Das Investment: Roundtable: „Risiko ist nichts Böses“

sjb_werbung_das_investment_300_200 SJB | Korschenbroich, 24.06.2013.  Neue Normalität, Schwarze Schwäne und Rendite im Niedrigzinsumfeld. Acht Experten diskutierten mit DAS INVESTMENT über aktuelle Perspektiven im Riskomanagement. DAS INVESTMENT: Spricht man über Risikomanagement, ist immer auch von der Neuen Normalität an den Märkten die Rede. Was ist wirklich neu daran? Kurt J. Kotzegger, Raiffeisen Capital Management: Aus meiner Sicht relativ wenig.

Menschen fokussieren sich in der Regel auf die jüngste Vergangenheit. Nach 2008 haben wir alle vom Liquiditätsrisiko gesprochen, jetzt reden wir vom Emerging-Markets-Wachstumsrisiko oder vom Goldpreisrisiko. Und nur weil man manche Risikofaktoren eine Zeit lang nicht sah, heißt das nicht, dass sie nicht da waren. Was sich in den zurückliegenden zehn Jahren aber wirklich verändert hat, sind die kurzzeitigen Wechsel zwischen Risk- on- und Risk-off, was man an verschiedenen Marksegmenten beobachten kann. Zudem sind die Portfolios internationaler und größer geworden, dadurch sind sie automatisch höher miteinander korreliert.

Und die Politik spielt eine wichtige Rolle. Karsten Schnapp, MMD: Ja. Das ist schon daran erkennbar, dass wir noch nie ein so künstlich erschaffenes Niedrigzinsumfeld hatten. In der Praxis existiert kein risikoloser Zins mehr. So sind Fehlallokationen an der Tagesordnung, und neue Blasen können entstehen. Wenn das Geld nichts kostet, hat es auch keinen Wert mehr.
Claus Huber, Systraquant: Ein Ausgangsproblem ist, dass künstlich zusammengefügt wurde, was nicht zusammengehörte – nämlich die Eurozone. Das ist ein sehr heterogenes Gebilde, das sicherlich noch einige Krisen durchstehen muss.
Markus Purtschert, UBS: Es kommen weitere politische Faktoren hinzu. Etwa, dass man durch asymmetrische Regulierung oder einseitig höhere Besteuerung Ungleichgewichte zwischen Europa, den USA und Asien schafft. Durch die heutige Technologisierung sind die Märkte auch viel enger aneinandergekoppelt als früher. So wirken sich Schockwellen in anderem Ausmaß und mit ganz anderer Tragweite aus.
Tobias Eppler, Schroders: Traditionelle Allokationsregeln funktionieren gerade in Krisenzeiten nicht mehr richtig. Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Rohstoffe zeigen in normalen Umfeldern eine wenig korrelierte Entwicklung. Wenn aber die Zeiten schwierig werden und die Volatilität ansteigt, steigt auch die Korrelation sprunghaft mit an.

Kann man denn die viel zitierten Schwarzen Schwäne im Portfolio abpuffern?
Sebastian Napiralla, Metzler:
Wir versuchen nicht, einen Schwarzen Schwan zu prognostizieren. Wäre ein solches Ereignis vorauszusehen, wäre es ja kein Schwarzer Schwan. Wir haben vielmehr regelgebundene Strategien entwickelt, in denen Stressszenarien schon ex ante integriert sind, sodass die Anleger auch in sehr turbulenten Marktphasen geschützt bleiben.

Bemerken Sie denn auch eine veränderte Erwartungshaltung Ihrer Kunden?
Pascale-Céline Cadix, Aquila Capital:
Ich denke, ja. Früher erwarteten Anleger oft zweistellige Renditen, heute ist man schon häufig über den Kapitalerhalt nach Inflation froh. Stand zuvor in den Gesprächen die Investmentstrategie im Vordergrund, ist es heute das Risikomanagement.

