Das Investment: Ukraine-Konflikt: Die wichtigsten Infos

sjb_werbung_das_investment_300_200 SJB | Korschenbroich, 03.03.2014. Nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch kam es in der Ukraine zu Unruhen und brutalen Auseinandersetzungen. Daniel Lenz, Analyst bei der DZ Bank, nennt die wichtigsten Fakten über die Notlage in der Ukraine.

Der Auslöser für die jüngste Eskalation des Konflikts in der Ost-Ukraine

Nach dem Sturz des pro-russischen Präsidenten der Ukraine Janukowitsch hat die neue westlich orientierte Regierung ein Gesetz zum Schutz von Sprachminderheiten außer Kraft gesetzt.

Dieses ermöglichte es bis dato, dass in der Ost-Ukraine, wo die Mehrheit der Bevölkerung Russisch spricht, Russisch auch als Amtssprache fungieren konnte.

Diese Entscheidung war eine von mehreren unmittelbaren Auslösern, der die Sorge auf der Krim und in anderen ost- und südukrainischen Gebieten erhöhte, dass die überwiegend russisch ausgerichtete Bevölkerung der Verlierer eines neuen „Westkurses“ der Ukraine sein wird.

Bei Demonstrationen forderten viele Ost-Ukrainer Schutz durch die russische Regierung, während die ukrainisch orientierte Minderheit in der Ost-Ukraine den politischen Richtungswechsel in Kiew mehrheitlich begrüßt.

Politische Zielsetzung der russischen Regierung

Die russische Regierung hat vielfältige Interessen in Bezug auf die Ukraine und vor allem deren östlichen Landesteile. Die Krim gehörte vormals zu Russland und erst seit den 1950er-Jahren zur ukrainischen Sowjetrepublik, bevor sie nach dem Zerfall der Sowjetunion Teil einer unabhängigen Ukraine wurde.

Die russische Regierung sowie große Teile der russischen Bevölkerung betrachten die Russen und russischsprachigen Bürger in der Ost-Ukraine als Landsleute, denen der Schutz der russischen Regierung gebührt.

Der politische Schwenk der Ukraine läuft Präsident Putins geopolitischen Interessen zuwider; außerdem vertritt die russische Führung die Ansicht, der Sturz des Regimes in Kiew ist vom Westen initiiert worden. Putin plant den Ausbau einer Eurasischen Union (Zollunion), die einen Gegenpol zur EU bilden und Russlands Einfluss stärken soll.

Ohne die Mitgliedschaft der Ukraine wird sich die Eurasische Union als Fehlschlag herausstellen. Militärisch kommt der Krim eine ganz bedeutende Rolle zu, da sie der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte ist.

Dem russischen Präsidenten Putin dürfte überdies daran gelegen sein, dass der demokratische Funke aus Kiew nicht auf Moskau und ganz Russland überspringt.

Hierzu spielt Putin die patriotische Karte, indem er sich als entschlossenes Staatsoberhaupt für die Interessen seiner Landsleute im Ausland einsetzt und hofft, dass in der Krise übergeordnete nationale Interessen den Wunsch nach mehr Demokratie, der auch in Teilen der russischen Bevölkerung besteht, zunächst verdrängen.

Kann die Krise zu einem Konflikt zwischen Russland und dem Westen ausarten?

Russlands militärische Intervention in der Ukraine ist ein klarer Affront gegen die Ukraine als auch gegenüber dem Westen, der die Demokratisierungsbestrebungen und die Annäherung Kiews an die EU unterstützt.

Moskau begründet die Intervention mit dem Schutz seiner Bevölkerung außerhalb der eigenen Landesteile. Auch westliche Staaten hatten in der Vergangenheit militärische Interventionen in Drittstaaten ohne UN-Mandat mit einer ähnlichen Begründung vollzogen.

Anders als westliche Staaten agiert Russland jedoch hinsichtlich seiner genauen Ziele und militärischer Aktionen wesentlich intransparenter. Bereits im Krieg mit Georgien machte Russland seinen politischen und militärischen Führungsanspruch auf dem Gebiet der ehemaligen GUS-Staaten geltend.

Während es der Westen im Georgien-Konflikt bei verbaler Kritik beließ, kann die Reaktion nun deutlicher ausfallen. Die USA stellten bereits Russlands G8-Mitgliedschaft infrage, drohen mit dem Boykott des G8-Gipfels in Sotchi und ziehen russische Kontensperrungen im Ausland in Betracht.

