Das Investment: USA vs. China: Wo die wahren Probleme liegen

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Investoren fürchten, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China eskaliert und damit die Weltwirtschaft bedroht. Es lohnt sich, die Situation möglichst nüchtern zu betrachten. Wer kennt sie nicht, die Streitigkeiten im Kinderzimmer? Der große Bruder schubst die nicht ganz so große Schwester. Die wiederum revanchiert sich, indem sie dem größeren an den Haaren zieht. Mittendrin der kleine Bruder, der sich – möglicherweise aus Versehen (oder auch nicht) – einen Tritt einfängt und dann seinerseits zurückboxt. Die Keilerei wogt hin und her, mit dem Ergebnis, dass die Stimmung im Kinderzimmer sprichwörtlich im Eimer ist. Irgendwann kommen dann die Eltern und schlichten.

Ein bisschen so wirkt auch der Handelsstreit zwischen den USA und China, mittendrin die Europäer. Man schubst, wird geschubst und schubst zurück, wird geschubst und schubst wieder zurück. Immer mit ein wenig mehr Schmackes. Wobei die Schubserei keine Gewinner kennt. Im besten Falle verliert man selbst nicht ganz so viel wie die anderen. Aber ist das eine erbauliche Perspektive?

Das Problem ist: Es gibt keine Eltern, die schlichten könnten. Umso wichtiger ist es, dass Ökonomen, Unternehmer und Investoren nicht müde werden, die Streithähne zu ermahnen. Spielt doch endlich fair! Hört auf mit Zöllen und Handelshemmnissen!

Wohin führt der Handelsstreit?

Die große Frage, die wir Investoren uns stellen ist die Frage, was aus der Schubserei noch werden wird? Eine handfeste Schlägerei? Vielleicht sogar noch mehr? Um darauf sinnvoll antworten zu können, lohnt es, zu klären, warum überhaupt gestritten wird. Schauen wir also zunächst auf denjenigen, der in diesem konkreten Streit scheinbar zuerst geschubst hat, schauen wir auf Donald Trump. Schauen wir auf dessen wichtigste Wahlversprechen.

Die groß angekündigte Steuerreform hat er verabschiedet – und setzt damit durchaus einen positiven konjunkturellen Impuls. Seine Gesundheitsreform dagegen ist krachend gescheitert. Und der Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze ist zwar mit weniger als zwei Milliarden US-Dollar in den Finanzplanungen veranschlagt, würde aber vermutlich rund 25 Milliarden kosten. Zu viel. Sein Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Viel Show, gewiss, aber es ist immer besser miteinander zu reden als übereinander zu twittern. Unterm Strich also auch ein Erfolg für Trump, wenngleich er damit daheim keine Wähler gewinnt.

Das sind Trumps Motive

Alles in allem also mindestens genauso viele Probleme wie Erfolgsmeldungen, die Trump derzeit hat. Um das zu ändern, sucht er sich ein Thema, bei dem er – etwas flapsig ausgedrückt – zwar maximalen Lärm verursachen kann, es ihn aber kaum etwas kostet: den Außenhandel. Im Wahlkampf hatte er schließlich versprochen, die US-Wirtschaft und deren Arbeiter vor den Dumpingproduzenten aus Übersee zu schützen.

Zuallererst hat er sich die Chinesen vorgeknöpft. Auf rund 1.100 Produkte (Volumen rund 50 Mrd. US-Dollar) made in China verhängt er ab Juli einen 25prozentigen Strafzoll; China kontert mit Zöllen in gleichem Volumen auf mehr als 600 US-Produkte. Klingt viel, ist es aber gar nicht. Das Bruttoinlandsprodukt der USA, also die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, beträgt rund 20 Billionen US-Dollar, die der Chinesen immerhin 14 Billionen. Wie schwer wiegen da 50 Mrd. US-Dollar?

Die Europäer geraten zwischen die Fronten und zunehmend in den Fokus der USA, allen voran Deutschland, dessen Außenhandelsüberschuss gegenüber den Amerikanern Donald Trump gar nicht gefällt und von ihm lautstark als Beleg für eine aus Sicht der USA zutiefst unfaire Handelsbeziehung gedeutet wird. Auch hier die Frage: Was soll das, außer Lärm zu produzieren?

Wer spielt eigentlich foul?