Manche meinen jedoch, dass Risk-Parity mittlerweile zum Modethema avanciert.
Alexander Lehmann, Invesco:
Diesen Eindruck teile ich nicht. Erstens kommen die Risikoparitätsansätze aus der institutionellen Welt, und die halte ich für weniger verdächtig, Moden hinterherzujagen. Und im Endeffekt ist die Risk-Parity-Strategie nur eine andere Art, Multi-Asset-Konzepte zu managen. Multi-Asset ist die Antwort des Vertriebs auf den Anleger, der in den vergangenen zehn Jahren potenziell dreimal Geld verloren hat: mit der TNT-Bubble, mit Absolute Return und Themenfonds.
Schnapp: Sagen wir es klar und deutlich: Die Fondsindustrie wird nicht mehr allzu viele Chance haben, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Man hat schon zu oft nach Ausflüchten gesucht, warum vermeintlich bombensichere Konzepte nicht funktionierten. Zu viele Fonds haben die Marketingabteilungen der Fondsgesellschaften bereits in die Welt hinausgeschickt. Die Produkte, die jetzt angeboten werden, müssen einen Mehrwert bringen und so transparent und klar sein, dass der Kunde ihre Chancen und Risiken konkret für sich erfassen kann.
Kotzegger: Alle Selbstkritik in Ehren, aber man sollte auch betrachten, was Anleger über die vergangenen fünf oder zehn Jahre im Schnitt verdient haben. Von 50 Fonds werden mindestens 40 in diesem Zeitraum absolute Renditen geliefert haben – vielleicht in einigen Fällen etwas weniger als erwartet. So können wir gegenüber dem Retailpublikum wieder mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen auftreten. Ob sich aber so viel beim Risikobewusstsein geändert hat, bin ich mir nicht sicher. Vor 18 Monaten wären unsere privaten und institutionellen Kunden total einverstanden gewesen, wenn wir ihr Portfolio so gebaut hätten, dass nur noch ein minimales nominelles Risiko bleibt und das Renditepotenzial gleichermaßen beschränkt ist. Heute hätte man Stress, wenn sie bei einigen Trends nach oben nicht mit dabei gewesen wären.
Lehmann: Da stimme ich zu. Zeigt unser Balanced-Risk-Fund, der langfristig sehr gut läuft, mal in einem Monat eine Negativentwicklung, verzeichnen wir danach schon auch mal geringere Zuflüsse. Und nach jedem Monat, den der Fonds ein Plus macht, gibt es kräftige Zuflüsse. Mit Verzögerung von zwei Monaten laufen Rendite und Bruttoumsatz praktisch parallel. Der Anleger ist heute nervöser als früher.

Ein Grund mehr, Negativentwicklungen schon in frühem Stadium zu erkennen. Wie misst man denn die Risiken, die im Markt sind, richtig?
Huber:
An eine Messung mit mathematischer Genauigkeit glaube ich nicht. Ich bin zufrieden, wenn ich ein Risiko schätzen kann, und auch da kann man mal falsch liegen. Durch die Neue Normalität gibt es auf jeden Fall viel mehr Grenzrisiken, also sogenannte Tail-Risks, die meines Erachtens kaum eingepreist werden. Wenn ich mir anschaue, wo die Aktienmärkte und die Aktienvolatilität derzeit angesiedelt sind, dann würde ich nicht sagen, dass wir deutlich besser dastehen als vor einem Jahr.
Purtschert: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir sehen an den Aktienmärkten sehr niedrige Volatilitäten, man könnte fast meinen, alles sei wieder in Ordnung. Das wird aber verfälscht durch die Liquiditätsschwemme, die vieles überdeckt. Das kann trügerisch sein. Und gefährlich ist doch insbesondere das, was man heute nicht weiß und was unerwartet eintritt.