Ferner kann die NATO der Ukraine auch eine Mitgliedschaft im Bündnis erst zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht stellen. Weitergehende Maßnahmen wie eine indirekte oder gar direkte militärische Unterstützung der Ukraine durch die NATO im aktuellen Konflikt werden gegenwärtig nicht diskutiert.

Das übergeordnete Verhältnis zwischen dem Westen und Russland dürfte überdies ein höheres Gewicht für den Westen als die staatliche Souveränität der Ukraine haben.

Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama stimmen überein, dass eine politische Lösung der einzige Weg sein könne. Der Westen hätte einer Spaltung der Ukraine in letzter Konsequenz nicht viel entgegenzusetzen.

Mögliche wirtschaftlichen Auswirkungen für die EU

Russland ist der zweitgrößte Erdgas- und Erdölproduzent der Welt; Deutschland bezieht ein Drittel seines Erdgases aus Russland, andere EU-Staaten sind ebenfalls auf russisches Erdgas angewiesen.

Wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland träfen damit auch die EU sowie über höhere Energiepreise die gesamte Weltwirtschaft. Für die sich gerade erholende Weltwirtschaft und vor allem die EU-Wirtschaft wären steigende Energiepreise oder sogar eine Versorgungsknappheit ein Risikofaktor.

Da Russland bei vergangenen politischen Konflikten sich stets als verlässlicher Partner des Westens in Bezug auf geschlossene Verträge über Erdgas-und Erdöllieferungen gab, dürfte auch im aktuellen Konflikt die grundsätzliche wirtschaftliche Kooperation zwischen der EU und Russland nicht zur Disposition stehen.

Etwaige Sanktionen des Westens gegenüber Russland beschränkten sich voraussichtlich auf eher symbolische Maßnahmen. Der Westen und Russland befinden sich trotz politischer Differenzen damit in einem gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis.

Das fehlende wirtschaftliche Druckmittel des Westens dürfte bei den politischen Handlungen Moskaus durchaus eine Rolle spielen.

Könnte der Konflikt Einfluss auf die EWU-Staatsanleihemärkte nehmen?

Es ist mit einer Zunahme der Risikoaversion zu rechnen, was vor allem weniger entwickelte Märkte außerhalb der EU treffen könnte. Fluchtkapital dürfte vor allem in kerneuropäische Länder sowie deren Staatsanleihen fließen.

Deutsche und französische Renditen geben bereits etwas nach. Ob es auch innerhalb der EWU zu Kapitalverschiebungen aus den Krisenländern in den Norden kommt, hängt vom weiteren Verlauf der Krise ab. Bei den Marktverwerfungen der vergangenen Wochen rund um die Emerging Markets war der Einfluss auf die EWU-Peripherie eher gering.

Investoren verlagerten zwar kein Fluchtkapital nach Spanien oder Italien, sie zogen aber auch keine Gelder aus diesen Ländern ab, sodass die Renditen Spanien oder Italiens nicht anstiegen.

Auf Spreadbasis kam es dennoch kurzzeitig zu leichten Ausweitungen. Drohte der Konflikt in der Ukraine weiter zu eskalieren und stiegen die Rohstoffpreise deutlich an, könnten auch die Konjunktursorgen in der EWU zunehmen.

Im ungünstigsten Fall griffen die alten Krisenmechanismen, dass aus Sorge um den Aufschwung Kapital aus der Peripherie in den Kern verlegt würde. Bund-Renditen würden nachhaltig sinken, während Peripherierenditen deutlich anstiegen. Davon sind wir zumindest aktuell noch entfernt.

Welche Strategie sollten Anleger nun wählen?

Die unsichere Lage in der Ukraine und das schwelende Risiko einer weiteren Eskalation erfordern eine bis auf weiteres etwas vorsichtige Ausrichtung für Anleger. Zumindest auf Wochenbasis bieten sich Bunds und andere Kernstaaten als sicherer Hafen an, während das Risiko für die Peripherie zunehmen kann.

Hier empfehle ich, zumindest die Duration kurz zu halten. Erst wenn das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland gebannt und klar ist, wie die Eckpunkte (beispielsweise vorgezogene Volksabstimmungen hinsichtlich der nationalen Zugehörigkeit der ostukrainischen Landesteile) einer Lösung des Konflikts aussehen können, werden die Ausstrahlungsrisiken auf die EWU-Staatsanleihemärkte abnehmen.

Von: Daniel Lenz

Quelle: DAS INVESTMENT.

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