Ganz bewusst verweist Trump auf die Handelsbilanz und nicht auf die Leistungsbilanz, die nicht nur die gehandelten Waren, sondern auch die Dienstleistungen beinhalten würde. Er tut also so, als würden Facebook oder Google gar nicht existieren bzw. nicht von ihren Nutzern in Europa und Deutschland profitieren. Bezöge er sich auf die Leistungsbilanz, dann gäbe es auch nichts zu meckern, denn die ist sogar leicht positiv für die USA.

Kurzum: Trump bedient mit seinem Poltern vor allem die Stimmung jener Berufsgruppen in den USA, die von der Globalisierung bedroht sind, die Stahlarbeiter beispielsweise, die ihn mehrheitlich gewählt haben dürften. Aus deren Sicht hält Trump sein Wahlversprechen – und sammelt so Pluspunkte für seine Wiederwahl.

Wir gehen deshalb davon aus, dass die Scharmützel begrenzt bleiben, aber der Krach, der gemacht wird, durchaus taugt, das Investitionsumfeld und damit die Kapitalmärkte noch eine ganze Weile zu belasten. Die Volatilität (Kursschwankungen) dürfte uns unseres Erachtens erhalten bleiben.

China macht dicht – immer noch

Ganz wichtig ist uns aber noch etwas anderes: Wir Europäer tun gut daran, uns nicht „radikalisieren“ zu lassen. Trump ist kein Sympathieträger, gewiss nicht. Aber wenn es darum geht, diejenigen zu benennen, die den Welthandel bedrohen oder unfair spielen, ist es nicht allein der US-Präsident, auf den wir uns konzentrieren sollten. Schauen wir auch auf China, die zweitgrößte Volkswirtschaft.

China ist einer der großen Profiteure der Globalisierung. Es liefert heute in großen Mengen Waren in alle Welt – und profitiert dabei von den geringen Handelsschranken seiner Partner, der kostenlosen Ausbildung chinesischer Studenten an beispielsweise Hochschulen in Deutschland oder der Hochtechnologie, die europäische und amerikanische Unternehmen nach Fernost liefern.

Millionen von Chinesen hat die Globalisierung in den vergangenen Jahren zumindest einen gewissen Wohlstand verschafft. Eine Mittelschicht ist entstanden – und das ist sehr gut so. Aber es ist nur die eine Seite der Medaille.

Die andere zeigt ein China, das seinen eigenen Markt noch immer weitgehend verschließt für seine „Partner“. Unternehmen haben es nach wie vor schwer, Fuß zu fassen im Reich der Mitte. Wenn überhaupt, dann dürfen sie sich an Joint Ventures beteiligen, streng reglementiert und gegängelt, was unseres Erachtens allein dem Umstand geschuldet ist, dass China technologisches Know-how absaugen will. Stark vereinfacht und verkürzt ausgedrückt ist Globalisierung aus Sicht der Chinesen nur dann gut, wenn sie zuallererst den eigenen Interessen dient. Das gleiche gilt übrigens für den chinesischen Kapitalmarkt, immer noch eine mehr oder weniger geschlossene Gesellschaft.

Schauen wir uns abschließend kurz einige Zahlen zur Belastung durch Zölle an. Während Amerikaner Produkte aus China durchschnittlich mit Zöllen von 2,9 Prozent belegen, schlägt China umgekehrt bei amerikanischen 6,3 Prozent oben drauf; bei deutschen Produkten sind es sogar fast neun Prozent.

Im Westen, vor allem in Europa, wird diese China-kritische Debatte nur sehr leise geführt – aus Furcht, die Chinesen könnten die Tür gänzlich zustoßen und damit die hochtrabenden Wachstumserwartungen zunichtemachen. China ist als Absatzmarkt schlicht zu wichtig, als dass man sich zu laut beschweren würde. Dann doch lieber nehmen, was zu bekommen ist. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe sieht unseres Erachtens anders aus.

Dabei täte eine Öffnung der chinesischen Märkte nicht nur der Welt, sondern auch den Chinesen selbst sehr gut. Je niedriger die weltweiten Handelsbeschränkungen, desto höher der Wohlstandsgewinn für alle. An diesem Befund hat sich nichts geändert.

Ob es so kommen wird? Ich habe da meine Zweifel. Staatspräsident Xi Jinping steht für eine andere Politik, für einen Marxismus 4.0, wenn man so will. Für Kontrolle. Das was er tut, tut er jedoch wesentlich leiser, als Donald Trump es tut. Und weil das so ist, durfte sich Xi sich in diesem Jahr beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos als Streiter für eine offene Weltwirtschaft positionieren – was er wohl nicht ist. Das sollten wir in dieser Debatte nicht vergessen.

Von: Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch

Quelle: Das Investment

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