Wie kann man die Solidität eines Asset-Management-Konzepts herausstellen?
Eppler:
Zum Beispiel indem man den maximalen Verlust über einen längeren Zeitraum darstellt. So können wir etwa zeigen, dass ein Fonds seit Auflage maximal 5 Prozent verloren hat. Das ist ein Sicherheitsfaktor für die Investoren, die sich orientieren können, wie der Fonds auch schwierige Marktphasen bewältigt hat. Das ist nichts Neues, aber dennoch ein wichtiges Thema. Gerade bei den lösungsbasierten Fonds, die bei uns nach dem Multi-Asset-Ansatz gemanagt werden.
Schnapp: Ergänzend lässt sich die Underwater-Period anführen. Denn es gibt ja nichts Schöneres für einen Kunden, als seinen Einstandspreis wieder zu erreichen. Das ist auch eine psychologische Marke.
Purtschert: Aber ich warne davor, nur nach hinten zu schauen. Wir kennen alle den Fall Mortgage-Backed Securities, die über Jahre gute Renditen und geringe Volatilität lieferten. Da haben sich viele Investoren in falscher Sicherheit gewiegt. Die Rückbetrachtung sollte man durch vorwärtsgerichtete Analysen komplettieren.
Napiralla: Auf jeden Fall – zumal nicht jeder Fonds eine so lange Historie mitbringt, die man für eine Betrachtung von maximalen Verlusten und realisierten Erträgen benötigt. Bei der Einordnung von Risiken sollten Investoren immer auch vorwärtsgerichtete Risikogrößen wie etwa die zu erwartende Volatilität oder den potentiell maximalen Verlust im Blick haben.
Huber: Auch ich halte es für wichtig, bei einem noch jüngeren Konzept zeigen zu können, wie hoch in der Vergangenheit die maximalen Verluste gewesen wären. Etwa indem man das Jahr 2008 mit einem Verlust des S&P von rund 40 Prozent zugrunde legt und schaut, was beim Produkt passiert wäre. So kann ein Anleger für sich das Risiko einordnen. Als alleiniges Tool reicht dies allerdings sicherlich nicht aus.
Eppler: Wenn man an einen Long-only-Aktienfonds denkt, haben langfristig Value- Strategien die Growth-Strategien outperformt. Obwohl es jeweils lange Phasen gegeben hat, in denen entweder die eine oder die andere Strategie die Nase vorn hatte. Es ist möglich, dass Value-Strategen jetzt die Oberhand gewinnen. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Märkte sich wieder stärker auf die Fundamentaldaten besinnen. Das hieße dann auch, dass die Bewertungsseite wieder zuverlässiger würde. Das ist sicherlich auch nur unter Vorbehalt so zu sehen, denn dies alles ist unglaublich schwierig einzuschätzen.

