Das Investment: Honorarberatung: „Großbritannien ist Vorreiter, aber keine Blaupause für Deutschland“

sjb_werbung_das_investment_300_200Großbritannien wird immer wieder als Modell für Beratungsqualität und alternative Vergütungsmethoden genannt. Eine Diskussionsrunde auf dem Honorarberaterkongress in Hanau differenziert dieses Bild und räumt mit irrigen Annahmen auf.

Seit Anfang 2013 gilt im Vereinigten Königreich die Retail Distribution Review (RDR), eine eigenständige Regulierung der britischen Finanzaufsicht, die ein Provisionsverbot für die Vermittlung von Kapitalanlagen und Vorsorgeprodukten nach sich zog. Während in anderen Produktbereichen nach wie vor Provisionen gezahlt werden, hatte RDR nachhaltige Auswirkungen auf die Vorsorgeberatung britischer Bürger.

„Berater müssen ihre Vergütung nun transparent mit dem Kunden vereinbaren. Zusätzlich hat RDR die Qualifikationsanforderungen an die Berater deutlich erhöht. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Regulierung, der häufig übersehen wird“, betonte Christian Nuschele, Leiter des Maklervertriebs des britischen Versicherers Standard Life auf dem Honorarberatungskongress in Hanau. „Die Beratungsqualität und das Image der Finanzberater haben sich dadurch deutlich verbessert“, so Nuschele. Es gibt nun zwar weniger, aber wesentlich zufriedenere Berater und Kunden. Banken hingegen haben sich eher aus dem Geschäft zurückgezogen.

Beratungslücke entstanden

„Großbritannien ist bei der Transparenz der Vergütung und der Förderung der Honorarberatung Vorreiter. Wir sollten allerdings aus manchen britischen Fehlern lernen“, so Rechtsanwalt Norman Wirth, AfW Bundesverband Finanzdienstleistung. Denn auf der Insel ist eine ernsthafte Beratungslücke entstanden. Die 34.000 im Markt verbliebenen Finanzberater konzentrieren sich auf diejenigen Zielgruppen, die für ihre Dienstleistung infrage kommen und die Honorare bezahlen wollen und können. Meist sind das Kunden ab 100.000 Pfund Einmalanlage oder ab 50.000 Pfund Jahresverdienst.

Angehörige unterer Einkommensschichten finden kein Beratungsangebot mehr, das sie sich leisten können und sind stattdessen auf staatliche Informationsstellen und auf standardisierte Produkte ohne Beratung angewiesen – ein negativer Begleiteffekt, der kritisch diskutiert wird. Nach jüngsten Meldungen überlegt die Aufsichtsbehörde FCA daher, in Teilbereichen wieder Provisionen zuzulassen. Eine grundsätzliche Abkehr von der RDR ist aber nicht geplant.

Makler schöpfen Möglichkeiten nicht aus

„Deutschland wird diesen Schritt einer Pflicht zum Honorar über die Regulierung nicht gehen“, so Wirth. „Der gesetzliche Rahmen in Deutschland ist ausreichend und bietet sehr vielfältige Möglichkeiten, die von Vermittlern bisher noch kaum genutzt werden“, so Wirth. Die Begründung liegt auf der Hand: „Es dauert einige Zeit, bis der Switch im Kopf des Vermittlers stattfindet, dass Honorarberatung nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll und lukrativ sein kann“, so Wirth weiter.

Niemand muss sich den rigiden Bedingungen des Paragrafen 34h GewO (Honorarfinanzanlagenberater) unterwerfen, um alternative Vergütungsmodelle in sein Geschäftsmodell zu integrieren. Denn über die Erlaubnis des Paragrafen 34f GewO (Finanzanlagevermittler) können Makler beide Vergütungsmodelle nebeneinander betreiben und eine schrittweise Anpassung des Geschäftsmodells vornehmen. „Voraussetzung ist natürlich, dass der Makler eine betriebswirtschaftliche Analyse durchführt. Er muss wissen, was seine Kunden bereit sind, für welche konkrete Dienstleistung zu bezahlen“, so Wirth.

Es gibt auch regulatorischen Zwang, meint Sven Putfarken, M+P Vorsorge- und Vermögensmanagement, der seinen Kunden seit 2008 aktiv Honorarberatung anbietet. Aufgrund der Umsatzsteuer-Problematik hat er dafür ein eigenes Unternehmen gegründet. „Wir haben eine Servicepauschale eingeführt, der Kunde erhält für eine jährliche Gebühr zusätzliche Dienstleistungen um die Versicherungspakete herum“, so Putfarken.

Vorteile für Berater und Kunden

Die Diskussion um die Honorarberatung und die Schwierigkeit, diese beim Kunden zu etablieren, wird weitergehen. Dabei sollte sich die Diskussion von einzelnen Produkten lösen. „Der Kunde braucht fundierte nachhaltige Beratung. In Großbritannien ist das einst konfrontative Beratungsmodell mit hohem Abschlussdruck für die Vermittler verschwunden, stattdessen herrscht nun ein gemeinschaftliches Arbeiten von Kunde und Finanzberater vor“, sagt Nuschele. In diesem Nutzen liege auch der Charme eines Modells für Deutschland.

Ein Finanzberater in Großbritannien hat maximal 200 Kunden und mehr Zeit für die Pflege seiner Kundenbeziehungen, weil er nicht ständig nach Neukunden und Abschlüssen Ausschau halten muss. Er hat klar formulierte Serviceverträge mit seinen Kunden und lebt von regelmäßiger Vergütung für die Betreuung, für Prüfung und Planung. „Britische Finanzberater verdienen heute mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell mehr als früher, können Liquidität langfristig planen und haben mehr Zeit für die Beratung“, hebt Nuschele die Top-Argumente hervor.

Von: Oliver Lepold

Quelle: DAS INVESTMENT.

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