Das Investment: Kapitalmärkte im Krisenkorsett

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Langsam verliert man die Übersicht: akute Währungskrise in der Türkei, drohende Eurokrise über Italien und was war noch gleich der Stand im Handelskrieg? Die Kapitalmärkte müssen derzeit einiges verdauen, und das ist nicht die Umgebung für Höhenflüge. Die meiste Arbeit haben Analysten und Beobachter dieser Tage damit herauszufinden, was politische Rhetorik, und was tatsächlich ernst zunehmende Probleme für Wirtschaft und Kapitalmarkt darstellt.

Die wirtschaftliche Krise in der Türkei hat – selbst wenn das die Regierung nachvollziehbarerweise nicht so sieht – hauptsächlich hausgemachte Gründe. Eine Neuorientierung von Politik und Gesellschaft, die auf wirtschaftliche und finanzielle Belange so wenig wert legt, wie die Entwicklung in der Türkei gerät schnell in Konflikt mit anderen Akteuren, insbesondere wenn die Verflechtung über die Schuldnerposition an den internationalen Finanzmärkten so eindeutig ist.

Der Krise wird bislang nach Maßstäben der Finanzmärkte nicht professionell entgegen getreten, was sie eher noch vertieft. Die größten Rückwirkungen auf die Finanzmärkte ergeben sich über das Bankensystem, wo sich mögliche Ausfälle niederschlagen können. Hier muss zwischen unterschiedlicher Betroffenheit einzelner Institute unterschieden werden, eine systemische Bedrohung liegt aber nicht vor. Gegenwärtig benötigt die Türkei jährlich externe Finanzierungen in Höhe von 40 Mrd. Euro.

Dass einzelne Länder mit ausreichenden Finanzierungen in die Bresche springen, ist unwahrscheinlich. Der Währungsverfall dürfte so lange weiter gehen, wie nicht eine glaubwürdige Wirtschaftspolitik aufgesetzt ist. Spätestens wenn aus der Währungskrise eine Schuldenkrise wird, wird der Druck auf die Regierung hin zu pragmatischen Lösungen unausweichlich.

Sollte sich die Lage im türkischen Finanzsektor entspannen, so steht in Europa gleich ein weiterer potenzieller Krisenherd bereit. Voraussichtlich Ende September veröffentlicht die neue italienische Regierung ihren Haushaltsentwurf für das kommende Jahr, der danach bis Mitte Oktober bei der Europäischen Kommission eingereicht werden muss.

Auf eine vorsätzliche Verfehlung der Defizitobergrenze oder einen Haushalt, der auf inkonsistenten Annahmen beruht, dürften EU-Kommission und EU-Rat mit vehementer Kritik reagieren. Es ist zwar nicht mit ernsthaften Sanktionen aus Brüssel zu rechnen. Jedoch dürften die Rating-Agenturen das Missfallen an der italienischen Haushaltspolitik nicht länger ignorieren können. Es droht daher ein weiteres Abrutschen in Richtung Non-Investmentgrade. Ein Unterschreiten dieser kritischen Schwelle hätte dramatische Konsequenzen.

Die EZB müsste die Käufe italienischer Staatsanleihen einstellen – sogar die Wiederanlage von Rückflüssen – solange Italien kein Hilfsprogramm mit dem ESM vereinbart. Zudem würden italienische Staatsanleihen aus wichtigen Benchmarks für institutionelle Investoren gestrichen. Mit Marktreaktionen wäre jedoch schon lange vor den Rating-Downgrades zu rechnen. Insofern sollten zu gewagte fiskalpolitische Experimente der italienischen Regierung eine weitere Ausdehnung der Spreads zur Folge haben. Umgekehrt ist eine nachhaltige Entspannung erst zu erwarten, wenn die EU-Kommission den italienischen Haushaltsentwurf eindeutig nicht als Verstoß gegen die EU-Regeln bezeichnet.

Im Angesicht all dieser Risiken – vom weiter schwelenden Handelsstreit gar nicht zu sprechen – verhalten sich die Unternehmen pragmatisch. Die US-Firmen schwelgen sowieso noch in Euphorie über die Trump´sche Steuerreform. Aber auch in Europa zeigen die neuesten Wachstumszahlen, dass der Aufschwung intakt ist. In Deutschland halten sich Außenhandel und Investitionsverhalten recht stabil, ebenso in den anderen Regionen der Währungsunion.

Angesichts der Risiken fungieren solide Staatsanleihen in diesen unsicheren Zeiten als sichere Häfen. Über den Aktienmärkten in Europa liegt eine Eisschicht aus politischen Unwägbarkeiten. Nur wenn diese in den kommenden Wochen einmal wieder etwas antauen sollte, könnten die derzeit brachliegenden Kurspotenziale gehoben werden.

Von: Ulrich Kater

Quelle: Das Investment

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