DAS INVESTMENT: Risiken sind das eine. Bei welchen Assets sehen Sie denn gegenwärtig Chancen im Markt?
Huber:
Ich kann nicht sagen, ob man aktuell Aktien oder High Yield kaufen sollte. Ich bin kein Long-only-Anleger. Im aktuellen Umfeld eilen sowohl Aktien als auch Renten bei sehr niedriger Volatilität von einem Rekord zum nächsten. Anleger sollten aber wissen: Je mehr Schulden im System stecken, desto kleiner kann der Anlass sein, damit das Kartenhaus zusammenbricht. Ich halte daher viel von Risk-Parity, aber man sollte einen Schritt weitergehen, also nicht nur die klassische Long-only-Version mit Aktien, Renten und gegebenenfalls anderen Assetklassen umsetzen. Wir sollten uns auf Zeiten vorbereiten, in denen die Zinsen steigen und die Aktienkurse fallen können. Das ist eine Situation, auf die die klassischen Risk-Parity-Ansätze nicht adäquat reagieren können. Darum ist Zeit für Risk-Parity 2.0. Letztlich geht es dabei um eine Long-short-Strategie, die auch am Anleihenmarkt auf fallende Kurse setzen kann.
Napiralla: Das sehe ich auch so. Viele klassische risikoparitätische Ansätze halten Renten im Portfolio. Die Risikogleichgewichtung sorgt dann dafür, dass Renten – aufgrund ihrer deutlich geringeren Volatilität etwa im Vergleich zu Aktien – ein sehr hohes Gewicht im Portfolio erhalten. Je nach Ansatz sind nominale Rentenquoten von über 70 Prozent keine Seltenheit. Was natürlich bedeutet, dass ich als Anleger in einem Szenario steigender Zinsen stark erwischt werde. Wenn dann Aktien kein Gegengewicht liefern, tut das weh. Der Fokus auf ein statisches Long-only-Risk-Parity-Investment ist daher aus meiner Sicht gerade in Krisenphasen nicht optimal.
Cadix: In meinen Augen ist Risk-Parity nicht statisch. Das einzige Statische daran sind die Assetklassen, die Sie im Vorhinein festgelegt haben. Wir beispielsweise haben ein tägliches Rebalancing und können so sehr schnell auf aktuelle Marktentwicklungen reagieren.
Napiralla: Das glaube ich, doch spielt hier der Zeitraum für die Risikobetrachtung eine wichtige Rolle. Sollten beispielsweise Rentenpapiere an zehn aufeinanderfolgenden Tagen signifikant verlieren, werden Sie dort immer noch mit einem sehr hohen Gewicht investiert sein. Das liegt daran, dass in diesem Zeitraum die Volatilität nicht so schnell ansteigt, sodass eine Quotenveränderung vorgenommen wird. Das ist, was ich mit „statisch“ meine. Im Rahmen unserer Wertsicherungsansätze profitieren unsere Anleger von Aktien- oder Rentenquoten im Portfolio, die sich dynamisch zwischen 0 und bis zu 100 Prozent bewegen können.
Cadix: Wenn die Renten an zehn aufeinanderfolgenden Tagen verlieren, mach sich das bei uns auf jeden Fall in der Volatilität und folglich bei der entsprechenden Gewichtung bemerkbar. Hier würden wir das Exposure in dem entsprechenden Bereich reduzieren. Und natürlich kann es dann auch mal sein, dass wir dann für einen begrenzten Zeitraum nicht die Gewinne einfahren, die wir gern hätten. Doch seien wir realistisch: Grundsätzlich gibt es keinen Fonds am Markt, der in jeder Marktphase positive Renditen erzielt. Risk-Parity-Investments sollten ein Teil der Gesamtallokation eines Portfolios sein und können zur Risikoreduzierung gut beitragen. Schaut man sich rückblickend die vergangenen vier Dekaden an, kann man feststellen, dass Risk-Parity im Vergleich zu den Assetklassen Aktien, Renten, Rohstoffe und kurzfristige Zinsen immer die beste Sharpe-Ratio aufweisen konnte. Einzige Ausnahme war die Ölkrise in den 70er-Jahren, da war die Sharpe-Ratio bei Rohstoffen etwas höher. Aber sehen Sie sich auch schwierige Jahre an, etwa 2008. Hier konnten wir zeigen, dass Risk-Parity auch in solchen Zeiten gut funktioniert. Seit Auflage im Jahr 2004 haben wir kein einziges Jahr negativ abgeschlossen.
Lehmann: Und niemand will Kunden überzeugen, aus Emerging-Markets-Aktienfonds oder vergleichbaren Anlagen in Risk-Parity-Fonds umzuschichten. Doch wir wollen den Kunden motivieren, unter einem stark risikoorientierten Ansatz seine Festgelder teils zu mobilisieren, um nach Inflation keine Verluste mehr zu realisieren. Denn das größte Risiko für den Kunden ist doch immer noch, nicht investiert zu sein. Was Risk-Parity natürlich nicht kann, ist, gut auszusehen, wenn in einer Marktkrise alle Korrelationen drastisch zusammenlaufen. Aber wie oft und wie lange war das bislang der Fall? Nie länger als drei Monate
Kotzegger: Ich will an dieser Stelle aber auch mal eine Lanze für Buy and Hold brechen. Wenn Sie ein gut diversifiziertes Risk-Parity-long-only-Portfolio nehmen, haben Sie bei einem Zeithorizont von zehn Jahren gute Chancen, dort eine Sharpe-Ratio zwischen 0,5 und 1 zu sehen. Wenn Sie marktneutrale Strategien hinzunehmen, ist das zur Diversifikation sinnvoll. Aber wenn Sie positive Erträge von marktneutralen Strategien erwarten, dürfte das relativ schwierig werden. Diesen Fehler haben Absolute-Return-Strategien aus dem vergangenen Jahrzehnt schon einmal gemacht.
Purtschert: Wir hatten jetzt über 20 Jahre fallende Zinsen, das hat sicher dazu geführt, dass man diese schönen Sharpe-Ratios sehen konnte. Wir brauchen aber eher auf kurzfristige Effekte reagierende Strategien. Wir schauen uns deshalb unter anderem relativ kurze Volatilitäten und Korrelationen über zehn oder 30 Tage an und steuern so das Exposure der einzelnen Assetklassen. Das erlaubt uns dann zum Beispiel, rechtzeitig auf steigende Zinsen zu reagieren, weil dann typischerweise auch die kurzfristige Volatilität reagiert.
Eppler: Darüber hinaus sollten wir an die versteckten Risiken denken. Bei Hochzinsanleihen etwa haben wir nicht nur ein Kreditrisiko, sondern auch ein Laufzeit und Aktienrisiko. Wir schauen deshalb bei unseren Multi-Asset-Ansätzen ganz besonders auf die Risikoprämien. Im Extremfall könnten wir bis zu 90 Prozent in Cash halten. Da ist man abgesichert, aber natürlich nutzt man dann auch keine Wachstumsanlageklassen mehr. Wobei in einer solchen Marktphase nur noch zählt, Verluste zu vermeiden.

