Das Investment: Zinswende: Droht der nächste Crash bei offenen Immobilienfonds?

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 28.08.2015. Panikmache oder gerechtfertigte Krisenangst? Scope-Analystin Sonja Knorr erklärt, welche Auswirkungen eine Zinswende auf offene Immobilienfonds hat.

DAS INVESTMENT: Allein im Mai dieses Jahres kletterte der Zins für Hypothekendarlehen mit zehnjähriger Bindung um 0,4 Punkte auf 1,3 Prozent. Das hört sich wenig an, ist aber so viel wie seit acht Jahren nicht mehr. Ist das schon die Zinswende?

Sonja Knorr: Nein, noch nicht. Die Bauzinsen sind immer noch auf einem historischen Tiefstand. Kurz vor der Finanzkrise 2008 lagen sie bei rund 5 Prozent. Davon sind wir weit entfernt.

Ein Großteil der Marktteilnehmer rechnet nicht vor 2017 mit einer Zinswende. An den Immobilienmärkten ist das übermorgen. Was bedeutet das für offene Immobilienfonds?

Knorr: Da die Fonds derzeit wieder deutlich beliebter sind und entsprechend hohe Zuflüsse haben, sind ihre Liquiditätsquoten ebenfalls recht hoch. Die aktuell niedrige Verzinsung drückt darum auf die Rendite. Steigen die Zinsen, ist das isoliert betrachtet für die Liquiditätsrendite der Fonds erst einmal positiv.

Gleichzeitig wird die Finanzierung der Immobilien aber teurer.

Knorr: Das stimmt. Das ist vor allem eine Frage des Timings. Ob sich die Fondsmanager rechtzeitig die günstigen Zinskonditionen für einen längeren Zeitraum sichern, bleibt abzuwarten. Noch wird variabel finanziert, da die Verzinsung im aktuellen Umfeld am günstigsten ist.

Eine Umfinanzierung ist kein Problem?

Knorr: Nein, offene Immobilienfonds dürfen nur maximal 30 Prozent des Portfolios fremdfinanzieren. Damit haben sie einen sehr niedrigen Beleihungsauslauf und ein sehr geringes Risiko. Sie sind Bankers Liebling. Eine Umfinanzierung oder das Fixieren einer längeren Zinsbindung ist aus diesem Grund auch bei steigenden Zinsen nicht problematisch. Von dieser Seite besteht auf jeden Fall kein großes Risiko einer starken Wertkorrektur.

Und von der Seite der Immobilienbewertung?

Knorr: Auslöser für steigende Zinsen ist meist eine steigende Inflation. Im gewerblichen Bereich sind die Mieten in der Regel indexiert. Das heißt, mit steigenden Zinsen würden auch die Mieten steigen.

Was passiert, wenn im Zuge von Griechenland-Rettung und China-Crash die deutsche Wirtschaft stottert?

Knorr: Ist die Wirtschaftsentwicklung nicht so rosig, spiegelt sich das auch an den Immobilienmärkten wider, allerdings mit einer leichten Zeitverzögerung. Die Nachfrage sinkt und somit meist auch die Mieten und Objektwerte. Aber es spielen auch noch andere Komponenten eine Rolle. Derzeit kommen viele ausländische Investoren auf den Markt. Das erhöht die Nachfrage, schafft Knappheit und lässt die Preise steigen. Die lassen sich auch von moderat steigenden Zinsen nicht abschrecken. Andererseits haben aber etwa die Büromärkte grundsätzlich mit strukturellen Problemen zu kämpfen, unabhängig von einer Zinswende.

Das heißt?

Knorr: In der Vergangenheit war die Nachfrage hoch, da der Dienstleistungssektor massiv ausgebaut wurde. Doch hier ist jetzt die Obergrenze erreicht. Viele Firmen optimieren inzwischen lieber. Anstatt mehr Fläche zu mieten, setzt man pro Mitarbeiter weniger Fläche ein. Wachstum aus der Wirtschaft kommt darum kaum noch. Das drückt tendenziell auf die Büromieten.

Noch ist davon aber nicht viel zu bemerken. Die Nachfrage nach Objekten in bester Lage ist hoch, das Angebot kommt nicht hinterher. Viele Investoren kaufen darum Projektentwicklungen. Wird jetzt zu viel gebaut?

Knorr: Noch nicht. Die Bautätigkeit ist an den meisten Standorten im Rahmen. Wir sehen aktuell keine Übertreibungstendenzen, die in Zukunft auf die Mieten drücken könnten.

Wie sollten sich Fondsmanager für die Zinswende in Stellung bringen?

Knorr: Sie sollten sich jetzt von Objekten trennen, die nicht mehr zukunftsfähig sind, und sich auf Immobilien an guten Standorten konzentrieren, die sich auch in schwierigen Zeiten vermieten und verkaufen lassen. Die Objekte sollten einen stabilen Cashflow liefern und möglichst mehrere Mieter haben. Dann können die Manager auch bei kurzfristigen Änderungen schnell reagieren.

Angst habe ich jetzt noch nicht. Von welcher Seite droht denn überhaupt Gefahr bei einer Zinswende?

Knorr: Was zum Thema werden kann, ist die Attraktivität im Vergleich zu anderen Anlagen. Derzeit sehnen sich Anleger nach Sicherheit. Viel Rendite bringt das nicht. Die Performance offener Immobilienfonds liegt im Schnitt bei 2 bis 2,5 Prozent pro Jahr. Sie kann sicherlich langfristig wieder auf 3 bis 4 Prozent steigen, aber dann ist die Grenze erreicht, allein schon aufgrund der Sicherheitsorientierung und der Liquidität, die die Fondsmanager vorhalten müssen. Steigen die Zinsen, werden andere Investments, wie Anleihen, wieder interessanter, und Anleger schichten um.

Dann geht‘s bergab?

Knorr: Ich rechne bei den aktuellen Rahmendaten nicht damit, dass nur wegen der Zinswende auf einmal alle Anleger wieder durch dieselbe Tür wollen. Außerdem würde ein Run auch durch die neue Regulierung ein Stück weit abgefedert werden. Die zweijährige Mindesthaltedauer ist zwar irgendwann abgelaufen, aber dann gibt es ja auch noch die einjährige Kündigungsfrist.

Trotzdem kann es doch immer noch zu Fondsschließungen kommen.

Knorr: Das Risiko bleibt grundsätzlich bestehen. Es ist und bleibt ein Produkt, dessen Investments nicht von heute auf morgen liquidierbar sind. Doch Immobilienzyklen kippen nicht ausschließlich aufgrund steigender Zinsen, sondern weil sich die Nachfrage- und Angebotsstruktur und nicht zuletzt gesamtwirtschaftliche Entwicklungen ändern. Außerdem ist die Vertriebs- und Anlegerstruktur der noch offenen Fonds anders als bei den betroffenen Fonds der vergangenen Krise.

Inwiefern?

Knorr: 2008 kamen vor allem Fonds in Bedrängnis, deren Anteile überwiegend über Privatbanken, Vermögensverwalter und Vermittler vertrieben wurden und die sehr viel institutionelles und semiinstitutionelles Geld eingesammelt hatten. In den Fonds von der Deka, Union Investment, Deutschen Bank und der Commerzbank, die die Krise überlebt haben, sind vor allem Privatanleger investiert, und sie werden hauptsächlich über ihre Mutterbanken verkauft.

Von: Astrid Lipsky

Quelle: DAS INVESTMENT.

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