoffexports haben. Haben sie aber nicht.

„Brasilien gerät in eine starke Rezession, und Südafrika wächst um nur 2 Prozent mit einer Arbeitslosenquote, die in Richtung 30 Prozent steigt“, sagt Bakkum. Anderen Ländern fällt ihrealternde Bevölkerung vor die Füße. Und noch andere bekommen ihre Korruption nicht in den Griff. Die Mängel wurden durch den Wirtschafts-Boom lange kaschiert, doch sie treten mehr und mehr zutage.

Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Produktnachfrage aus den Industrieländern durch deren eigene Krisen deutlich nachgelassen hat. Ganz untätig bleiben die Länder aber nicht. So hat inzwischen ein Gegenentwurf zum Internationalen Währungsfondsseine Arbeit aufgenommen.

Die Bric-Länder Brasilien, Russland, Indien und China sowie Südafrika haben die New Development Bank (NDB) gegründet. Jedes Land zahlt 10 Milliarden Dollar ein, zudem soll die Bank Anleihen ausgeben. So könne sie Projekte für 68 Milliarden Dollar im Jahr finanzieren, zitiert die „Welt“ die Volkswirtin Stephany Griffith Jones von der Columbia Universität. Der Grund für die Maßnahme liegt auf der Hand: Die beteiligten Länder fühlen sich im IWF und in der Weltbank gemessen an ihrer inzwischen erreichten Wirtschaftskraft nicht ausreichend repräsentiert. Und sie wollen sich vom finanziellen Auf und Ab der westlichen Industrienationen lösen. Das kann funktionieren, zumal noch weitere Länder für Beteiligungen an der NDB im Gespräch sind.

Eher amüsant wirkt dagegen der russische Plan, eine eigene Rating-Agentur zu gründen und den westlichen Agenturen S&P, Moody’s und Fitch Konkurrenz zu machen. Der russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew bemängelte den „Political Bias“, also die politische Färbungder Agenturen. Die eigene Agentur soll objektiv und unabhängig sein. In Russland. Wer’s glaubt.

Von: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

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