Was sagt denn ein Long-only-Fan dazu, Herr Kotzegger?
Kotzegger:
Ich bin ein Fan von den meisten Dingen, die funktionieren. Leider funktioniert nur so wenig permanent, und das lässt mich immer wieder zu Long-only zurückkehren. Generell hat Risk-Parity etwas zu Unrecht den Nimbus, dass es etwas ganz Klares und Bestimmtes ist, das alle gleich machen. Aber von allen Anbietern hier am Tisch ist kein Produkt dem anderen sehr ähnlich. Es beginnt schon damit, über welche Assetklasse man spricht, die man ausgewogen im Portfolio haben sollte – und welche nicht. Die Volatilität spielt bei allen eine große Rolle, aber reden wir über die Drei-Monats- oder die Zehn-Jahres-Volatilität? Das macht einen großen Unterschied. Die Abweichung von der statischen Risikoparität ist bei uns der wichtigste Einzeltreiber. Wir werden nicht über jeden Monat oder jedes Jahr über die von uns definierten Risikoquellen eine Gleichverteilung darstellen, wenn wir registrieren, dass ein Faktor zu teuer ist.

Komplexe Fondsmanagement-Strategien nutzen Sie alle hier am Tisch. Eine nicht ganz leichte Aufgabe besteht sicherlich darin, diese dem Vertrieb und den Kunden richtig zu erklären. Vor allem weil dort gewisse Vorbehalte gegenüber einigen Instrumenten vorherrschen.
Cadix:
Meine Kunden kommen in erster Linie aus dem Wholesale-Segment. Diejenigen von ihnen, die ein Beratungsprotokoll anfertigen müssen, tun sich oft schwer damit, ihren Kunden systematische Ansätze zu erklären. Zudem lösen einige Begriffe bei vielen eine Negativassoziation aus. Ein gutes Beispiel sind Futures: Die meisten Risk-Parity-Manager setzen diese ein. Und das ist auch gut so, denn Futures sind ein sinnvolles Vehikel im Fondsmanagement. Im institutionellen Bereich sind sie gang und gäbe, da sie nicht zuletzt liquide und günstig im Handel sind. Etliche Berater und Anleger sind darüber allerdings nicht vollständig aufgeklärt und schrecken vor Futures zurück.

