Das Investment: „Deutschlandrente würde zu enormen Verwerfungen im Markt führen“

sjb_werbung_das_investment_300_200Riester- und Rürup-Rente sind nicht genug: Drei hessische Minister schlagen nun Deutschlandrente als zusätzliche Altersvorsorge vor. DAS INVESTMENT.com fragte unter anderem bei Versicherungsverbänden nach, was sie von dem Konzept halten. Hier die Antworten von Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK).

Hintergrundinfo: Um Altersvorsorge für Bürger attraktiver zu machen und Altersarmut zu verhindern, schlagen Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, Sozialminister Stefan Grüttner und Finanzminister Thomas Schäfer das Altersvorsorge-Konzept Deutschlandrente vor.

Das Standardprodukt soll zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet werden. Jeder Arbeitnehmer, der nicht widerspricht, soll automatisch jeden Monat einen Beitrag in das Rentenprodukt einzahlen (Opt-Out-Modell). Der Deutschlandfonds legt das Geld an. Weitere Informationen finden Sie hier

DAS INVESTMENT.com: Halten Sie die Deutschlandrente in der Form, wie die die drei Minister vorschlagen, für ein realistisches Modell?
Michael H. Heinz: Wir halten das Konzept nicht für realistisch, weil der Markt für Altersvorsorgeprodukte mit Riester, Rürup sowie mit den zahlreichen Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge vielfältig genug ist. Es braucht daher nicht noch einen weiteren Durchführungsweg, um für das Alter vorzusorgen, zumal die bestehenden Angebote von den Bürgerinnen und Bürgern bisher nicht voll ausgeschöpft werden.

Wo sehen Sie Schwachstellen des Deutschlandrente-Konzepts?

Heinz: Es gibt viele Schwachstellen bei der Deutschlandrente. Ein staatlich handelnder Fonds würde zunächst den Wettbewerb krass verzerren und die privaten Anbieter von Altersvorsorgenprodukten wegen dem vorgesehenen Opt-out Modell benachteiligen. Für die Kunden ist er jedoch nachteilig, weil er nach dem ‚Gießkannen-Prinzip‘ investiert und kundenindividuelle Anspar- und Investitionsmöglichkeiten nicht vorsehen kann, wenn er für alle gleichermaßen gelten soll.

>> Was Walter Riester, Namensgeber der Riester-Rente, über das Konzept denkt, erfahren Sie hier

Problematisch halten wir darüber hinaus die Kontrolle der Deutschlandrente durch staatliche beziehungsweise vom Staat beauftragte Stellen. Hier könnten in Zukunft vor dem Hintergrund der staatlichen Verschuldung Begehrlichkeiten geweckt werden, so dass das von den Bürgerinnen und Bürgern angesparte Altersvorsorgekapital zweckentfremdet werden könnte. Das ist auch in jüngster Vergangenheit in anderen europäischen Ländern mit staatlichen Vorsorgefonds geschehen.
Und welchen Nutzen hätte das Modell im Vergleich zu bereits bestehenden Renten-Produkten wie zum Beispiel Riester-Rente?

Heinz: Wir können bisher keinen Zusatznutzen erkennen.

Halten Sie das Opt-Out-Modell für geeignet, Altersarmut vorzubeugen?

Heinz: Als ehrbare Versicherungskaufleute sind wir immer für eine faire Behandlung unserer Kunden und ihr Selbstbestimmungsrecht. Daher sind wir auch für Lösungen, die auf Freiwilligkeit basieren und an die Einsichtsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger für die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge appellieren. Allerdings könnten die politischen Entscheidungsträger diese mehr fördern, beispielsweise durch höhere steuerliche Berücksichtigung sowie durch eine Erhöhung der Riester-Förderung, die seit 2008 leider eingefroren ist.

Kritiker der Deutschlandrente befürchten unter anderem, dass ein derart schwerer, zentral verwalteter Fonds, Marktverzerrungen bewirken könnte. Wie sehen Sie das?

Heinz: Das sehen wir ähnlich. Ein Staatsfonds mit sehr viel Kapital, der dazu erst einmal für alle verpflichtend ist, würde den Markt der Altersvorsorge-Produkte erheblich verzerren.

Mit der Deutschlandrente würde der Staat die Altersvorsorge weitgehend in die eigene Hand nehmen und so Finanzberatern eine wichtige Einnahmequelle entziehen. Sehen Sie das Geschäft der Finanzberater dadurch bedroht?

Heinz: Auf jeden Fall! Das wäre für unseren Berufsstand der Versicherungsvermittler sowie alle anderen von Ihnen aufgeführten eine sehr große Benachteiligung. Hinzu kommt noch, dass Versicherungsvermittler durch zahlreiche Regulierungen in den letzten Jahren sowieso schon gebeutelt sind, was für Zehntausende von Einfirmenvertretern und Maklern das faktische Aus bedeuten könnte.

Und wie groß schätzen Sie die Einbußen bei Fondsgesellschaften und Versicherern ein?

Heinz: Genaue Prognosen über die Investitionsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger können zurzeit nicht solide abgegeben werden. Aber was man auf jeden Fall schon sagen kann, ist, dass es zu enormen Verwerfungen im Markt führen würde, mit wahrscheinlich entsprechenden negativen Beschäftigungseffekten bei den Agenturen, Versicherungen und Fondsgesellschaften.

Der deutsche Versichererverband GDV will mit einem 7 Punkte-Plan die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) erhöhen. Wie bewerten Sie das bewährte bAV-Modell zum Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge für Arbeitnehmer im Vergleich zur vorgeschlagenen Deutschlandrente?

Heinz: Wir bevorzugen den 7 Punkte-Plan des GDV im Vergleich zum Konzept der Deutschlandrente. Denn er enthält die meisten der von uns empfohlenen Elemente, wie etwa die Freiwilligkeit, Schaffung von größeren Anreizen für die bAV, besonders bei diejenigen, die über ein geringes Einkommen verfügen, bessere Nutzung der Entgeltumwandlung, Reduktion der Komplexität bei den Förderrichtlinien und Verbesserung der Transparenz.

Von: Svetlana Kerschner

Quelle: DAS INVESTMENT.

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