Das Investment: Geldpolitik der Notenbanken: „Es sieht wie eine Falle aus“

Was passiert, wenn Zentralbanken keine Anleihen mehr kaufen? Was könnte dem Aktienmarkt das Genick brechen? Und wohin mit den Schulden? Eine hochkarätige Expertengruppe beantwortet auf dem Amundi World Investment Forum die Fragen der Presse.

Ein bisschen müde (und hungrig?) wirkten sie schon, als sie noch einmal aufgereiht da saßen und sich der Presse stellten. Es war am 29. Juni gegen sieben Uhr abends im Konferenzsaal des Carrousel du Louvre, Paris. Nicht sonderlich spät, aber die Herren hatten einige Stunden Konferenz hinter sich, mit Diskussionsrunden, Interviews, Einzelgesprächen. Und irgendwie war klar, welches Thema auch jetzt auf den kleinen, weißen Tisch kommt: Die Aktionen der Zentralbanken, und wie man aus der Sache elegant wieder rauskommt. Ein Journalist weist den Amundi-Investmentchef Pascal Blanqué darauf hin, er hätte die lockere Geldpolitik (Quantitative Easing, QE) einmal als Falle bezeichnet.

“Die DNS der westlichen Zentralbanken hat sich verändert”

„Die DNS der westlichen Zentralbanken hat sich verändert, was Ziele, Führungsverhalten und Werkzeuge betrifft. Das Gute ist, dass QE oft als reine Ausnahme gesehen wird. Aber es ist eben auch nicht im Werkzeugkasten der Zentralbanken enthalten“, sagt Blanqué. Und nun müsse man aussteigen, habe aber die Spekulationsblasen bei Vermögenswerten. Deshalb könne sich der ganze Effekt nun ins Negative verkehren. Wenn es dann in der Wirtschaft mal schlechter laufe, bleibe nur noch wenig Spielraum auf der Zinsseite, und man könne dann wieder zu sogenannten Ausnahme-Maßnahmen gezwungen werden. „In diesem Sinne sieht es für mich wie eine Falle aus“, schließt Blanqué.

Von überschäumendem Optimismus kann in dieser Runde keine Rede sein. Im Gegenteil. So erklärt Harvard-Professor Martin Feldstein: „Die US-Wirtschaft ist zwar jetzt in guter Form, aber eben auch anfällig, weil die Finanzmärkte hoch bewertet sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für US-Aktien liegt um 70 Prozent über seinem langfristigen Durchschnitt, und die reale Rendite zehnjähriger Staatsanleihen sollte nicht wie aktuell bei null, sondern bei 1 oder 2 Prozent liegen.“

Wenn aber die Kurse irgendwann sinken, könnte das Konsumausgaben und damit die Wirtschaft belasten. Kurzfristige Gründe dafür könnten ein Einbruch am Immobilienmarkt und die normalisierten Leitzinsen sein, so Feldstein. Und langfristig, dass die Fed ihre mit Anleihen aufgepumpte Bilanz wieder abbaut. In diesem Zusammenhang weist er gleich mal auf die enorm gestiegenen, immer noch vorhandenen Schuldenberge hin, denen man nur mit Steuerreformen beikommen könne.

Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen werden in Richtung 3 bis 3,5 Prozent steigen

Dazu passt etwas, das Wirtschaftswissenschaftler Robert Gordon in einer Diskussionsrunde am Nachmittag angekündigt hatte: „Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen werden in Richtung 3 bis 3,5 Prozent steigen. Und das wird dem Aktienmarkt das Genick brechen, denn die dort angenommenen Renditen kommen dann zurück auf den Boden der Tatsachen.“

Tatsächlich brennt die Frage unter den Nägeln, was passiert, wenn die Zentralbanken keine Anleihen mehr kaufen und die bislang gekauften einfach auslaufen lassen. „Unwinding“, also „Rückabwickeln“ heißt das im Fachjargon. Werde also das Unwinding die nächste Finanzkrise auslösen, will ein Journalist wissen.

Dazu Raghuram Rajan, Finanzprofessor an der Chicago Booth School of Business: „Die Antwort lautet: Niemand weiß es. Die USA sind zwar schon aus den Anleihekäufen ausgestiegen, aber viele kaufen ja noch weiter, insbesondere andere Zentralbanken. Wenn aber etwas unerwartetes passiert, kann das die Finanzmärkte erschüttern.“ Wobei der Schuldenberg selbst das gar nicht auslösen werde, meint Rajan und bemüht die Phrase von den unbekannten Unbekannten („unknown unknowns“). Es sei müßig über die zu spekulieren. Aber: „Wenn die Geldpolitik nicht mehr so gut stützt, wird es schwieriger, Schocks zu absorbieren.“

Dann will DAS INVESTMENT wissen, wie man am besten dieser Schuldenberge Herr wird. Durch Inflation entwerten? Einfach streichen? Oder gar zurückzahlen?

„Weniger ausgeben und Steuern erhöhen”

Feldsteins Antwort: „Weniger ausgeben und Steuern erhöhen. Die Steuern zu erhöhen, ist der zweitbeste Weg, um Defizite abzubauen. Wenn Sie die Defizite nicht verringern, werden die Schulden weiterwachsen. So einfach ist das.“

Ja so einfach, aber eben auch nicht sehr erbaulich. Denn höhere Steuern bremsen die Wirtschaft. Feldstein dazu: „Wenn Schulden weiter und weiter wachsen, ist das ebenfalls eine sehr riskante Strategie.“

Will noch jemand auf die Frage einsteigen? Fast alle zucken die Schultern. Dann meldet sich Simon Fraser, ein Diplomat, der mal Staatssekretär im Außenministerium des Vereinigten Königreichs war: „Das überlasse ich den Volkswirten. Ich weiß aber, dass die Frage wichtig ist. Mir scheint, dass die hohen öffentlichen Ausgaben und die sozialen Systeme in Europa die Länder gegenüber dem Populismus stabilisiert haben. Das ist ganz anders als etwa in den USA und UK, wo Populismus ein anderes Ausmaß erreicht hat. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das stimmt, aber es erscheint mir so.“

Da ist sicherlich was dran. Und es zeigt einmal mehr, wie viele Schichten das Problem hat und dass die Lösung alles andere als einfach ist. Trotzdem hatte sich die illustre Runde redlich bemüht, diese Fragen (und noch einige mehr) der Presse zu beantworten. Und damit ihr Abendbrot verdient.

Autor: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

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