Schnapp: Was auch daran liegt, dass in der Öffentlichkeit und in den Publikumsmedien das Bild unreflektiert und total verzerrt ist. Es wird nicht gesehen, wie hilfreich Futures und Optionen sein können, um ein Portfolio abzusichern. Da heißt es dann gleich: Zocker-Produkte. Diese Botschaft trägt entsprechend zur Verunsicherung der Anleger bei.
Lehmann: Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen und zunächst einmal Risikoparität an sich erklären – denn das versteht ja schon mal keiner. Wenn der Kunde dann weiß, was der Unterschied zwischen Kapitalmarkt- und Risikogewichtung ist, sind wir ein großes Stück weiter. Bei Futures und ETCs wird es sicherlich im Detail schwieriger. Aber es gilt die KISS-Regel: Keep it simple and stupid. Eins muss man jedoch auch sehen: Der Gesetzgeber verlangt an einigen Stellen sehr weitgehende Aufklärungspflichten, sodass wir manches nicht so einfach erklären dürfen, wie es praktikabel wäre. Transparenz ist gut, aber hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

In der Öffentlichkeit wird bisweilen auch der Leverage-Einsatz, also der Einsatz von Hebeln im Portfolio, kritisiert.
Napiralla:
Hebelwirkung entsteht schon allein durch den Einsatz von Futures zur Darstellung etwa von Aktien- oder Rentenquoten. Da bei Futures schon geringe Kasseanforderungen zu hohen wirtschaftlichen Quoten führen, ist sozusagen Kapital übrig. Dieses muss dann ebenfalls angelegt werden, und dadurch wird eine Hebelwirkung erzeugt. Alle hier angesprochenen Produkte, seien es Risk-Parity- oder Wertsicherungsansätze, die mit Futures arbeiten, sind daher „gehebelt“. Leverage ist aber keine aussagekräftige Risikokenngröße Vielmehr sollten sich Anleger auf das ganzheitliche Risikomanagement von Investmentansätzen fokussieren, denn nur so können alle Risiken im Portfolio effizient berücksichtigt werden.
Purtschert: Absolut richtig. Futures und Optionen spielen im professionellen Risikomanagement eine wichtige Rolle. Unsere Verantwortung als Assetmanager und Experten ist die, die richtigen Instrumente so zu wählen, dass sie sinnvoll eingesetzt werden. Ein Beispiel: Diejenigen, die 2008 physisch in Bonds investiert waren, haben mehr Liquiditätsprobleme gehabt als diejenigen, die dort über Derivate investiert waren. Ich glaube, es wäre falsch, nur aufgrund der Ängste der Kunden und Politiker auf diese Instrumente zu verzichten.

Doch ist es auch möglich, dass sich der Computer bei quantitativ gemanagten Fonds irrt. Greifen Sie bei offensichtlichen Fehlern ein?
Huber:
Für mich ist natürlich schon wichtig, dass ich bei einem quantitativen System verstehe, was es macht. Also dass ich mir die Frage stelle: Welche Signale bekommen wir, und ob ich diese im Kontext des Modells und des Markts einordnen kann. Wenn dabei etwas unsinnig scheint, würde ich immer die Modellkonstruktion hinterfragen. Der beste Ansatz ist hier gesunder Menschenverstand.
Cadix: Ich halte bei einem quantitativen und systematischen System die Konsequenz für den besten Ansatz. Wenn hier menschliche Emotionen wie Gier oder Angst hineinspielen, kann das vom Weg abführen. Erst recht im Bereich Risikomanagement haben Emotionen eigentlich nichts verloren. Gewinne zu begrenzen und Verluste laufen zu lassen, in der Hoffnung, dass der Markt wieder dreht, kann unter Umständen sehr gefährlich werden.
Lehmann: Zur Konsequenz würde ich noch die Disziplin gesellen. Und jedes Modell ist nur so gut wie die Experten, die es konstruiert haben.
Schnapp: Da es einige gute Modelle gibt, meinen wir, dass es sinnvoll ist, über Köpfe, Assets und Investmentstile zu streuen. So können die Risiken für den einzelnen Anleger weiter reduziert werden.
Kotzegger: Und lassen Sie es mich so sagen: Risiko ist gut. Mit Risikoprämien verdienen wir das Geld. Denn Risiko ist nichts Böses, sondern die Grundlage für Rendite.

Von: Markus Deselaers

 Quelle: DAS INVESTMENT.

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